Rezension: Heute Abend in der Eisdiele am Meer

Dieses Buch hat mich via Bloggerportal als Rezensionsexemplar aus dem Penguin-Verlag erreicht

Heute Abend in der Eisdiele am Meer - Holly Hepburn

Beschreibung des Verlages:

Eine kleine Eisdiele, große Träume und eine Sommerliebe, die nie vergeht

Ihre Sehnsucht nach den goldgelben Sandstränden Cornwalls hat Gina nie verlassen: Hier hat sie bei ihren Großeltern viele glückliche Sommer verbracht, und hier hat sie ihre erste große Liebe kennen gelernt. Als ihr Großvater sich das Bein bricht und seine berühmte Eisdiele nicht mehr allein führen kann, lässt Gina in London alles stehen und liegen und eilt nach Cornwall – doch kaum trifft sie ein, ist sie bestürzt: Das kleine Kino am Meer, in dessen Foyer die Eisdiele beheimatet ist, ist heruntergekommen, die Gäste bleiben schon lange aus. Gina ist fest entschlossen, Eissalon und Kino zu retten. Ihr Plan: köstliche neue Eissorten zu kreieren, deren fruchtige Süße ein Lächeln in die Gesichter zaubert. Unterstützung bekommt sie von ihrer Jugendliebe Ben, doch als alte Gefühle langsam wieder aufflammen, reist Ginas Partner aus London an ...

Inhalt:
Gina lässt ihr schillerndes Leben, ihren übervollen Terminkalender und ihren Freund Max in London zurück, um ihren Grosseltern in Cornwall ein wenig unter die Arme zu greifen. Vor allem ihr Grossvater tut sich sehr schwer mit diesem Arrangement. Sein grosses Herz siegt aber über seine Sturheit und er stimmt zu, seine Enkelin in die Geheimnisse seines Handwerks einzuweihen. Ferrelli's Gelato und die alte Molkerei sind sein Ein und Alles und bald schon beginnt auch Gina, ihre Liebe für den Eissalon und das alte Kino, mit dem sie viele Abenteuer und romantische Erinnerungen verbindet, wiederzuentdecken und begegnet dabei noch wie durch Zufall ihrem Jugendfreund Ben. Bald aber treten finanzielle Probleme auf, die allen Beteiligten das Leben schwer machen und Ginas Freund Max möchte, dass sie endlich wieder nach London zurückkehrt und nicht mehr so viel Zeit mit Ben verbringt...

Meine Meinung:
Eis und Meer und tolle Kinoerlebnisse mit viel Popcorn...Was gibt es besseres? Die letzten Tage und Wochen waren bei mir übervoll und auch meine Lektüren waren eher anspruchsvoll, also hat es mich unendlich gefreut, dass ich mit diesem leichten Sommerroman - den ich innerhalb von zwei Tagen inhaliert habe - komplett aus meinem Alltag entfliehen konnte. Vor allem die Einblicke in die Kunst der Eisherstellung, sowie die Kinothemenabende haben mich gänzlich für sich eingenommen. Ausserdem hat mir gefallen, dass die Liebesgeschichte(n) nicht zu sehr im Zentrum stehen, sondern dass sich die Geschichte vor allem um Ginas Familie und ihre Arbeit, den Eissalon, das Kino und Bens Leidenschaft für Züge und den alten Bahnhof dreht. Das Ende ist zwar - wie man es aus solchen Geschichten kennt - ein wenig zu offensichtlich, ein wenig zu sehr in die Länge gezogen und zu zuckersüss, aber hey, das habe ich gerade gebraucht. Was ich aber wirklich loben kann: sehr oft sind Frauen in solchen Büchern mit unmöglichen Männern zusammen, von denen man sich fragt, wie die beiden überhaupt aneinandergeraten können und denen man wünscht, dass sie am liebsten schon vorgestern einen wesentlich besseren Mann gefunden hätten. Dies ist in "Heute Abend in der Eisdiele am Meer" so gar nicht der Fall. Ganz im Gegenteil: es wird aufgezeigt, wie sowohl Liebesbeziehungen, als auch familiäre und freundschaftliche Beziehungen sich über die Jahre verändern und dabei wachsen (wie bei Ginas Grosseltern) oder auch Keile zwischen die Beteiligten treiben können. Dies hat mir persönlich sehr zugesagt.

Schreibstil:
Die Sprache ist flüssig und leicht und Holly Hepburn hat mich wirklich einige Male äusserst hungrig und nach einem Eis, einem Biscotti oder einer Portion Popcorn lechzend zurückgelassen. Ausserdem sind die Personen so wunderbar beschrieben, dass ich mir am liebsten ebenfalls gleich eine kleine Auszeit in Polwhipple und einen Kinoabend mit Gina gönnen möchte. Und dann lässt dieses Buch ganz sicher auch noch die Herzen von Liebhaber*innen alter Filme höher schlagen: zahlreiche Filmklassiker finden in die Geschichte Einzug (nicht ganz ohne Spoiler, aber hey, wir kennen die Filme so oder so schon alle) und werden an den Themenabenden, die Gina organisiert, mit viel Liebe zum Detail ausführlichst gewürdigt, weshalb der Englische Originaltitel auch: The Picture House by the Sea lautet.

Meine Empfehlung:
Diese leichte Lektüre empfehle ich allen weiter, die gerne mit einem Eis und guter (fiktiver) Gesellschaft eine Auszeit aus ihrem Alltag geniessen und dabei unvergessliche Stunden im Kino und am Meer erleben möchten.

