Rezension: Tauben fliegen auf

Tauben fliegen auf - Melina Nadj Abonji
Deutscher Buchpreis 2010, Schweizer Buchpreis 2010

Beschreibung:

»Wir haben hier noch kein menschliches Schicksal, wir müssen es uns erst noch erarbeiten«, sagt Ildikós Mutter. Längst ist die Familie eingebürgert und betreibt ein Café in bester Seelage. Doch angekommen sind sie nicht, die beiden Töchter Ildikó und Nomi wachsen zwischen zwei Welten auf, sind hin- und hergerissen zwischen der verlorenen Heimat in der Vojvodina und dem Wunsch, Teil der Schweizer Gesellschaft zu sein. Es dauert lange, bis Ildikó erkennt, dass hinter dem Schweizer Idyll knallharte Fremdenfeindlichkeit lauert. Ein höchst zeitgemäßer Text über Emigration und den Preis der Assimilation.

Inhalt:
Die Schwestern Ildikó und Nomi wachsen in der Vojvodina auf, einer Region, die während ihrer Kindheit auf Jugoslawischem und heute auf Serbischem Boden liegt. Ihre Familie gehört einer ungarischen Minderheit an und ihre Eltern wandern in die Schweiz aus, wo sie sich mit harter Arbeit ein Leben aufbauen und schliesslich ihre Töchter, die in der Zwischenzeit bei deren Oma gelebt haben, zu sich holen. Aus der Perspektive der älteren Tochter Ildikó wird erzählt vom Ankommen in einer fremdenfeindlichen neuen "Heimat", vom Lernen dieser schwierigen Sprache, von der Liebe zur Familie, vielen Besuchen in der "alten" Heimat und von der Angst um die Familienmitglieder, die sich plötzlich mitten in einem Krieg befinden.

Meine Meinung:
Das Buch habe ich von Marija bekommen und ich bin so froh, dass ich endlich wieder ein Buch von Melinda Nadj Abonji gelesen habe. "Schildkrötensoldat" hat mich nämlich vor einigen Jahren auch schon begeistert und berührt und so erging es mir auch mit "Tauben fliegen auf".
Besonders berührt haben mich die Schilderungen der Besuche in der Vojvodina, sind der Liebste und ich doch auch erst gerade wieder von so einem Besuch in seinem Geburtsland Bosnien (damals natürlich ebenfalls Jugoslawien) zurückgekehrt. Viele Gefühle der Protagonistin - die Zerrissenheit, die Freude, die überbordenden Hochzeiten und Feste, das viele Essen und die Sorgen, die man sich immer wieder macht... - kenne ich somit sehr gut. 

"Als wir nun endlich mit unserem amerikanischen Wagen einfahren, einem tiefbraunen Chevrolet, schokoladefarben, könnte man sagen, brennt die Sonne unbarmherzig auf die Kleinstadt, hat die Sonne die Schatten der Häuser und Bäume beinahe restlos aufgefressen, zur Mittagszeit also fahren wir ein, recken unsere Hälse, um zu sehen, ob alles noch da ist, ob alles noch so ist wie im letzten Sommer und all die Jahre zuvor."
- Tauben fliegen auf - Melina Nadj Abonji


Auch die Szenen der schwierigen Ankunft in der Schweiz, der bürokratischen Hürden, der durchgearbeiteten Nächte und der immer wieder auftretenden Hilflosigkeit angesichts der neuen Sprache, der Sorgen um die Verwandten im Krieg und der alltäglichen Fremdenfeindlichkeit, sind in mir auf grosse Resonanz gestossen. Als Schweizerin weiss ich leider nur zu gut, wie rassistisch mein Heimatland ist und wie schwer es Menschen gemacht wird, die versuchen wollen, Teil der Schweizer Gesellschaft zu werden.

