„Wir haben sie in alten Dateien aufgespürt. Es war dann aber ziemlich einfach ihre momentane Adresse in Erfahrung zu bringen.“
Seine Sekretärin reichte ihm einen Zettel, der mit ihrer winzigen Schrift voll gekritzelt war. Adresse und Telefonnummer wie auch die Namen der Eltern waren sorgfältig aufgelistet.
Er bedankte sich mit einem knappen Kopfnicken, rannte aus dem Präsidium und zum Parkplatz. Dort setzte er sich in sein Auto und fuhr sogleich zum notierten Ortsteil. Im Auto drin beruhigte er sich erst einmal ein wenig und überlegte, was er wohl alles sagen wollte und wie die Reaktionen ausfallen würden.
Er hasste es, irgendwelchen Angehörigen den Tod eines Mitmenschen mitzuteilen. Dies forderte ihn jedes Mal ziemlich heraus und machte ihn auch traurig und nachdenklich. Nachdenklich vor allem dann, wenn der Tod so sinnlos eingetreten war wie bei Sandra Volkerz.
Nach ein wenig mehr als dreissig Minuten bog er in die Hauseinfahrt ein. Er stellte den Motor ab und blieb noch ein Weilchen im Auto sitzen. Unangenehmes schob er schon immer gern hinaus, er war nicht anders als ein „normaler“ Bürger.
Dann raffte er sich aus, schlug die Tür des Autos ein wenig zu kräftig hinter sich zu und betrat den eisigen Fussweg ganz vorsichtig. Bei der Tür angekommen klingelte er entschlossen und wartete. Insgeheim wünschte er sich, dass niemand zu Hause war aber er wusste genau, dass dieser Umstand die ganze Sache nur noch verzögert und keinesfalls besser gemacht hätte. Also klingelte er noch einmal und wartete noch einmal. Die Tür wurde dann doch geöffnet und eine attraktive Dame stand vor ihm. Seinen Angaben nach war sie siebenundsechzig Jahre alt, schien aber wesentlich jünger zu sein. Sie war mittelgross und schlank und ihre Haare waren zu einem ordentlichen Dutt hochgesteckt. Sie trug ein schillerndes Kostüm welches in verschiedenen Orangetönen leuchtete und sie wirkte sehr professionell und dezent geschminkt.
„Frau Volkerz?“
Sie nickte nur und betrachtete ihn mit aufgerissenen Augen.
„Können wir rein gehen? Ich habe eine traurige Nachricht für Sie“, sagte er vorsichtig und als sie sich nicht vom Fleck rührte, machte er einen Schritt auf sie zu.
„Sandra?“, fragte sie nur und ihre Augen schimmerten wissend.
Er blieb vor ihr stehen und sie liess ihn hinein.
Sie führte ihn ins Wohnzimmer wo bereits ein älterer Herr sass. Auch er wirkte viel jünger, als er war. Sein gepflegtes Äussern fiel sofort auf und er schien sehr sympathisch zu sein.
„Sandra ist tot“, sprach sie mit monotoner Stimme.
„Was ist passiert?“, fragte der Mann desinteressiert.
Forchel setzte sich ungefragt auf einen abseits stehenden Stuhl und musterte die beiden Personen im Raum. Sie taten nicht nur so, als würde ihnen die Nachricht nichts ausmachen, es war auch so.
Er war erschüttert. Mit so einer Reaktion hatte er keinesfalls gerechnet.
Langsam und sachlich berichtete er über die Vorgänge. Er liess nichts aus, milderte nur ab und zu ein wenig ab und blieb ansonsten streng bei der Wahrheit.
Als er geendet hatte, war es still.
„Das musste ja mal so kommen“, ächzte ihr Vater, als er sich erhob und zum Fenster ging.
„Und jetzt wollen Sie uns noch befragen?“, fragte seine Frau.
„Dies wird dann eine Kollegin für mich übernehmen“, stammelte Forchel. Er fühlte sich selber nicht mehr in der Lage dafür.
Nachdem er in ihre unbeteiligten Gesichter noch ein paar Beileidsworte gesprochen hatte, verabschiedete er sich von ihnen und trat wieder nach draussen.
Er setzte sich in seinen Wagen und gab Gas.
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