Rezension: Schäfchen im Trockenen

Schäfchen im Trockenen - Anke Stelling

Beschreibung des Verlages:
Resi hätte wissen können, dass ein Untermietverhältnis unter Freunden nicht die sicherste Wohnform darstellt, denn: Was ist Freundschaft? Die hört bekanntlich beim Geld auf. Und Resi hätte wissen können, dass spätestens mit der Familiengründung der erbfähige Teil der Clique abbiegt Richtung Eigenheim und Abschottung und sie als Aufsteigerkind zusehen muss, wie sie da mithält. Aber Resi wusste’s nicht. Noch in den Achtzigern hieß es, alle Menschen wären gleich und würden durch Tüchtigkeit und Einsicht demnächst auch gerecht zusammenleben. Das Scheitern der Eltern in dieser Hinsicht musste verschleiert werden. Darüber ist Resi reichlich wütend. Und entschlossen, ihre Kinder aufzuklären, ob sie’s wollen oder nicht. 

Inhalt:
Resi rechnet ab. Mit ihren vermeintlichen Freunden, welche sich stets über ihren Status, ihre Kinder und den Beruf definieren, mit dem Patriarchat, der Gesellschaft und ihren Eltern. Sie ist wütend, sie ist verbittert, aber im Grunde genommen hat sie recht und möchte ihren Kindern ein besserer Elternteil sein, als ihre Eltern es damals waren, möchte ehrlich sein, aufklären und die nächste Generation auf das Leben im Haifischbecken vorbereiten. Dies geschieht weniger "schonungslos ehrlich" und "bissig", aber deutlich unterhaltsamer und vielschichtiger als erwartet.

Meine Meinung:
Über dieses Buch habe ich bereits zahlreiche Dinge gelesen. Anscheinend trifft es so gar nicht jeden Geschmack und scheint einigen auch zu provokativ zu sein. Dies war in meinen Augen gar nicht der Fall. Vielmehr liest es sich sehr unterhaltsam und entzaubert ein wenig das stark romantisierte Bild des klassischen Familienmodells (und generell des Gründens von Familien), sowie des Anhäufens von Reichtümern und beruflichem Status. Dies erscheint mir längst überfällig, zeigt sich doch immer mehr, dass weder Geld noch ein erfüllter Kinderwunsch per se glücklich machen und schon gar nicht dann, wenn man Dinge macht, "weil man sie eben so macht". Von Resi hätte ich mir aber gewünscht, dass sie noch viel klarer benennt, was genau sie stört, dass sie ihre "Freunde" und auch ihre (schrecklich verwöhnten und unglaublich faulen) Kinder und ihren (abwesenden und sich stets aus der Affäre ziehenden) Ehemann erstens früher und zweitens konkreter mit ihren Wünschen und der berechtigten Kritik konfrontiert und zweitens generell mehr Nägel mit Köpfen macht. 

Schreibstil:
Prägnant und in Tagebuchform lässt Anke Stelling ihre Protagonistin in einem kleinen Kämmerchen schreiben. Der Unmut und die Wut sind aus jedem Satz spürbar. Genau so, wie eine gewisse Ohnmacht, welche die Protagonistin anhand ihrer festgefahrenen Situation verspürt. Dies ist meiner Meinung nach sehr gut gelungen. Was mir definitiv gefehlt hat, war das, was über eine blosse Anklage, eine Anprangerung von Missständen hinausgeht. Ein Handeln, ein Schreien, evtl. auch Taten, die sich direkt gegen einige Personen richten, respektive, die Reis dabei helfen, sich selber vermehrt ins Zentrum zu rücken und sich zu emanzipieren und sogar ein Stück weit von ihrem Umfeld zu lösen.

Meine Empfehlung:
"Schäfchen im Trockenen" ist braver, aber definitiv unterhaltsamer als erwartet und auch wenn mir ein wenig der Biss und das Überzogene gefehlt haben, empfehle ich euch das Buch sehr gerne weiter, da es zum Nachdenken anregt und auch einmal einen realistischen Blick auf die sonst oft so romantisierte Idee der Zukunftsplanung mit Haus, Hochzeit und Kindern wirft.

Zusätzliche Infos:
Titel: Schäfchen im Trockenen
Autorin: Anke Stelling, 1971 geboren, studierte am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig und wurde für ihre schriftstellerische Arbeit vielfach ausgezeichnet. Ihr Roman »Bodentiefe Fenster« stand auf der Longlist des Deutschen Buchpreises, »Schäfchen im Trockenen« erhielt den Preis der Leipziger Buchmesse.
Taschenbuch, Broschur: 272 Seiten
Verlag: btb (Originalverlag: Verbrecherverlag)
Erschienen am: 9. Juni 2020
ISBN: 978-3-442-71971-6

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