Schreibstil und Aufbau:
Das Buch besteht aus vielen lose aneinandergereihten Szenen aus Ildikós Kindheit und Jugend und aus ihrer Zeit der Ankunft und Integration in der Schweiz. Darin versammeln sich bunt gemischt die vermeintliche Bauernhofidylle der Grossmutter, eine erste grosse Liebe und auch Konflikte innerhalb der Familie. Immer wieder wird aber allen Schwierigkeiten zum Trotz Ildikós Liebe zu ihren Eltern und ihr Respekt vor deren harter Arbeit spürbar. Die Grenzen zwischen der Protagonistin Ildikó und der Autorin scheinen zu verschwimmen und auch in diesem Buch kann ich die Sprache nur loben, die es anhand von sprachlichen Bildern und gezielt konstruierten Leersten schafft, deutlich auf Missstände und Grausamkeiten hinzuweisen, und die Gefühle und Stimmungen so wundervoll poetisch beschreibt.
Das Buch ist leider aktueller denn je und vor allem bei untenstehendem Zitat hat mir kurz der Atem gestockt. 

"Du glaubst zumindest, ich wüsste Bescheid, über den Krieg, aber ich weiss nur, dass dieser Krieg, wie jeder andere auch, so schnell wie möglich beendet werden müsste, statt dass wir dauernd darüber debattieren, was für eine Art Krieg der Krieg auf dem Balkan ist. Wenn nicht andauernd alle Politiker darüber reden würden, wie kompliziert die Situation auf dem Balkon ist, dann könnte jetzt das Schlimmste noch vermieden werden."
Tauben fliegen auf - Melinda Nadj Abonji


Meine Empfehlung:
Ich empfehle euch diesen berührenden, wunderschön erzählten und leider hochaktuellen Roman von Herzen gerne weiter. Und ich wünsche euch viel Freude beim Entdecken dieser grandiosen und viel zu wenig bekannten Autorin.

Zusätzliche Infos zu meiner Ausgabe:
Titel:
Tauben fliegen auf
Autorin: Melinda Nadj Abonji, geboren 1968 in Becsej, Serbien, zog 1973 mit ihrer Familie aus dem ehemaligen Jugoslawien in die Schweiz. Sie studierte an der Züricher Universität und ist seit vielen Jahren als Schriftstellerin und Musikerin tätig. Ihr 2010 erschienener Roman ›Tauben fliegen auf‹ wurde sowohl mit dem Deutschen als auch dem Schweizer Buchpreis ausgezeichnet. Melinda Nadj Abonji lebt in Zürich.  
Sprache: Deutsch
Taschenbuch: 320 Seiten
Verlag: dtv (wird aber nicht mehr im dtv Verlag verlegt)
Erschienen: 2010
ISBN: 9783423140782

Rezension: The Book Eaters

Leserundenbuch der Lesejury von Bastei Lübbe, vielen Dank für das Rezensionsexemplar

The Book Eaters - Sunyi Dean

Beschreibung des Verlages:

Wie viele Menschen würdest du opfern, um dein Kind zu retten? Ein düsterer Fantasy-Roman
In den Mooren Yorkshires lebt eine geheime Gruppe von Menschen, für die Bücher Nahrung sind, die alles verschlingen, was darin steht. Devon gehört dazu - bis ihr Sohn mit einer dunkleren Art von Hunger geboren wird: nicht nach den Geschichten in Büchern, sondern nach denen in den Köpfen der Menschen. Er ist ein 'Seelenfresser', eine 'Abart', die meist schon bei der Geburt gnadenlos getötet wird. Doch Devon schwört ihn zu retten und flieht mit ihm in die Welt der Menschen, verfolgt vom eigenen Clan und seinen schrecklichen Handlangern, den ‘Rittern’. Um zu überleben, ist sie gezwungen, schlimme Dinge zu tun. Hoffnung verspricht nur ein mysteriöser zweiter Clan. Doch die Hoffnung trügt...

Inhalt:
In dieser Welt gibt es neben Menschen auch noch diverse Clans von Buchessern und Gedankenessern. Devon ist eine Buchesserin und ernährt sich von Büchern. Ihr Sohn Cai allerdings ist ein Gedankenesser und ernährt sich von den Seelen und Erinnerungen von Menschen, denen er ihre Gehirne mit seiner röhrenförmigen Zunge durchs Ohr aussaugt. Devon macht alles, um ihren Sohn in Sicherheit zu bringen und zu ernähren, Gedankenesser sind nämlich bedroht. Ein künstlich hergestelltes Medikament verspricht Hoffnung, doch um an diese sogenannte "Erlösung" zu gelangen, muss Devon enorme Risiken eingehen.