Zusätzliche Infos:
Titel:
Heute Abend in der Eisdiele am Meer
Originaltitel: The Picture House by the Sea
Autorin: Holly Hepburn liebt es, Menschen zum Lächeln zu bringen – und sie liebt ihre Katze Portia. Sie hat in der Marktforschung und als Model gearbeitet, ihr großer Traum war aber schon immer das Schreiben. Sie lebt in der Nähe von London.
Sprache: Deutsch
Aus dem Englischen von: Melike Karamustafa
Taschenbuch, Broschur: 544 Seiten
Verlag: Penguin Verlag
Erschienen am:
13. April 2021
ISBN: 978-3-328-10678-4

Rezension: Madame Piaf und das Lied der Liebe


Madame Piaf und das Lied der Liebe

Beschreibung des Verlages:
„Das Glück muss man mit Tränen bezahlen.“ Édith Piaf.
Paris, 1944: Nach dem Ende der deutschen Besatzung wird die Sängerin Édith Piaf der Kollaboration angeklagt – und fürchtet ein Auftrittsverbot. Während sie ihre Unschuld zu beweisen versucht, lernt sie Yves Montand kennen, einen ungelenken, aber talentierten jungen Sänger. Édith beginnt mit ihm zu arbeiten, und schon bald werden aus den beiden Chansonniers Liebende. Das Glück an Yves‘ Seite inspiriert Édith zu einem Lied, das sie zu einer Legende machen könnte – La vie en rose.
Édith Piaf – sie verkörperte den Mut zu lieben wie keine andere und ging in ihrer Kunst wie im Leben bis zum Äußersten

Inhalt:
Frankreich wird durch die deutsche Armee besetzt, aber die junge Édith Piaf führt währenddessen trotz Ausgangsbeschränkungen und Essensrationierungen ein ausschweifendes Leben inmitten ihrer Bewunderer und Fans. Ein guter Freund und Förderer schafft es, ihr einen Auftritt im ABC zu ermöglichen und von da an ändert sich ihr Leben schlagartig. Sie wird über Nacht zum Star und beginnt selber, einen jungen Sänger auszubilden. Mit Yves Montand teilt sie nicht nur ihre Leidenschaft für die Musik, sondern auch ihr Bett und nach und nach verschenkt sie ihm ihr Herz. Ihr gemeinsames Glück inspiriert sie zu neuen Höchstleistungen, welche sie schliesslich weltberühmt machen, aber auch an sich selber zweifeln lassen...

Meine Meinung:
Dieses Buch...hat mich leider nicht komplett überzeugt. Ich war gestern aber fünf Stunden lang im ÖV unterwegs und hatte kein anderes dabei. Aufgrund des sehr oberflächlichen und leichten Schreibstils bin ich aber nur so durch die Seiten geflogen und habe einige Aspekte - vor allem die gründlichen Recherchen der Autorin, wie auch die schön erzählte Entstehungsgeschichte einzelner Chansons von Piaf - trotz allem sehr gerne gemocht. Heute Morgen habe ich es dann beendet und bin vom eher offenen Schluss leider noch einmal so richtig enttäuscht worden.
Was soll ich sagen: die Figuren bleiben flach, Édith Piaf ist keine schillernde, starke Persönlichkeit, sondern eine schwache Frau, die sich permanent verunsichern und von Yves Montand mehr und mehr dominieren lässt, die Handlung plätschert nur so dahin (100 Seiten weniger hätten der Geschichte gut getan) und die Musik und das Musiker*innenleben kommen einfach viel zu kurz. Ja und dann habe ich nach etwa 300 Seiten zufällig auf den Autorinnentext geblickt und dabei bemerkt, dass Michelle Marly das Pseudonym von Micaela Jary ist. Leider hat mich diese Autorin schon einmal aus den gleichen Gründen enttäuscht, wie ihr HIER nachlesen könnt. Und ich muss sagen, dass ich ab dann total voreingenommen war und nicht mehr objektiv bleiben konnte.

Erzählsprache:
Ich denke, dass die Autorin wirklich gut und gründlich recherchiert hat und dass die historischen Fakten nach bestem Wissen und Gewissen stimmen. Micaela Jary schreibt dazu auch noch ein paar Worte im Nachwort und diese haben mich wirklich stark beeindruckt. Was ich aber sehr schade finde: obwohl Jary permanent betont, die Tochter des berühmten Filmmusikkomponisten Michael Jary zu sein und bereits zahlreiche Einblicke in das Künstlerleben gesammelt zu haben, so bleibt genau dieses Künstlerleben erstaunlich blass. Die Sprache und die Qualität der Beschreibungen bleiben durchs Band extrem oberflächlich und wiederholen sich stark. Es haben mir beim Lesen sowohl emotionale Tiefe, als auch sprachliche Bilder gefehlt. Ich nehme Piaf die Nervosität vor dem Auftritt oder die Erleichterung danach nicht ab, das fühlt sich nicht so an, wie ich mir das vorstellen würde und wie ich es kenne. Auch hatte ich bis zum Schluss das Gefühl, die Figuren nicht wirklich fassen zu können. Weder habe ich ein Bild vor meinem inneren Auge, noch haben mich ihre Persönlichkeiten beeindruckt.

Fazit:
Das war leider gar nichts für mich und obwohl ich sicher voreingenommen war und obwohl einiges an meiner Kritik auch Geschmacksache ist, frage ich mich, weshalb dieses Buch (und die weiteren Bücher dieser Autorin, sorry) ein Bestseller ist, denn sprachlich ist das wirklich unausgereift. Nur weil Édith Piaf darin vorkommt? Schade. Dieses Buch kommt in den offenen Bücherschrank und ich hoffe, hoffe, hoffe von Herzen, dass jemand damit viele schöne Lesestunden verbringen wird.

