Rezension: Frühlingserwachen

Frühlingserwachen - Isabelle Lehn

Beschreibung des Verlages:
»Ich glaube an den Verstand, den freien Willen und die Kraft der Gedanken. Ich glaube an Biochemie, Serotoninmangel und erhöhte Entzündungswerte. Ich glaube an Alkohol und Penetration, an die Sehnsucht nach Selbstaufgabe und die Würde des Scheiterns. Ich glaube an die Wirksamkeit von Psychopharmaka – und sogar daran, ein schönes Leben zu haben.«
Das Leben ist gut – solange wir es nicht daran messen, wie wir es uns vorgestellt haben. Isabelle Lehn schreibt über eine Frau namens Isabelle Lehn. Poetisch, selbstironisch und umwerfend offen.

Inhalt:
In diesem autofiktionalen Buch schreibt die Autorin Isabelle Lehn über die Ich-Erzählerin Isabelle Lehn und zeigt damit auf, wie sehr Realität und Fiktion miteinander verbunden werden und ineinander verschwimmen können. Voller sprachlicher Finesse lässt die Autorin ein Jahr im Leben der fiktiven Isabelle Lehn vorbeiziehen, in dem die Jahreszeiten nahtlos ineinander übergehen, in dem Medikamente, Depression, die Vergänglichkeit und Anfälligkeit des eigenen Körpers eine grosse Rolle spielen und in dem die Protagonistin sich fragt, inwiefern der Kinderwunsch oder die Fähigkeit oder Unfähigkeit, Kinder in die Welt zu setzen, die eigene Weiblichkeit definieren.

Meine Meinung:
Die Rolle der Frau in unserer Gesellschaft und die weibliche Selbstbestimmung sind zentrale Themen in diesem kurzen Roman. Von übermässigem nächtlichen Schwitzen über eine enorm starke Menstruation bis hin zu einer toxischen Beziehung mit sich selber und dem eigenen Kinderwunsch bleibt der Protagonistin keine Unannehmlichkeit erspart und die Themen schmerzen auch beim Lesen, werfen Fragen auf, denen man selber ebenfalls immer wieder begegnet und lassen zudem die durch eine schwere Depression und deren medikamentöse Behandlung hervorgerufenen starken Stimmungsschwankungen hautnah erfahren. 

Schreibstil:
Der Schreibstil zeigt auf, wie fragil und teilweise undurchsichtig, aber auch radikal und prägnant Sprache sein kann und obwohl ich mich an einigen Stellen gefrag habe, inwiefern eigene Erfahrungen der Autorin verarbeitet werden, so rücken diese Gedanken doch nach und nach in den Hintergrund, weil die atemlos ineinander übergehenden Szenen, die schnellen Schnitte und kurzen Dialoge vielmehr die behandelten Themen ins Zentrum rücken und uns Leser:innen mit dem eigenen Scheitern, Loslassen, unserer Zielsetzung und unseren Lebensentscheiden konfrontieren.

Meine Empfehlung:
Für "Frühlingserwachen" muss man in der richtigen Stimmung sein oder beim Lesen in die richtige Stimmung kommen und dann fliesst dieser Roman, der wie ein einziger, atemloser Essay wirkt, nur so vor sich hin und lässt innehalten, nachdenken und sich auf das eigene Glück besinnen.

Zusätzliche Infos:
Titel: Frühlingserwachen
Autorin: Isabelle Lehn, geboren 1979 in Bonn, lebt heute in Leipzig und führt auf den ersten Blick ein erfolgreiches Leben: promovierte Rhetorikerin, Autorin des mehrfach ausgezeichneten Debütromans »Binde zwei Vögel zusammen« und zuletzt des Romans »Frühlingserwachen«, Dozentin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Deutschen Literaturinstitut Leipzig. Derzeit ist sie außerdem Heinrich-Heine-Stipendiatin in Lüneburg. Alles andere ist Auslegungssache.
Fester Einband mit Schutzumschlag: 256 Seiten
Sprache: Deutsch
Verlag: S. FISCHER
Erscheinungstermin: 27.02.2019
ISBN: 978-3-10-397394-5

4 Kommentare:

  1. Hallo liebe Livia,
    das Buch klingt tatsächlich gar nicht mal so schlecht... Und schon wieder ist ein Buch mehr auf der Wunschliste ;) Das Buch hört sich wirklich an, als müsste man in der richtigen Stimmung sein - sonst könnte es einen ziemlich runter ziehen, oder?

    Alles Liebe
    Jamie

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    1. Liebe Jamie

      Das Buch erinnert ein wenig an das "Babyjahre"-Kapitel in "Botschaften an mich selbst", mit ein wenig mehr Depression, also könnte das als eine deiner nächsten Lektüren sehr gut passen, finde ich.

      Ich war zu fasziniert, um mich davon deprimieren zu lassen, man muss sich aber schon ein wenig auf den Schreibstil einstellen.

      Alles Liebe an dich und ich bin schon sehr neugierig auf deine Meinung zum Buch
      Livia

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  2. Hallo liebe Livia,
    hui, das ist aber keine leichte Kost. Die Autorin wirft hier einige schwere Themen auf. Aber wenn man deine Rezension so liest, dann möchte man am liebsten sofort zum Buch greifen. Besonders mit deinen Worten unter "Meine Empfehlung" hast du mich gekriegt. Vielen Dank für diese interessante Buchvorstellung.

    Liebe Grüße
    Tanja :o)

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    1. Liebe Tanja

      Ja, definitiv ist da alles nicht ganz einfach, aber es kommt auch die Unterhaltung nicht zu kurz und vor allem ist das Buch in meinen Augen zudem sehr gut geschrieben, was wirklich ein totales Plus ist.

      Schau dir gerne einmal eine Leseprobe dazu an, dann siehst du sofort, wie der Stil sich entwickelt und welche Themen (wie intensiv) vorkommen.

      Ganz liebe Grüsse
      Livia

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