Meine Meinung:
Die ersten 150 Seiten dieses Buches habe ich verschlungen, so fasziniert war ich von der düsteren Welt, die darin beschrieben wird. Dann hat sich die Geschichte ein wenig in die Länge gezogen und gegen Ende hatte ich ein wenig damit zu kämpfen, wie übertrieben und hastig das Ende der Geschichte erzählt wurde. Auch hat mich eine unglaubwürdig religiöse Szene/Rahmenhandlung nicht überzeugen können.

Schreibstil und Aufbau:
Die Welt, die Dean schildert, ist äusserst brutal und sehr, sehr düster. Einige Teilnehmende der Leserunde haben sich Triggerwarnungen gewünscht. Aber ganz ehrlich, der Untertitel sagt doch schon alles. Ausserdem bleiben die Figuren leider eher distanziert, was aber dazu führt, dass mich die intensiveren Elemente gar nicht berührt haben. Und auch wenn einige Grausamkeiten geschehen, so werden die Szenen lediglich angedeutet und nicht im Detail "ausgeschlachtet" (im wahrsten Sinne des Wortes), ich habe schon einige Thriller gelesen, die um Längen brutaler waren. Auch werden Frauen unterdrückt und wie Sklavinnen gehalten. Devon begehrt aber dagegen auf und emanzipiert sich von ihrer Familie und es ist erstaunlich, wie modern dieses Buch daherkommt. Kritik an Rassismus, Ableismus und Sexismus sind deutlich zu spüren, ausserdem kommt ein Hauch Queerness vor, was mit gut gefallen hat. Weniger gut gefallen haben mir die oft sehr holprigen Sätze, was eventuell der Übersetzung geschuldet ist. Leider fehlen auch einzelne Buchstaben und ganze Wörter, das Lektorat war alles andere als gründlich, was den Lesefluss deutlich stört.

Meine Empfehlung:
Diese Welt und diese Geschichte hat richtiges Potenzial, das aber leider durch die Längen, nicht ganz glaubwürdige Entwicklungen und die unnahbaren Figuren ein wenig zunichte gemacht wird. Auch die Übersetzung und das Lektorat überzeugen nicht. Allerdings haben mich die Protagonistin, die feministische Grundhaltung und einige sehr moderne Elemente neugierig gemacht und ich werde mir die anderen Bücher der Autorin auch noch ansehen.

Zusätzliche Infos:
Titel:
The Book Eaters
Originaltitel: The Book Eaters
Autorin: Sunyi Dean (sun-yee deen) ist eine mehrfach preisgekrönte Autorin, die im ländlichen Texas geboren wurde, in Hongkong aufwuchs und heute in Nordengland lebt. Sunyi schreibt genreübergreifende spekulative Fiktion mit einer ganz eigenen Note, und ihr Debütroman Die Bücherverschlinger war sofort ein #2-Bestseller der Sunday Times. Einige ihrer Kurzgeschichten sind in Zeitschriften wie Interzone, Grimdark Magazine, BBC Radio Leeds und Tor Dot Com erschienen. In ihrer Freizeit kauft sie gerne Whisky, sammelt Hanteln und stirbt theatralisch beim Jiu-Jitsu. Außerhalb des eigentlichen Schreibens ist sie vielleicht am besten dafür bekannt, dass sie zusammen mit ihrem Tor-Autorenkollegen Scott Drakeford den Publishing Rodeo Podcast gegründet und moderiert hat, in dem sie offen über die traditionelle Pub-Szene in England sprechen.
Sprache: Deutsch
Aus dem Englischen von: Axel Franken
Paperback: 496 Seiten
Verlag: Bastei Lübbe
Erscheinungsdatum: 25.07.2025
ISBN: 978-3-7577-0128-4

Rezension: Unlearn Patriarchy

Unlearn Patriarchy - Lisa Jaspers (Hrsg.), Naomi Ryland (Hrsg.), Silvie Horch (Hrsg.)