Zusätzliche Infos:
Titel: Madame Piaf und das Lied der Liebe
Autorin: Hinter Michelle Marly verbirgt sich die in Hamburg geborene deutsche Bestsellerautorin Micaela Jary, die in München und Lugano aufwuchs. Durch ihren Vater, den Filmkomponisten Michael Jary, begegnete sie vielen Künstlern und Filmschaffenden der fünfziger und sechziger Jahre, später berichtete sie als Reporterin über das Showbiz, bis sie nach Paris zog und Romane zu schreiben begann. Heute lebt sie mit Mann und Hund in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern. Ihre Romane bei atb „Mademoiselle Coco und der Duft der Liebe“, „Madame Piaf und das Lied der Liebe“ und „Die Diva. Maria Callas – die größte Sängerin ihrer Zeit und das Drama ihrer Liebe“ sind internationale Bestseller. Zuletzt erschien von ihr bei Rütten & Loening „White Christmas – Das Lied der weißen Weihnacht“.
Sprache: Deutsch
Taschenbuch, Klappenbroschur: 448 Seiten
Verlag: Aufbau
ISBN: 978-3-7466-3481-4

Rezension: Nalas Welt

Nalas Welt - Dean Nicholson

Beschreibung des Verlages:
Als Dean von seiner Heimat Schottland aus zu einer Weltreise aufbrach, wollte er so viel wie möglich über den Zustand unseres unruhigen Planeten erfahren. Er war schon eine Weile unterwegs, als er auf einem Berg zwischen Bosnien und Montenegro auf ein zerrupftes Kätzchen mit klaren Augen und struppigem Fell traf. Dean nahm das kleine Bündel an Bord, nannte es Nala, und seitdem sind die beiden unzertrennlich. Ihre Erlebnisse verbreiten sie auf TheDodo und Youtube und bezaubern so die Menschen auf der ganzen Welt.

Inhalt:
Gemeinsam mit seinem besten Freund bricht Dean zu einer Weltreise auf, um einmal ein wenig aus seinem Leben auszubrechen und ein paar Abenteuer zu erleben. Unterwegs merken die beiden, dass sie einander nicht so gut tun und vor allem feiern und Sauftouren unternehmen, statt sich richtig auf die Reise einzulassen. Ihre Wege trennen sich und Dean macht am Strassenrand schon bald eine lebensverändernde Entdeckung: er findet ein kleines Kätzchen, das sein Herz im Sturm gewinnt. Er bringt es zum Tierarzt, nennt es "Nala" und lässt ihm einen Reisepass ausstellen. Durch ein Video bei TheDodo gehen die beiden viral und Dean bemerkt bald, wie er den neu gewonnenen Einfluss und die daraus entstehende grosse Verantwortung nutzen kann, um Gutes zu tun und mehr Menschen für den Tierschutz zu sensibilisieren.

Meine Meinung:
"Nalas Welt" habe ich mir im letzten Jahr als Prämienbuch bei der Lesejury gegönnt und mich nun sehr darüber gefreut, gemeinsam mit Nala und Dean eine Reise durch die halbe Welt machen zu dürfen, das Reisen kommt ja aktuell definitiv zu kurz...
Vielleicht wissen einige von euch, dass ich Katzen und schräge Reiseberichte sehr gerne mag und wenn diese zwei wundervollen Dinge in einem Buch auf so stimmige Weise zusammenkommen, wie hier in "Nalas Welt", ist das wundervoll. Ausserdem erzählt Dean Nicholson mit einer grossen Portion Humor, Selbstreflektion und einem achtsamen Blick auf das Leben, die Natur und die Tierwelt, sodass ich das Buch innerhalb von kürzester Zeit inhaliert habe. Nach einigen sehr fordernden und bewegenden Lektüren, hat mir dieser Reisebericht sehr gut gefallen.

Schreibstil:
Vom ersten Moment an hat mich Dean Nicholson gepackt und ich bin nur so durch die Seiten geflogen. Er erzählt sehr selbstkritisch und frei von der Leber weg von seinem Draufgängerleben in Schottland und der Erkenntnis, etwas ändern zu müssen. Dies hat er dann mit seiner Weltreise geschafft und vor allem die ersten Wochen mit Nala zeigen auf, dass Dean noch vieles zu lernen hat. Er ist es sich nicht gewohnt, seine Bedürfnisse hintenanzustellen und sich um ein kleines Lebewesen zu kümmern. Dies reflektiert er sehr differenziert und findet so nach und nach ein Reisetempo, das zu Nala und ihm passt. Diese sehr überlegten Passagen, aber auch die liebevollen und faszinierenden Beschreibungen der bereisten Länder und der tierischen und menschlichen Begegnungen haben mir sehr gut gefallen.

Meine Empfehlung:
"Nalas Welt" ist unterhaltsam und weckt die Reiselust. Es macht aber gleichzeitig auch auf diverse Probleme, wie die Verschmutzung zahlreicher Strände, die Respektlosigkeit, die Tieren oft entgegengebracht wird, aber auch die Armut gewisser Länder, die dafür sorgt, dass keine finanziellen Mittel für das Tierwohl erübrigt werden können, aufmerksam. Ausserdem erzählt Dean Nicholson sehr unterhaltsam, reflektiert und mit einer grossen Faszination für die Menschen und Tiere, denen er begegnet und den Ländern, die er bereist.

Zusätzliche Infos:
Titel: Nalas Welt
Originaltitel: Nala's World
Autor: Ende 2018 hatte der Schotte Dean Nicholson die Nase voll von seinem Job, stieg auf sein Fahrrad und radelte nach England, dann weiter nach Holland, Frankreich, die Schweiz und so fort. Irgendwo zwischen Bosnien und Montenegro adoptierte er ein Kätzchen, nannte es Nala, nach der Freundin von Simba aus seinem Lieblingsfilm König der Löwen, und reist seither zu zweit. Wohin die beiden kommen, verbreiten sie Freude und Hoffnung.
Sprache: Deutsch
Aus dem Englischen von: Elisa Valérie Thieme
Taschenbuch: 320 Seiten
Verlag:Bastei Lübbe
Ersterscheinung: 30.09.2020
ISBN:978-3-404-61711-1

