Der Zirkel der Literaturliebhaber - Amir Hassan Cheheltan
Beschreibung des Verlages:
Jeden Donnerstag kamen in das Elternhaus Cheheltans acht Gäste, um mit
den Eltern und später auch ihm selbst über Literatur zu sprechen. Sie
sprachen vorzugsweise über die klassische persische Literatur, über
Rumi, Hafis, Saadi, Ferdowsi und andere. Über Jahre hielten diese
Treffen an und eröffneten einen Raum der Sprache, der Poesie, der
Interpretation, was die großen Themen des Lebens und des Geistes
anbelangt, verbanden die Teilnehmer, verstrickten sie aber auch
miteinander, weil die Staatsmacht auch in ihren Zirkel reinregierte.
Denn
in diesem Zeitraum seit den sechziger Jahren herrscht erst der Schah
mit seinem Repressionsapparat und dem Geheimdienst SAVAK, bis die
islamische Revolution von 1979 das Regime durch die Macht der Mullahs
ersetzt. In seiner dichten und detaillierten Erzählung kehrt Amir Hassan
Cheheltan immer wieder zu dem Zirkel der Literaturliebhaber, den
Gesprächen über die Poesie, der Rolle seiner Eltern, den Impulsen für
die eigene Lektüre und der Wirkung der Literatur zurück. Denn diese ist
älter, weiser, komischer, subversiver und sexuell weitaus freizügiger,
als die offizielle Sittenlehre und die gesellschaftlichen Zwänge es
dulden wollen.
Inhalt:
In einer Mischung aus autofiktiver Erzählung, Gesellschaftskritik und Details der Geschichte des Irans erzählt Amir Hassan Cheheltan von seiner Kindheit in einer belesenen Familie, dem wöchentlichen Literaturzirkel seiner Eltern sowie seiner eigenen Lesart der Literatur seiner Heimat. Persische Klassiker, Lyrik und Prosa werden so nahbar und kurzweilig vorgestellt und es wird auf die menschlichen, derben und rebellischen Facetten dieser grossen und teilweise sehr bekannten Texte und Autoren eingegangen.
Meine Meinung:
Jeden Donnerstag wird im Hause Cheheltan geputzt und aufwändig gekocht, damit sich am Nachmittag die Gäste einfinden und zu einem Literaturzirkel treffen können. Es wird gelesen, gelacht, getrunken, gegessen und über Politik, Gott und die Welt diskutiert. Die politische Lage im Land spitzt sich zu, bis auch den Mitgliedern des Zirkels nicht mehr vertraut werden kann.
Amir wird älter und reifer und darf immer häufiger an den Treffen teilnehmen und lernt so schnell, dass die klassischen Dichter der persischen Literatur alles andere als harmlose und ausschliesslich intellektuelle Texte geschrieben haben. Sexuelle Ausschweifungen, vor allem unter Männern (respektive auch viele pädophile Handlungen, die fast kritiklos stehengelassen werden), aber auch unterhaltsame und derbe Gedichte und Texte, Gesellschaftsstudien und naive Skizzen finden sich in den Werken dieser Dichter. Und so nähert sich der junge Amir auf eine ganz unschuldige, humorvolle und überhaupt nicht verkopfte Art diesen Texten und macht sie durch unterhaltsame Zusammenfassungen, Hinweise auf ihre Entstehung aber auch Hintergründe zur Geschichte des Irans und seiner Familie nahbar.
Mein Fazit:
Dieses Buch hat sich sehr kurzweilig gelesen und ich habe mich sehr darüber gefreut, wie der junge Amir zum Lesen und zur Literatur gefunden und es dann auch noch gewagt hat, den seiner Familie fast schon heiligen Texte eigene und sehr zugängliche Interpretationen abzuringen.
Ein wenig gestört haben mich die fast kritiklos wiedergegebene Verherrlichung pädophiler Handlungen und Beziehungen in klassischer persischer Literatur und das komplette Fehlen von Texten aus weiblicher Feder in Cheheltans Lebensbibliothek. Das wäre sicher auch noch spaannend gewesen.
Zusätzliche Infos:
Titel: Der Zirkel der Literaturliebhaber
Autor: Amir Hassan Cheheltan, wurde 1956 in Teheran geboren. Seine Romane dürfen seit über 20 Jahren nicht mehr im Iran erscheinen.
Sprache: Deutsch
Aus dem Persischen von: Jutta Himmelreich
Fester Einband mit Schutzumschlag: 252 Seiten
Verlag: C.H.Beck
Erschienen am: 17. Februar 2020
ISBN: 978-3-406-75090-8
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