Beschreibung des Verlages:
Obwohl wir inzwischen im 21. Jahrhundert leben, herrscht noch immer das Patriarchat.
Warum zur Hölle ist das so? Und was kann jede:r persönlich dazu beitragen, die häufig unbewussten toxischen Strukturen zu erkennen und aufzulösen? Dieser Sammelband mit bekannten Autor:innen bietet Hilfestellung. Sich gegen das Patriarchat zur Wehr zu setzen, ist besonders im Alltag schwierig. Denn Vieles ist uns so vertraut, dass wir es gar nicht hinterfragen. Sogar bekennende Feminist:innen tappen immer wieder in die gleichen Fallen. Wir schließen Frauen durch Sprache aus, folgen veralteten Vorstellungen von einer glücklichen Kleinfamilie inklusive traditionellen Rollenbildern. Oder wir passen uns männergemachten und kapitalistischen Strukturen an, wenn wir im Beruf erfolgreich sein wollen. Die Beitragenden der Anthologie UNLEARN PATRIARCHY berichten von ihren Erfahrungen und spüren eigenen fatalen Denkmustern nach. Sie zeigen, wie über alle Gesellschaftsbereiche hinweg von Sprache und Liebe über Arbeit bis hin zu Politik, Bildung oder Identität die patriarchalen Handlungsmuster gebrochen werden können und ein besseres Leben für alle möglich wird. 
»Große strukturelle Denkhindernisse werden in diesem Buch von klugen Köpfen analysiert. Sie helfen zu verlernen, was Gegenwart und Zukunft zerstört!« Luisa Neubauer

Inhalt:
Diese Sammlung beinhaltet 15 Texte von 17 Autor*innen und in allen Texten setzen sich die Schreibenden mit ihrem Verhältnis zum Patriarchat, ihren Erfahrungen, Erkenntnissen und Wünschen auseinander. Sie zeigen persönliche und gesellschaftliche Schwachstellen aber auch Verbesserungsvorschläge auf, laden zum Nachdenken und Überdenken ein und setzen Schwerpunkte in ihrem Fachbereich. Dadurch lesen wir Erfahrungen aus der Politik und der Bildung, lesen von Rassismuserfahrungen und kapitalistischen Zusammenhängen, von Rollenbildern und von Beziehungen.

Meine Meinung:
Das Buch ist mir schon einige Male begegnet. Vor allem Ronja von oceanloveR hat das Buch (und auch die "Fortsetzung") schon oft empfohlen und ich bin froh, dass ich es mir nun endlich gekauft habe. Obwohl ich schon sehr viele feministische (Sach-)Bücher gelesen habe, lerne ich nie aus und während einige der Texte und Themen mir so oder ähnlich schon einige Male begegnet sind, so haben andere Perspektiven mich komplett überrascht und zum Nachdenken angeregt. Auch war ich nicht immer einverstanden mit allen Überlegungen und habe mir selber noch einmal ganz neu eine Meinung bilden können. Das einzige, was mich gestört hat, waren die vielen Repetitionen. Es werden sehr oft ähnliche Floskeln verwendet, es wird fast in jedem Text geschrieben, dass wir uns nun einmal in einem patriarchalen System befinden (was irgendwie nicht in jedem Text erwähnt werden muss, da dies wohl allen klar ist, die dieses Buch lesen) und einige Kernaussagen sind mir persönlich auch zu ähnlich gestaltet. Da hätte ich mir von den Herausgeberinnen gewünscht, dass sie darauf achten, dass sich die Texte mehr unterscheiden und dass gewisse Formulierungen nicht in jedem Text vorkommen, auch wenn sie natürlich in jedem Text stimmen.