Rezension: Schindlers Lift


Schindlers Lift - Darko Cvijetić

Beschreibung des Verlages:

m Jahr 1975, als sie bezogen wurden, rochen die zwei Hochhäuser noch. Das Rote hatte 13 Etagen. Und um das Unglück nicht zu beschwören, benannten die Einwohner die erste Etage in „Galerie“ um. Bevor sie zu den Hochhäusern des Todes wurden, feierte man hier gemeinsam Errungenschaften und Erfolge der Arbeiterklasse und übte sich in Solidarität. Denn dort wohnten Lehrerinnen und Ärzte neben Bergbauarbeitern, Bosniaken neben Serben, Kroaten... Dort wohnte eine verdichtete Vorstellung von Jugoslawien und des multikulturellen Bosniens.
Die Aufzüge standen für die Anwohner als Zeichen der Urbanisierung und als Beweis des städtischen Lebens. 15 Jahre später begleiteten sie unerwünschte Mitbewohner zur Hinrichtung oder wurden sogar selbst zur Guillotine. Zusammen mit den Schornsteinen der umliegenden stillgelegten Fabriken bilden sie heute wie Grabmäler die Kulisse der kleinen bosnischen Stadt Prijedor und erinnern uns daran, wie eine einzigartige Welt durch den nationalistischen Terror besiegt wurde. 32 erzählerische Fragmente bilden eine Struktur, in denen die zwei Hochhäuser mehr als Romanfiguren denn als reine Handlungsorte fungieren. Eine Miniatur, welche die nicht erzählte bosnische Tragödie und das Verschwinden einer Epoche wiedergibt. 
„Schindlers Lift“ ist das erste prosaische Werk (2018) des in Prijedor/Bosnien-Herzegowina lebenden Theatermachers und Dichters Darko Cvijetić. Der in bosnischer Sprache verfasste Originaltext wurde von dem bildenden Künstler und Schriftsteller Adnan Softić ins Deutsche übersetzt und erscheint im Juli 2020.

Zum Glück habe ich dieses Buch nicht alleine gelesen...
Zuerst einmal möchte ich Kata dafür danken, dass sie dieses Buch mit mir gelesen und diskutiert hat. Wir beide sind auf unterschiedliche Weise mit dem ehemaligen Jugoslawien verbunden und haben uns auf einer Ebene austauschen können, die vom gegenseitigen Verständnis und geteilten Erfahrungen lebt. Dafür bin ich sehr dankbar, schliesslich ist "Schindlers Lift" keine leichte Kost und diese mini-Leserunde hat es uns ermöglicht, über die aufwühlenden Ereignisse zu sprechen, die im Buch geschildert werden.

Sobald der Krieg mit seinem Stiefel das Treppenhaus betrat, zog Obrad die Uniform an und stellte sich bis an die Zähne bewaffnet und erbost vor das Gebäude.
- S. 45 -


Meine Meinung:
Zwei Hochhäuser, die im Buch abwechslungsweise als Protagonisten, Handlungsorte, Mahnmal, Zeugen, Friedhof aber auch Überlebende fungieren, werden von Darko Cvijetić ins Zentrum seiner Erzählung gestellt. Diese Wahl ist wohlüberlegt: obwohl im Buch immer wieder geschildert wird, welche Gräueltaten die beiden Hochhäuser miterlebt (und sogar "begangen") haben, obwohl auch gezeigt wird, wer diese Taten begangen und wem dieses Unrecht angetan worden ist, so bleiben die Hochhäuser doch neutral. Es findet keine Verurteilung im eigentlichen Sinne statt, die Innenschau in die Figuren fehlt - obwohl so viele Schicksale und Geschichten, so viele namentlich genannte Figuren darin auftauchen - und dadurch geht es immer auch um ein Kollektiv und nicht in erster Linie um das Individuum selber. Was in Prijedor geschehen ist, was der nichtserbischen Bevölkerung angetan worden ist, ist in ganz Bosnien geschehen. Manchmal mit anderem Ausgang (aber wirklich gut ging es nie aus), manchmal - das muss man ehrlich sagen - mit vertauschten Rollen, manchmal in abgeschwächter, manchmal in noch intensiverer Form, manchmal mit Beteiligung von ausländischen Mächten, Söldnern, manchmal, ohne sichtbare Spuren zu hinterlassen. Diese Geschichte ist die Geschichte Bosniens. So oder ähnlich ist Bosnien immer betroffen und so oder ähnlich sind die Erinnerungen in allen Menschen dieses Landes, klaffen die Lücken sichtbar oder unsichtbar, wo man in Bosnien steht und geht.

Und die Mutter von Rambo Mr
šić und Milka, deren Sohn sie in Bihać vor ihren Augen getötet haben...
Sitzen auf einer Bank und warten.
Neben den Bänken wuchsen diese Kinder auf.
Der Priester betrat das Hochhaus, ordnungsgemäss angekündigt durch eine Todsanzeige an der Tür.
Im Jenseits, auf einer noch schmaleren Bank, warten die Söhne auf sie.

- S. 84 -


Cvijetić zeigt aber auch auf, wie das Leben vor dem Krieg war und wie es nachher weitergeht. Spuren bleiben, Erinnerungen, Verletzungen, Verluste, Lücken, aber das Leben geht weiter. Nie mehr, wie vorher, nie mehr ohne die Gedanken an das Vergangene, diess ausgelöschte Glück, diese zerstörten Schönheiten, aber mit einer - den Menschen in Bosnien eigenen - Art, nach vorne zu blicken, zu erzählen, den Humor zu behalten und in gemächlichem aber vorwärtsgerichtetem Tempo weiterzumachen.

Sprache:
Auch sprachlich ist dieses Buch eine Wucht. Zeitweise fühlt es sich an, als würde man mit einer Gruppe Leuten zusammensitzen und alle würden ihre Geschichten erzählen. So wird aus den tragischsten Erlebnissen eine Art absurde, fast humorvolle Erzählung, die den Überlebenden vorbehalten ist und die immer dort, wo die Geschichte so schrecklich ist, dass man nicht mit Worten ausdrücken kann, was geschehen ist, still wird. Die so entstehenden Leerstellen werden mit einer weiteren Geschichte, die oft äusserst unterhaltsam scheint und deren Schrecken man erst auf den zweiten Blick erkennen kann, überbrückt. Diese Erzählweise begegnet mir in Bosnien und in der Literatur aus dem ehemaligen Jugoslawien oft. Sie ist eine einzigartige Mischung aus der Mentalität, der über Jahrhunderte hinweg kultivierten Kunst des Erzählens und aus den gemeinsamen Erlebnissen, welche die Erzählenden verbindet.
Dass Cvijetić vor allem auch für seine Gedichte berühmt ist, zeigt sich auf jeder einzelnen Seite dieses Buches. Er schafft es, die Menschen und ihre Geschichten auf berührende und bildhafte Weise zu beschreiben und verwendet dabei immer wieder Formulierungen, welche mir den Atem haben stocken lassen. Ein Lob geht deshalb auch an den Übersetzer Adnan Softić, der Cvijetićs Worte feinfühlig in die Deutsche Sprache übertragen hat und an den Verlag, welcher einzelne Formulierungen und Worte im Original belassen und mit Fussnoten versehen hat, die dem besseren Verständnis dienen.

