Dunkelgrün fast schwarz - Mareike Fallwickl
Raffael, der Selbstbewusste mit dem entwaffnenden Lächeln, und Moritz,
der Bumerang in Raffaels Hand: Seit ihrer ersten Begegnung als Kinder
sind sie unzertrennlich, Raffael geht voran, Moritz folgt. Moritz und
seine Mutter Marie sind Zugezogene in dem einsamen Bergdorf, über die
Freundschaft der beiden sollte Marie sich eigentlich freuen. Doch sie
erkennt das Zerstörerische, das hinter Raffaels stahlblauen Augen
lauert. Als Moritz eines Tages aufgeregt von der Neuen in der Schule
berichtet, passiert es: Johanna weitet das Band zwischen Moritz und
Raffael zu einem fatalen Dreieck, dessen scharfe Kanten keinen
unverwundet lassen. Sechzehn Jahre später hat die Vergangenheit die drei
plötzlich wieder im Griff, und alles, was so lange ungesagt war, bricht
sich Bahn – mit unberechenbarer Wucht. Mareike Fallwickl erzählt von
Schatten und Licht, Verzweiflung und Sehnsucht, Verrat und Vergebung.
Ihr packendes Debüt bringt alle Facetten der Freundschaft zum Leuchten,
die Leidenschaft, die Sanftheit – und die Liebe, in ihrer heilsamen,
aber auch funkelnd grausamen Pracht.
Meine Meinung:
Normalerweise lasse ich die Hände von Büchern, die einen Hype auslösen. So lange, bis sich der Hype beruhigt hat. Bei diesem Buch konnte ich mich nicht zurückhalten und ich wurde belohnt. Denn alles, was über dieses Buch gesagt und geschrieben wurde, ist wahr (mit Ausnahme der Aussage, dass das Ende nicht passen würde, das stimmt überhaupt nicht, das Ende passt perfekt, es ist sogar so, dass ich mir für dieses Buch gar kein anderes Ende hätte vorstellen können).
"Dunkelgrün fast schwarz" ist fordernd, laut, schmerzhaft, manchmal unangenehm. Und die Gefühle und Abgründe sind so unbarmherzig direkt und mitten ins Herz hinein beschrieben, dass man gar nicht anders kann, als berührt zu werden.
In schillernden, sanften, schrillen und schmerzenden Farben sieht Motz die Menschen und erkennt ihr Innerstes manchmal besser, als sie selber. Seine sensible und auch ein wenig naive Art lassen ihn aber so sehr an das Gute im Menschen glauben, dass er nur mit einem Kohlestift auf Papier erfassen kann, was er wirklich fühlt. Klar, dass dies ausgenutzt wird, von Raf, einer Figur, für die man nur Abscheu und Faszination zugleich empfinden kann und weil Jo das Duo zu einem Trio macht, weil alle älter werden und die Verletzungen damit auch grösser und tiefer und weil es Marie nicht mehr immer gelingt, die Fäden zusammenzuhalten, wird das Chaos perfekt.
Da sind also zuerst Motz und Raf, Anhängsel
und Anführer, da sind Gewalt, Freundschaft, Familienzwiste und ein
Gefühl von Macht und Ohnmacht. Immer wieder erfahren wir auch die Sicht
von Marie, der Mutter von Motz, die so lange schon wusste, wie alles
enden würde, aber immer weggeschaut hat. Ausserdem springt die Geschichte zwischen den einzelnen Figuren und Jahren hin und her. Und dann kommt Jo ins Spiel und
die Geschichte wird komplizierter. Denn jetzt geht es auch um Liebe, um
Verrat, um Selbstzerstörung. Vielleicht um Hass.
Und auch wenn es immer wieder um Schuld geht und um Unschuld, um die Tatsache, dass ein Hinsehen vielleicht besser gewesen wäre als ein Wegschauen, so geht es doch am Ende immer um die Kraft, die fehlt, damit sich wirklich etwas ändern kann. Die Kraft, sich von jemandem loszusagen, die Kraft, treu zu bleiben oder sich ganz zu trennen, die Kraft, gar nicht erst anzufangen mit dem Betrug, dem Verrat, mit den Lügen und die Kraft, den Mund aufzumachen, bevor alles zu spät ist. Und warum fehlt diese Kraft? Weil alle Figuren, auch die, welche eher glücklich sind und sich auf eine eigensinnige Art und Weise mit ihrem Leben arrangiert haben, gelähmt sind von einer Dunkelheit, von einer Angst und von einem erstickten Zorn auf die eigene Situation und die Macht der anderen und auf diesen verdammten Ort, an dem alle über alle sprechen und an dem alles seinen Anfang nimmt.
Meine Empfehlung:
Die Kunst der Autorin Mareike Fallwickl besteht nicht in erster Linie
darin, eine Geschichte aus mehreren Perspektiven, mit Rückblenden und
Zeitsprüngen, so zu erzählen, dass plötzlich alles zusammenpasst, dass
alles Sinn macht. Und dass man sich auf den letzten Seiten an die ersten
Seiten erinnert und ein Lächeln im Gesicht hat. Und die Kunst besteht
auch nicht in erster Linie darin, dass jede Figur für sich so einen eigenen Charakter
hat, dass Jo, Motz und Raf so verschieden denken und fühlen, als wären
sie von unterschiedlichen Autoren geschaffen worden. Obwohl das schon so
viel ist, mehr als andere Bücher zuweilen bieten können (leider), dass dies
allein vielleicht sogar schon ausreichen würde. Aber nein, Fallwickl
toppt dies noch. Sie schreibt nicht nur eine grandiose und mitreissende
Geschichte voller Figuren, von denen man ausgehen muss, dass es sie
gibt (wie sonst hätten sie so fesselnd beschrieben werden können). Nein,
sie erzählt dies alles und auch alles, was zwischen den Zeilen steht, in
einer Sprache, für die es keine Worte gibt. Es gibt darum keine Worte, weil Mareike Fallwickl alle Worte, denen eine aussergewöhnliche Kraft und Härte und Derbheit und Verletzlichkeit und Ästhetik innewohnt, schon verwendet hat, sie stehen alle
in diesem Buch. Lest es.
Zusätzliche Infos:
Titel: Dunkelgrün fast schwarz
Autorin: Mareike Fallwickl, 1983 in Hallein bei
Salzburg geboren, arbeitet als freie Texterin und Lektorin, schreibt für
eine Salzburger Zeitung eine wöchentliche Kolumne und betreibt seit
2009 einen Literaturblog.
Für ihr literarisches Debüt »Dunkelgrün fast schwarz« erhielt sie ein
Arbeitsstipendium des Bundeskanzleramts Österreich. Mareike Fallwickl
lebt im Salzburger Land.
Fester Einband mit Schutzumschlag: 480
Seiten
Sprache: Deutsch
Erscheinungstermin: 2018
ISBN: 9783627002480