Meine Empfehlung:
Meiner kleinen Kritik zum Trotz empfinde ich diese Sammlung als grosse Bereicherung. Sie zeigt ganz verschiedene Perspektiven auf und lässt diverse Stimmen zu Wort kommen, die sich intensiv und gründlich mit ihrem jeweiligen Fachgebiet auseinandergesetzt haben. Ein langer Anhang mit allen Kurzbiografien und einem ausführlichen, zahlreiche Literaturtipps enthaltenden Quellenverzeichnis, machen das Buch zu einem ansprechenden Nachschlagewerk.

Zusätzliche Infos:
Titel:
Unlearn Patriarchy 
Autor*innen: Mit Beiträgen von Madeleine Alizadeh, Teresa Bücker, Kübra Gümüşay, Emilia Roig, Kristina Lunz, Linus Giese u.v.a.
Sprache: Deutsch
Taschenbuch, Broschur: 320 Seiten
Verlag: Ullstein Taschenbuch
Erschienen: 27.06.2024
ISBN: 9783548068602

Rezension: Goldene Zeiten im Gepäck

Goldene Zeiten im Gepäck - Adriana Popescu

Beschreibung des Verlages:

Eine große Liebe, die nicht sein durfte, und eine Freundschaft, die mit jedem Kilometer wächst.
Eine rüstige alte Dame begibt sich mit ihrer jungen Pflegerin auf eine Reise quer durch Osteuropa, um die Liebe ihres Lebens wiederzusehen. Ein warmherziger Frauenroman mit viel Herz und Humor von Erfolgsautorin Adriana Popescu!
Die rüstige Altenheimbewohnerin Frau Kaiser weiß etwas über Karla, das sie nicht wissen sollte. Sie erpresst die junge Pflegehelferin damit, um von ihr in einem alten Renault quer durch Europa kutschiert zu werden. Wohin? Das wird Karla schon noch sehen. Warum? Das geht sie nichts an. Karla soll einfach nur fahren – möglichst schnell, denn viel Zeit bleibt ihnen nicht. Aus Kaisers Koffer blitzt eine goldene Medaille. Eine Erinnerung an längst vergangene Tage, als sich zwei junge Schwimmer bei den Olympischen Sommerspielen 1956 in Melbourne fanden, aber nicht lieben durften ...

Inhalt:
Die rüstige Rentnerin und ehemalige Olympiaschwimmerin Elli erpresst Karla, die in einem Altenheim als Pflegehelferin arbeitet, mit einem Geheimnis. Karla, die so oder so gerade auf einer Sinnsuche ist, bleibt nichts anderes übrig, als Elli bei einer Nacht- und Nebelaktion zu unterstützen und diese auf den Spuren ihrer Vergangenheit quer durch Europa und mitten in die Geschichte einer verbotenen Liebe und einer starken Freundschaft zu begleiten.

Meine Meinung:
Mit grosser Begeisterung habe ich die Geschichte dieses gewagten Roadtrips gelesen und mich dabei immer wieder von Karlas Pragmatismus und Ellis Lebensmut anstecken und unterhalten lassen. Überraschende Wendungen, bereichernde Begegnungen, wahnwitzige Rettungsaktionen und ganz viel Herz und Zusammenhalt haben dieses Buch zu einem wahren Lesevergnügen gemacht.

Schreibstil und Aufbau:
Auf zwei Zeitebenen wird die Geschichte der 1956 in Melbourne stattfindenden Olympiade und einer verbotenen Liebesgeschichte sowie die in der Gegenwart stattfindenden Suche nach einer Versöhnung, Antworten und einen Abschluss erzählt, wobei ich Seite um Seite mit viel Spannung, und einem Lächeln auf den Lippen umgeblättert habe. Der Schluss hat mich enorm berührt und einige Tränen weinen lassen. Popescu schafft es mit diesem Roman, ihre rumänischen Wurzeln einzubringen und gleichzeitig mit liebevollen Beschreibungen und klugen Dialogen diese herzerwärmende Geschichte von verpassten Chancen, einer unsterblichen Liebe und unglücklichlichem Timing zu erzählen. Dass dieses Buch als "Frauenroman" bezeichnet wird, ist sicher nicht auf Popescus Mist gewachsen, aber ich finde es wichtig zu erwähnen, dass dieser unnötige und in der Regel abwertend gemeinte Zusatz (weil Frauen im Auge vieler konservativer Betrachter ja keine richtigen Bücher schreiben können und "Frauenromane" dadurch so oder so als oberflächlich, minderwertig und halt einfach ein wenig gefühlsdusselig empfunden und dadurch nicht ernst genommen werden) in der heutigen Zeit nichts mehr auf einem Einband zu suchen hat.