Ich sagte ihr und übertönte den Wind, dass ich mich an Stojankas schrecklichen Tod erinnerte und dass ich mir selbst das Versprechen gegeben habe, einmal ein Buch zu schreiben, etwas wie "Schindlers Lift".
- S. 93 -


Meine Empfehlung:
"Schindlers Lift" ist nicht nur schriftstellerisch, sondern auch inhaltlich ein einzigartiges Buch. Die spezielle Perspektive ermöglicht eine ganz eigene, unvoreingenommene Sicht auf die Geschehnisse in Prijedor, das stellvertretend für ganz Bosnien steht. Mit mächtigen, packenden Worten erzählt Cvijetić und es fühlt sich an, als würde man einem Bekannten bei einem starken Kaffee zuhören und zugleich in eine ganz eigene, überragend erzählte, Sprache eintauchen. Dieses Buch empfehle ich euch von Herzen weiter. Lest es und ihr werdet so viele Dinge verstehen. Und meldet euch, wenn ihr nach der Lektüre Redebedarf habt.

Zusätzliche Infos:
Titel:
Schindlers Lift
Originaltitel: Schindlerov Lift
Autor: Darko Cvijetić wurde am 11. Januar 1968 im Dorf Ljubija Rudnik in Bosnien-Herzegowina geboren. Er schreibt Gedichte und Kurzgeschichten, ist Regisseur und Dramatiker am  Theater in Prijedor. Seine Gedichte wurden übersetzt in: Französisch, Englisch, Deutsch, Slowenisch, Hebräisch, Albanisch, Ungarisch, Polnisch, Mazedonisch und Jiddisch. Seit 2013 gibt er den Literaturblog "Hypomnemata" heraus. Er ist Mitglied des P.E.N. Zentrum von Bosnien und Herzegowina, dem Schriftstellerverband von Bosnien und Herzegowina und der Kroatischen Schriftstellerverband.
Sprache: Deutsch
Aus dem Bosnischen von: Adnan Softić
Fester Einband: 100 Seiten
Verlag: adocs
Erscheinungsdatum: 7/2020
ISBN:
9783943253344

Rezension: Sprache und Sein

Sprache und Sein - Kübra Gümüsay

Beschreibung des Verlages:

Kübra Gümüşay beschreibt wie Sprache unser Denken prägt und unsere Politik bestimmt. „Ein beeindruckendes Buch, poetisch und politisch zugleich.“ Margarete Stokowski
Dieses Buch folgt einer Sehnsucht: nach einer Sprache, die Menschen nicht auf Kategorien reduziert. Nach einem Sprechen, das sie in ihrem Facettenreichtum existieren lässt. Nach wirklich gemeinschaftlichem Denken in einer sich polarisierenden Welt. Kübra Gümüşay setzt sich seit langem für Gleichberechtigung und Diskurse auf Augenhöhe ein. In ihrem ersten Buch geht sie der Frage nach, wie Sprache unser Denken prägt und unsere Politik bestimmt. Sie zeigt, wie Menschen als Individuen unsichtbar werden, wenn sie immer als Teil einer Gruppe gesehen werden – und sich nur als solche äußern dürfen. Doch wie können Menschen wirklich als Menschen sprechen? Und wie können wir alle – in einer Zeit der immer härteren, hasserfüllten Diskurse –­ anders miteinander kommunizieren?

Inhalt:
Wie oft schon hat Sprache uns und andere zusammengeführt aber auch voneinander getrennt. Wer hat nicht schon in einer Fremdsprache um Worte gerungen, sich im Ausland nicht verständigen können oder kurzerhand neue Wortkreationen erfunden? Wer hat nicht schon andere um Worte verlegen gesehen und selber nicht eingegriffen? Kübra Gümüşay geht zahlreichen Situationen auf den Grund, in denen Sprache Menschen voneinander trennt, in denen Sprache eine Waffe ist und Gewalt ausübt und zeigt dabei auch immer auf, wie Sprache verbindend genutzt werden kann, wie man Missverständnisse vermeiden, Brücken schlagen und friedlich und fair miteinander diskutieren kann, auch wenn man anderer Meinung ist.

Meine Meinung:
Ich bin so glücklich, dieses Buch, das schon viel zu lange auf meiner Wunschliste stand, nun endlich gelesen zu haben. Alles, was ich in den letzten Monaten über Rassismus und Seximus gelesen habe, alle diese feministischen und inklusiven Bücher, finden hier eine Art gemeinsamen Nenner: die Sprache, mit der wir Menschen, unser Aussehen und unsere Herkunft, aber auch unsere Handlungen und Taten beschrieben werden, ist es, welche uns Menschen letztendlich ausmacht. Kübra Gümüşay schafft es, zahlreiche Texte auf ihre Kernaussage über die Verwendung der Sprache zu reduzieren und alle diese informativen und lehrreichen Botschaften spannend, nachvollziehbar und ihn zehn überschaubare Kapitel unterteilt in ihrem Buch zu vereinen.
Dabei hatte ich beim Lesen sehr viele Aha-Effekte und bereits Erfahrenes hat sich bei mir manifestiert. Weshalb denken wir alle in Schubladen? Was ist die Problematik von Stereotypen und weshalb setzen sie sich dennoch so oft durch? Wie gelingt es mir, Menschen als Individuen zu bezeichnen, erfassen, sichtbar zu machen und anzusprechen, sie in einer Diskussion zu Wort kommen zu lassen?

