Dieses Rezensionsexemplar aus dem Luchterhand Literaturverlag hat mich via Bloggerportal errreicht.
Möchte die Witwe angesprochen werden, platziert sie auf dem Grab die Gießkanne mit dem Ausguss nach vorne - Saša Stanišić
Beschreibung des Verlages:
Was wäre, wenn man nicht diese eine Entscheidung getroffen hätte,
sondern jene andere? Was wäre, hätte man der Erwartung getrotzt? Und
dann ist da trotzdem die Furcht, feige gewesen zu sein, zu lange
gezögert und etwas verpasst zu haben, ein besseres Ich, ein größeres
Glück, die lustigeren Haustiere und Partner.
Saša Stanišić führt
uns an Orte, an denen das auf einmal möglich ist: den schwierigeren Weg
zu gehen, eine unübliche Wahl zu treffen oder die eine gute Lüge
auszusprechen.
So wie die Reinigungskraft, die beschließt, mit
einer Bürste aus Ziegenhaar in der Hand, endlich auch das Leben in die
eigenen Hände zu nehmen. So wie der Justiziar, der bereit ist zu
betrügen, um endlich gegen seinen achtjährigen Sohn im Memory zu
gewinnen. Und so wie der deutsch-bosnische Schriftsteller, der zum
ersten Mal nach Helgoland reist, nur um dort festzustellen, dass er
schon einmal auf Helgoland gewesen ist.
Am besten wäre ja, man könnte ein Leben probeweise erfahren, bevor man es wirklich lebt.
Inhalt:
In diesem Erzählband finden sich Kurzgeschichten, in denen hingebungsvoll Doppelkopf gespielt und zukunftgeträumt, fatasiert, geliebt und vermisst wird und in denen ganz kleine Ziegen eine grosse Rolle spielen. Wir begleiten viele charakterstarke Figuren in unterschiedlichen (manchmal mehr als einer) Phasen ihres Lebens und schliessen sie mit jeder Szene, jedem Satz mehr und mehr ins Herz. Das Was-wäre-wenn ihres Lebens stimmt nachdenklich und zuversichtlich und lässt uns das Buch am Ende mit einem Lächeln im Gesicht schliessen.
Meine Meinung:
Es ist kein Geheimnis, dass sich Stanišić schon vor Jahren in mein Herz geschrieben hat und dass ich seiner zugleich zart und leidenschaftlich beschreibenden Sprache, seinen Wortbildern sowie seinen liebevoll und mit einem Augenzwinkern beschriebenen Figuren einfach nicht widerstehen kann.
Vor allem die titelgebende Geschichte, die von einer Witwe handelt, welche der Liebe vielleicht doch noch einmal eine Chance geben möchte, hat mich tief berührt.
"Es ist wichtig zu wissen, warum man geliebt hat"
(S. 192)
Aber auch die Gedanken eines nach Deutschland geflüchteten ich-Erzählers namens Saša (Parallelen zum Autor sind natürlich vorgesehen) haben mich einige Male zum Schmunzeln und Träumen gebracht. Sein persönliches Was-wäre-wenn ist von einer Flucht aus einem Krieg, von neuen Freundschaften und der Liebe zum Erzählen geprägt.
"Ich mochte nicht, dass wir die Anwesenheit unserer Körper in diesem Land permanent erklären mussten. Ich mochte nicht, dass ich wegen einer Sprache, die ich unvollständig sprach, behandelt wurde, als wäre ich unvollständig."
(S. 206)
Jede dieser Geschichten habe ich aufgesogen, sie sind so tröstlich und humorvoll, sie zeigen die verschiedensten Schattierungen von Beziehungen und Freundschaften auf. Ausserdem wecken sie die Sehnsucht nach Helgoland, nach dem Reisen, dem sich Verlieben und dem Ankommen.
Meine Empfehlung:
Ich kann es kaum erwarten, weitere Texte des Autors zu entdecken und bin einmal mehr begeistert von seiner Erzählkunst. Lest dieses herzerwärmende, sehnsüchtig und zugleich positiv stimmende Buch!
Zusätzliche Infos:
Titel: Möchte die Witwe angesprochen werden, platziert sie auf dem Grab die Gießkanne mit dem Ausguss nach vorne
Autor: Saša Stanišić wurde 1978 in Višegrad (Jugoslawien) geboren und lebt seit
1992 in Deutschland. Seine Werke wurden in mehr als vierzig Sprachen
übersetzt und viele Male ausgezeichnet. Saša Stanišić lebt und arbeitet
in Hamburg. Er ist dort Fußballtrainer einer F-Jugend.
Sprache: Deutsch
Hardcover mit Schutzumschlag und Lesebändchen: 256 Seiten
Verlag: Luchterhand
Erschienen am: 30. Mai 2024
ISBN: 978-3-630-87768-6