Meine Empfehlung:
Ein berührender Roman, der sich wunderbar in Urlaub lesen lässt, mit Witz und Charme eine ausgeklügelte und spannende Geschichte erzählt und grosse Emotionen weckt.

Zusätzliche Infos:
Titel:
Goldene Zeiten im Gepäck
Autorin: Adriana Popescu, 1980 in München geboren, arbeitete als Drehbuchautorin für das Deutsche Fernsehen, bevor sie als freie Redakteurin für verschiedene Zeitschriften und schließlich als Autorin für mehrere renommierte Buchverlage Romane schrieb. Sie lebt mit großer Begeisterung in Stuttgart. Über „Goldene Zeiten im Gepäck“ sagt sie: „Mein Herzensprojekt und ein Ende, bei dem ich geweint habe. Wer da übrigens nicht weint, hat sich ein Betonherz gießen lassen! Dazwischen muss man aber, wie ich hoffe, ganz viel und herzhaft lachen.“
Paperback, Klappenbroschur: 512 Seiten
Sprache: Deutsch
Verlag: wird nicht genannt und verlinkt, weil er eine Autorin rassistisch beleidigt hat
Erschienen am: 05.08.2019
ISBN: 978-3-492-06084-4

Rezension: Klartext

Rezensionsexemplar aus dem btb-Verlag (via Bloggerportal von Randomhouse)

Klartext - Sara Nović

Beschreibung des Verlages:

In einem Internat für Gehörlose kreuzen sich schicksalhaft die Wege einer Lehrerin und dreier Jugendlicher.
Charlie, die rebellische Neue an der River Valley School, kämpft mit ihren Gefühlen und damit, sich verständlich zu machen, denn bisher hatte sie keinen Kontakt zur Gemeinschaft der Gehörlosen. Austin gilt als Überflieger, doch seine Welt gerät ins Wanken, als seine kleine Schwester hörend geboren wird. Und Schulleiterin February Waters weigert sich zu akzeptieren, dass ihre Schule schließen muss – und ihre Ehe womöglich vor dem Aus steht. Als Charlie und Austin zusammen mit einem weiteren Schüler aus dem Internat verschwinden, beginnt für February ein Wettlauf gegen die Zeit.
Dies ist eine Geschichte über Gebärdensprache und Lippenlesen, erste Liebe und Herzschmerz und vor allem über große Beharrlichkeit, Wagemut und Lebensfreude. Eine unvergessliche Reise in die Gemeinschaft der Gehörlosen und ein Fest der menschlichen Verbundenheit.
Der neue Roman von Sara Nović, die selbst gehörlos ist, entführt Leser*innen in die ebenso spannende wie zerbrechliche und widersprüchliche Welt der Gehörlosen, in der vieles auch nicht anders ist als unter Hörenden und die dennoch ganz eigenen Regeln unterliegt.

Inhalt:
Die gehörlose Protagonistin Charlie muss sich in eine Schule für gehörlose Kinder und Jugendliche integrieren, obwohl sie kaum Gebärdensprache spricht, die Schulleiterin February kämpft für das Überleben der Schule, für Gelder, für die Gehörlosenkultur und für ihre Schützlinge und stellt Charlie den Musterschüler Austin zur Seite, damit ihr die Eingliederung besser gelingt. Zwischen den beiden entwickeln sich Gefühle, aber Charlie muss sich vor allem auf ihren Kampf für körperliche Selbstbestimmung konzentrieren, der bald zu einem Kampf ums Überleben wird.