"Das Problem mit Klischees ist nicht, dass sie unwahr sind, sondern dass sie unvollständig sind. Sie machen eine Geschichte zur einzigen Geschichte", erklärt Adichie. Wenn eine einzige Geschichte die Wahrnehmung einer ganzen Gruppe von Menschen dominiert, dann existieren diese Menschen nicht mehr als Individuen. Die Definitivon von Menschen anhand einer Kategorie ist nicht zwangsläufig falsch, sondern unvollständig. Eine Wahrheit wird zur einzigen Wahrheit.
- S. 152 -

Natürlich ist dieses Buch nicht die Antwort auf alles und bezüglich Verhalten innerhalb einer diversen Gesellschaft werden wir Menschen wohl nie ausgelernt haben, aber dieses Buch ist ein sehr guter Anfang, um sich damit zu befassen, wie Sprache verwendet werden kann und welche Mechanismen von Menschen in der Politik, der Werbung oder extremistischen Gruppen mit ihren Formulierungen bedient werden und wie wir gewisse Muster durchbrechen und unseren Mitmenschen auf Augenhöhe begegnen können.

Menschen so zu bezeichnen, wie sie bezeichnet werden wollen, ist keine Frage der Höflichkeit, auch kein Symbol politischer Korrektheit oder einer progressiven Haltung - es ist einfach eine Frage des menschlichen Anstands. Ich verzichte darauf, andere trotz ihres Widerspruchs anders zu benennen, als sie es wünschen. Ich verzichte darauf, ihre Perspektive zu unterdrücken, der ich stattdessen Raum gebe.
- S. 49 -


Meine Empfehlung:
"Sprache und Sein" werde ich nicht mehr aufhören zu empfehlen und einige Menschen in meinem Umfeld werden es in den nächsten Monaten zum Geburtstag bekommen oder zu Weihnachten unter dem Christbaum finden. Lest dieses Buch!

Zusätzliche Infos:
Titel:
Sprache und Sein
Autorin: Kübra Gümüşay, geboren 1988 in Hamburg, ist eine der einflussreichsten Journalistinnen und politischen Aktivistinnen unseres Landes. Sie studierte Politikwissenschaften in Hamburg und an der Londoner School of Oriental and African Studies. 2011 wurde ihr Blog Ein Fremdwörterbuch für den Grimme Online Award nominiert. Sie war Kolumnistin der tageszeitung und stand mehrfach auf der TEDx-Bühne. Die von ihr mitbegründete Kampagne #ausnahmslos wurde 2016 mit dem Clara-Zetkin-Frauenpreis ausgezeichnet. Nach Jahren in Oxford lebt sie mit ihrem Mann und ihrem Sohn wieder in Hamburg.
Sprache: Deutsch
Fester Einband mit Schutzumschlag: 208 Seiten
Verlag: Hanser Berlin
Erscheinungsdatum: 27.01.2020
ISBN: 978-3-446-26595-0

Rezension: Botschaften an mich selbst

Botschaften an mich selbst - Emilie Pine

Beschreibung des Verlages:

Ein radikal aufrichtiges Debüt. Der Nummer-1-Bestseller aus Irland: Emilie Pine spricht wie niemand sonst darüber, was es heißt, im 21. Jahrhundert eine Frau zu sein. Es ist das Buch einer ganzen Generation. Ein Buch über Geburt und Tod, sexuelle Gewalt und Gewalt gegen sich selbst, weiblichen Schmerz, Trauer und Infertilität. Es ist ein Buch über den alkoholkranken Vater, über Tabus des weiblichen Körpers. Und es ist trotz allem ein Buch über Freude, Befriedigung und Glück – unbändig, mutig, und absolut außergewöhnlich erzählt.

Inhalt:
Emilie Pine schreibt über sich und ihre tiefsten menschlichen und weiblichen Erfahrungen. Erfahrungen, die so viele Frauen und weiblich gelesene Menschen im 21. Jahrhundert machen und Erfahrungen, die schmerzlich sind, aufrüttelnd und hoffnungsvoll. In sechs Essays kehrt sie ihr Innerstes nach aussen und lässt uns Leser*innen teilhaben an ihren Erlebnissen und Erkenntnissen, ihrem Schmerz, ihrem Glück, ihrem Mut und ihrer Stärke.

Meine Meinung:
Ich kann mir nicht vorstellen, dass es einen besseren Zeitpunkt gibt "Botschaften an mich selbst" zu lesen, als unmittelbar direkt nach der Lektüre von "Frühlingserwachen". Im zweiten Essay "Babyjahre" spätestens hatte ich das Gefühl, zwei sehr ähnlichen Ansätzen mit komplett unterschiedlicher Umsetzung zu begegnen. Darin beschreibt Pine die erfolglosen Versuche, ein Kind zu zeugen und erzählt auf eindringliche Weise von der Schwangerschaft ihrer Schwester, die im neunten Monat mit einer Totgeburt endete. Weitere Essays beschreiben sexuelle Gewalt, den Hass auf den eigenen (weiblichen) Körper, Scheidung, Burn-out und Abhängigkeit und hängen auch damit unmittelbar mit den Themen in "Frühlingserwachen" zusammen. Während Isabelle Lehns Roman allerdings autofiktional ist, schreibt Emilie Pine von ihren persönlichsten Erfahrungen. Obwohl die Sprache dabei fast nüchtern wirkt, schafft sie es, zu berühren. Bereits im ersten Essay, in denen Pine über ihren alkoholkranken Vater schreibt, sind bei mir die Tränen gekullert. Auch gegen Ende des Buches, das Emilie Pine als Universitätsprofessorin zeigt, die jungen Menschen Mut macht und immer noch täglich gegen sexistische Windmühlen kämpfen muss, hat sie besonders bewegende, (selbst-)kritische und aufrüttelnde Worte gefunden, die stärken, anspornen und Hoffnung machen.

Schreibstil:
Pine schafft es, mit wenigen Worten, Stimmungen zu erzeugen, die Gänsehaut hervorrufen. Ich habe mit ihr um das Leben ihres Vaters gebangt, die Daumen für einen positiven Schwangerschaftstest gedrückt und hätte ihr Teenager-Ich am liebsten in den Arm genommen. Schlicht, klar und genau deshalb äusserst eindringlich, lässt sie den tiefsten Schmerz, die grössten Verletzungen in ihre Sprache hinein und schafft es mit und durch diese Essays dennoch, eine Art Versöhnung mit sich selber und ihrem Frausein, ihrer Geschichte und Entwicklung zu feiern.

Meine Empfehlung:
"Botschaften an mich selbst" ist ein absolutes Highlight. Ein Buch, das Mut macht, tröstet, das bewegt und schockiert, aber auch immer wieder einen Weg und einen Hoffnungsschimmer aufzeigt. Ich empfehle euch allen dieses Buch wärmstens und von Herzen weiter.

Zusätzliche Infos:
Titel:
Botschaften an mich selbst
Originaltitel: Notes to Self
Autorin: Emilie Pine ist Associated Professor für Modernes Drama an der School of English, Drama and Film am University College Dublin. Ihre zahlreichen wissenschaftlichen Veröffentlichungen wurden vielfach ausgezeichnet. »Botschaften an mich selbst« ist ihre erste Sammlung persönlicher Essays, die international euphorisch gefeiert und unter anderem mit dem »Irish Book of the Year«-Award ausgezeichnet wurden.
Sprache: Deutsch
Aus dem Englischen von: Cornelia Röser
Hardcover mit Schutzumschlag: 224 Seiten
Verlag: btb
Erschienen am: 08. März 2021
ISBN: 978-3-442-75888-3

Rezension: Frühlingserwachen

Frühlingserwachen - Isabelle Lehn

Beschreibung des Verlages:
»Ich glaube an den Verstand, den freien Willen und die Kraft der Gedanken. Ich glaube an Biochemie, Serotoninmangel und erhöhte Entzündungswerte. Ich glaube an Alkohol und Penetration, an die Sehnsucht nach Selbstaufgabe und die Würde des Scheiterns. Ich glaube an die Wirksamkeit von Psychopharmaka – und sogar daran, ein schönes Leben zu haben.«
Das Leben ist gut – solange wir es nicht daran messen, wie wir es uns vorgestellt haben. Isabelle Lehn schreibt über eine Frau namens Isabelle Lehn. Poetisch, selbstironisch und umwerfend offen.

Inhalt:
In diesem autofiktionalen Buch schreibt die Autorin Isabelle Lehn über die Ich-Erzählerin Isabelle Lehn und zeigt damit auf, wie sehr Realität und Fiktion miteinander verbunden werden und ineinander verschwimmen können. Voller sprachlicher Finesse lässt die Autorin ein Jahr im Leben der fiktiven Isabelle Lehn vorbeiziehen, in dem die Jahreszeiten nahtlos ineinander übergehen, in dem Medikamente, Depression, die Vergänglichkeit und Anfälligkeit des eigenen Körpers eine grosse Rolle spielen und in dem die Protagonistin sich fragt, inwiefern der Kinderwunsch oder die Fähigkeit oder Unfähigkeit, Kinder in die Welt zu setzen, die eigene Weiblichkeit definieren.

Meine Meinung:
Die Rolle der Frau in unserer Gesellschaft und die weibliche Selbstbestimmung sind zentrale Themen in diesem kurzen Roman. Von übermässigem nächtlichen Schwitzen über eine enorm starke Menstruation bis hin zu einer toxischen Beziehung mit sich selber und dem eigenen Kinderwunsch bleibt der Protagonistin keine Unannehmlichkeit erspart und die Themen schmerzen auch beim Lesen, werfen Fragen auf, denen man selber ebenfalls immer wieder begegnet und lassen zudem die durch eine schwere Depression und deren medikamentöse Behandlung hervorgerufenen starken Stimmungsschwankungen hautnah erfahren. 

Schreibstil:
Der Schreibstil zeigt auf, wie fragil und teilweise undurchsichtig, aber auch radikal und prägnant Sprache sein kann und obwohl ich mich an einigen Stellen gefrag habe, inwiefern eigene Erfahrungen der Autorin verarbeitet werden, so rücken diese Gedanken doch nach und nach in den Hintergrund, weil die atemlos ineinander übergehenden Szenen, die schnellen Schnitte und kurzen Dialoge vielmehr die behandelten Themen ins Zentrum rücken und uns Leser:innen mit dem eigenen Scheitern, Loslassen, unserer Zielsetzung und unseren Lebensentscheiden konfrontieren.

Meine Empfehlung:
Für "Frühlingserwachen" muss man in der richtigen Stimmung sein oder beim Lesen in die richtige Stimmung kommen und dann fliesst dieser Roman, der wie ein einziger, atemloser Essay wirkt, nur so vor sich hin und lässt innehalten, nachdenken und sich auf das eigene Glück besinnen.

Zusätzliche Infos:
Titel: Frühlingserwachen
Autorin: Isabelle Lehn, geboren 1979 in Bonn, lebt heute in Leipzig und führt auf den ersten Blick ein erfolgreiches Leben: promovierte Rhetorikerin, Autorin des mehrfach ausgezeichneten Debütromans »Binde zwei Vögel zusammen« und zuletzt des Romans »Frühlingserwachen«, Dozentin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Deutschen Literaturinstitut Leipzig. Derzeit ist sie außerdem Heinrich-Heine-Stipendiatin in Lüneburg. Alles andere ist Auslegungssache.
Fester Einband mit Schutzumschlag: 256 Seiten
Sprache: Deutsch
Verlag: S. FISCHER
Erscheinungstermin: 27.02.2019
ISBN: 978-3-10-397394-5

Lese-Statistik März

Hey ihr Lieben

Schon ist schon wieder der erste April und ich werde heute Nachmittag unterrichten, bin also schon sehr gespannt, auf die Streiche, die mir gespielt werden. Ich weiss ja nicht, wie es euch geht, aber da ich sehr leichtgläubig sein kann, glaube ich am 1.4. erst einmal aus Prinzip gar nichts ;-)

Mein März aus blogtechnischer Sicht:
Im März habe ich gleich zwei ausführliche Posts mit Buchtipps getippt und mir dabei sehr viele Gedanken gemacht und viel in meinen Regalen gestöbert. Ich würde mich total freuen, wenn ihr dort vorbeistöbern und vielleicht sogar die eine oder andere Inspiration für euch finden würdet.
HIER geht es zum Post für den internationalen feministischen Kampftag
HIER geht es zum Post für den Indiebookday