Meine Meinung:
Aufgrund einer begeisterten Rezension habe ich das Buch beim Verlag angefragt und mich sofort in die Geschichte gestürzt, die mit dem Verschwinden dreier Teenager beginnt. Durch die vielen zusätzlichen Infos, die von der selbst gehörlosen Autorin sehr fundiert zusammengestellt worden sind, erhält das Buch eine zusätzliche Tiefe. Allerdings versucht die Autorin so viele Stimmen, Perspektiven und Überzeugen zu Wort kommen zu lassen, dass das Buch zuweilen überladen wirkt und dass dabei der eigentliche Inhalt, nämlich die Gründe, die zum Verschwinden der Teenager geführt haben, abgelenkt wird.

Schreibstil und Aufbau:
Aus verschiedenen Perspektiven werden Meinungen und Erlebnisse aus der Welt von gehörlosen und hörenden Menschen dargestellt und Spannungen innerhalb von Familien und Beziehungen einfühlsam beleuchtet. Nach vielen Kapiteln gibt es einen kurzen Crash-Kurs in Gebärdensprache (allerdings in der Amerikanischen Gebärdensprache, die in meinen Augen hätte in die Deutsche Gebärdensprache übersetzt werden müssen) und wissenswerte Infos rund um die Gehörlosenkultur. Dabei geht es unter anderem um Rassismus innerhalb der verschiedenen Gebärdensprache, um wichtige politische Figuren und medizinische Errungenschaften, die oft zugleich Fluch und Segen darstellen.

Meine Empfehlung:
Sara Nović macht mit diesem Roman auf die permanente Bedrohung der Gehörlosenkultur aufmerksam und verpackt ihre Botschaft in einen spannenden aber manchmal ein wenig verzettelten Roman. Dennoch finde ich dieses Buch sehr wichtig und habe die Geschichte um die facettenreiche Charlie gerne gelesen.

Zusätzliche Infos:
Titel:
Klartext
Originaltitel: True Biz
Autorin: Sara Nović, geboren 1987, studierte an der Columbia University Literatur und Übersetzung. Sie arbeitet als Dozentin für Deaf Studies und kreatives Schreiben. Ihre Essays erscheinen unter anderem in The New York Times, The Guardian, CNN, LitHub. Ihre Romane »Das Echo der Bäume« und »Klartext« standen auf Anhieb auf der New-York-Times-Bestsellerliste. Sara Nović lebt mit ihrer Familie in Philadelphia.
Sprache: Deutsch
Aus dem Amerikanischen von: Judith Schwaab
Hardcover mit Schutzumschlag: 480 Seiten
Verlag: btb
Erschienen am:
23.04.2025
ISBN: 978-3-442-76249-1

Lese-Statistik Juni 2025

Hallo ihr Lieben

Jetzt liegt bereits die Hälfte von 2025 hinter uns und ich freue mich auf ein wenig Ruhe im Sommer. Leider komme ich aber gerade mit der Hitze so gar nicht klar. Mittlerweile leiden wir seit fast drei Wochen unter Temperaturen von über 30 Grad und - abgesehen von einzelnen Gewitterabenden mit ein wenig Regen - fällt kaum Niederschlag. Überall ist flirrende Hitze, Dürre und Waldbrandgefahr und am meisten gelitten habe ich beim Unterrichten in meinem kleinen (bei normalem Wetter sehr gemütlichen) Kämmerchen im Dachstuhl... Das liegt nun aber endlich hinter mir. Am Montagabend habe ich nämlich mein Schuljahr mit einem Semesterabschlusskonzert beendet und diese letzte Schulwoche werde ich jetzt nur noch für meine Vorbereitungen für das nächste Schuljahr nutzen.
Eine Woche Urlaub und Freundinnenbesuch in Deutschland ist Mitte Juli geplant, einzelne Ausflüge und Treffen stehen an und neben den Vorbereitungen für die Schule sind auch wieder viele Konzertprojekte in Planung. Trotzdem komme ich in diesen unterrichtsfreien Wochen immer ziemlich zur Ruhe und liebe es, meine Arbeit und meinen Alltag ganz in meinem Tempo anzugehen, am Schreibtisch sitzen zu bleiben, so lange ich mag, wenn ich gerade motiviert bin und lange Spaziergänge machen oder liebe Menschen zum Kaffee oder zum Essen zu treffen, wenn ich den Kopf frei kriegen will.
Zu meiner Überraschung habe ich trotz grossem Stress mit der Stundenplanung, zwei Auftritten und meiner hitzebedingten Erschöpfung ein paar Bücher gelesen und vor allem auch einige Bücher aussortiert, was die vielen Neuzugänge verkraften und meinen SuB sogar deutlich schrumpfen liess ;-)

Gelesen im Juni:

Benötigt Zeit und Sitzfleisch, gewährt aber berührende Einblicke in das Leben eines bedrohten Volkes


Langsam erzählter, gesellschaftskritischer Krimi aus Venedig, schon 25 Jahre alt, aber leider hochaktuell


Spannend und düster, aber ein wenig vorhersehbar und in meinen Augen nicht gruselig genug


Zugleich kraftvoll und behutsam erzählt, sehr poetisch, sehr berührend, sehr leise und laut zugleich


Einfach ein schöner, leichter Ostseeroman, ein Reihenauftakt, der unterhält und Lust auf mehr macht


Ruhiger, berührender und überraschender Roman über die Kraft der Freundschaft und der Liebe



Alle Rezensionen und Seitenzahlen:

Tanz mit dem Engel - Åke Edwardson   (abgebrochen nach 53 Seiten)
Die Reinheit des Mörders - Emélie Nothomb   (abgebrochen nach 110 Seiten)
Das letzte Viertel des Mondes - Chi Zijian   (416 Seiten)
Blutige Steine - Donna Leon   (368 Seiten)
Die Schwestern - Daisy Johnson   (192 Seiten)
Seebeben - Djaimilia Pereira de Almeida   (160 Seiten)
Himmelsee: "Über den Wellen leuchtet das Glück" - Tanja Janz   (304 Seiten)
Die unwahrscheinliche Pilgerreise des Harold Fry - Rachel Joyce   (382 Seiten)

Abgebrochen/Aussortiert:

Åke Edwardson - Tanz mit dem Engel (abgebrochen)
Åke Edwardson - Die Schattenfrau (ungelesen aussortiert)
Åke Edwardson - Das vertauschte Gesicht (ungelesen aussortiert)
Åke Edwardson - In alle Ewigkeit (ungelesen aussortiert)
Åke Edwardson - Der Himmel auf Erden (ungelesen aussortiert)
Åke Edwardson - Segel aus Stein (ungelesen aussortiert)
Die Reinheit des Mörders - Amélie Nothomb (abgebrochen)

Neuzugänge:

Himmelsee - Tanja Janz   (Rezensionsexemplar, bereits gelesen)
Klartext - Sara Nović   (Rezensionsexemplar, lese ich aktuell)
Unlearn Patriarchy - Herausgegeben von Lisa Jaspers und Naomi Ryland (neu gekauft, lese ich aktuell)
The Truth Pixie - Matt Haig (neu gekauft)
Die unwahrscheinliche Pilgerreise des Harold Fry - Rachel Joyce (Bücherschrankfund, bereits gelesen)

Alle Zahlen in der Übersicht:

Gelesene Bücher: 6
Abgebrochene Bücher: 2
Ungelesen aussortierte Bücher: 5
Gelesene Seiten:  1'985 Seiten
Durchschnittliche Seitenzahl pro Tag: 66.17 Seiten
Bücher von Autorinnen: 6
Bücher von Autoren: -
Autor*innenduos (oder Gruppen): -
Geschenkt bekommene Bücher: -
Ausgeliehen: -
Buchgewinn: -
Buchprämien: -
Rezensionsexemplare: 2
Neu gekaufte Bücher: 2
Secondhand gekaufte Bücher: -
Eingesammelte Bücher: 1
Bibliotheksbücher: -
Gesamte Neuzugänge: 5
SuB am Monatsbeginn:
76
Aktueller SuB: 69
Differenz: - 7