Ein paar buchige und persönliche Vorhaben
Vielleicht habt ihr bemerkt, dass in den letzten Tagen des Monats bei mir einige Rezensionen online gegangen sind und dass ich euch seit einigen Wochen ganz oft Besuche abgestattet und Kommentare hinterlassen habe. Ich habe mir vor etwa zwei Monaten vorgenommen, mehr bei euch zu stöbern und mehr zu kommentieren und das klappt schon sehr gut. Ausserdem nehme ich mir schon lange vor, mehr zu lesen und meine Zeit effizienter zu nutzen. Ich arbeite eigentlich immer sehr effizient, aber ich sitze zusätzlich zu den Proben, der Planungsarbeit und dem Unterrichten sehr viele Stunden pro Woche im Zug und möchte auch diese Zeit für mich nutzen, also nicht damit verbringen, sinnlos zu scrollen oder auch unzählige Mails zu schreiben (manchmal muss ich zwar wirklich arbeiten, oft ist das aber meine einzige "freie" Zeit im Tag). Also habe ich Mitte März zwei Dinge sehr konkret unternommen:
1. stehe ich früher auf und setze mich nach Möglichkeit nur noch zweimal täglich an meine Mails und alle organisatorischen Aufgaben, die ich erledigen muss. Morgens, kurz nach dem Kaffee (und ein paar Seiten in meinem aktuellen Buch) ein bis zwei Stunden und abends, ab ca 21.30 oder 22.30 Uhr (einfach dann, wenn ich nach Hause komme) noch einmal etwa eine halbe Stunde. So bereite ich am Morgen alles vor, was ansteht, und am Abend alles nach, was über den Tag so angefallen ist.
2. habe ich einige Apps auf meinem Handy eingeschränkt. Das ist erstens natürlich Instagram (Posts und Kommentare schreibe ich so oder so am Computer, aber so scrolle ich nicht mehr sinnlos) und zweitens sind das News-Apps, die ich sonst mehrmals täglich konsultiert habe und auch totale Zeitfresser sind.
So habe ich vor allem Ende März fast 200 Seiten täglich gelesen und auch wenn es nun im Frühling endlich auch an den Wochenenden wieder voller wird (KONZERTE!!!!), werde ich versuchen, weiterhin effizienter zu arbeiten und die so entstehenden Pausen lesend zu nutzen.

Gelesene Bücher im März:

Trotz einzelner Kritikpunkte ist das eine leichte und unterhaltsame Lektüre mit viel Bücherliebe

Ein leider antifeministisches Buch, das ich bereits an seine Besitzerin zurückgegeben habe und nicht empfehle

Ein grandioses Buch, das mich nach Bosnien hat reisen lassen und das ich euch sehr ans Herz lege

Eine absolute und begeisternde Überraschung, wild, heftig, brutal und am Ende hoffnungsvoll

Eine nicht mehr ganz zeitgemässe aber trotzdem spannende Essaysammlung

Dieses Buch hat mich in eine sommerliche, traumähnliche Idylle entführt und ich will mehr davon

Von allem zu viel und genau deshalb sehr unterhaltsam, aber auch gesellschaftskritisch


Alle Rezensionen:

Die Buchhandlung zum Glück - Susan Wiggs   (384 Seiten)
Sie hat Bock - Karja Lewina   (224 Seiten)
Fang den Hasen - Lana Bastašić   (336 Seiten)
Singt, ihr Lebenden und ihr Toten, singt - Jesmyn Ward   (304 Seiten)
Alles auf dem Rasen - Juli Zeh   (304 Seiten)
Das Kind, das nicht fragte - Hanns-Josef Ortheil   (432 Seiten)
Krötensex - Franka Frei   (448 Seiten)

Neuzugänge im März:

Im März habe ich hemmungslos zugegriffen. Zwei meiner gelesene Bücher waren Rezensionsexemplare, die ich natürlich immer sofort lese. "Fang den Hasen" von Lana Bastašić hat mir der Fischer-Verlag zur Verfügung gestellt und "Krötensex" von Franka Frei habe ich via Bloggerportal von Randomhouse vom Heyne-Verlag bekommen.
Weiter habe ich sechs Bücher gekauft und ein Buch aus einem offenen Bücherschrank mitgenommen...

Gekauft habe ich:
"Botschaften an mich selbst" von Emilie Pine
"Sprache und Sein" von Kübra Gümüşay
"Schindlers Lift" von Darko Cvijetić (lese ich ab heute in einer Leserunde mit Kata)
"Frühlingserwachen" von Isabelle Lehn
"Wildauge" von Katja Kettu (lese ich Ende April in einer Leserunde mit Melanie)
"Das Flüstern der Bienen" von Sofia Segovia (lese ich Mitte April in einer Insta-Leserunde)

Im offenen Bücherschrank gefunden habe ich:
"Das goldene Ei" von Donna Leon, den 22. Fall von Commissario Brunetti. Die Brunetti-Reihe möchte ich ja seit einiger Zeit vervollständigen und sammle/suche/kaufe mir Teil für Teil zusammen, bis ich alle habe und sie dann chronologisch lesen kann.

Alle Zahlen auf einen Blick:

Gelesene Bücher: 7
Abgebrochene Bücher: -
Somit in die Leseeule: 7 Franken
Gelesene Seiten: 2'432 Seiten
Durchschnittliche Seitenzahl pro Tag: 78.45 Seiten
Geschenkt bekommene Bücher: -
Buchgewinn: -
Buchprämien: -
Rezensionsexemplare: 2
Gekaufte Bücher: 6
Eingesammelte Bücher: 1
Gesamte Neuzugänge: 9
SuB am Monatsbeginn: 113
Aktueller SuB: 114
Differenz: +1 (ich habe bemerkt, dass ich ein Buch, das ich im Januar gelesen habe, noch nicht aus der SuB-Liste gelöscht hatte...das ist nun korrigiert)