Rezension: Oben Erde, unten Himmel

Oben Erde, unten Himmel - Milena Michiko Flašar

Beschreibung des Verlages:

»Alleinstehend. Mit Hamster«, so beschreibt sie sich selbst. Suzu lebt in einer japanischen Großstadt. Unscheinbar. Durchscheinend fast. Der neue Job aber verändert alles. Ein umwerfender Roman über Nachsicht, Umsicht und gegenseitige Achtung.
Herr Ono ist unbemerkt verstorben. Allein. Es gibt viele wie ihn, immer mehr. Erst wenn es wärmer wird, rufen die Nachbarn die Polizei. Und dann Herrn Sakai mit dem Putztrupp, zu dem Suzu nun gehört. Sie sind spezialisiert auf solche Kodokushi-Fälle. »Fräulein Suzu«, wie der Chef sie nennt, fügt sich widerstrebend in die neuen Aufgaben. Es braucht dafür viel Geduld, Ehrfurcht und Sorgfalt, außerdem einen robusten Magen. Die Städte wachsen, zugleich entfernt man sich voneinander, und häufig verschwimmt die Grenze zwischen Desinteresse und Diskretion.
Suzu lernt schnell. Und sie lernt schnell Menschen kennen. Tote wie Lebendige, mit ganz unterschiedlichen Daseinswegen. Sie sieht Fassaden bröckeln und ihre eigene porös werden. Und obwohl ihr Goldhamster sich neuerdings vor ihr versteckt, ist sie mit einem Mal viel weniger allein.
Milena Michiko Flašar hat eine frische, oft heitere Sprache für ein großes Thema unserer Zeit gefunden. Und sie hat liebenswert verschusselte Figuren erschaffen, die man gern begleitet. Ein unvergesslicher, hellwacher Roman über die ›letzten Dinge‹.

Inhalt:
Suzu ist eine Einzelgängerin die sich aber perfekt und unauffällig in die Gesellschaft einfügen kann. Nachdem sie unerwartet ihre Stelle verliert und Angst hat, sich und ihren Hamster Punsuke nicht mehr lange ernähren zu können, bewirbt sie sich auf drei verschiedene Anzeigen. Von einem Arbeitgeber wird sie zu einem Gespräch eingeladen. Erst, als sie den Job bekommt, realisiert sie, mit welcher Arbeit sie es zu tun hat: ab sofort gehört sie zu einem Reinigungsunternehmen, das sich um die Aufräumarbeiten nach einem Kodokushi, einem "einsamen Tod" kümmert.
Erst beim Aufräumen fremder Wohnungen und Leben beginnt sie, auch in ihrem Leben ein wenig mehr Platz für sich und ihre Bedürfnisse zu schaffen.

Meine Meinung:
"Ich nannte in Krawatte" habe ich vor einigen Jahren gelesen und war komplett begeistert. Als ich mir dann das neueste Buch von Flašar ausleihen durfte, habe ich nicht gezögert. Aber ich war überrascht, wie zäh sich der Anfang für mich angefühlt hat. Dann aber habe ich die Figuren mehr und mehr ins Herz geschlossen. Suzus Chef, der im Buch nur "Herr Sakai" genannt wird, führt sein Unternehmen mit viel Gefühl und Humor. Er achtet die Verstorbenen und ihre Besitztümer, ist pragmatisch und zupackend und sorgt hinter seiner ein wenig strengen Fassade liebevoll für seine Angestellten. Seine Figur hat mir imponiert und obwohl mir natürlich bewusst war, dass Kodokushis, also Todesfälle einsamer Personen, die erst nach Wochen oder Monaten entdeckt werden, ein grosses Problem in eher anynomen Regionen sind, so habe ich mir vor der Lektüre dieses Buches nie überlegt, dass es (ähnlich den Tatortreinigern) eigene Reinigungsfachkräfte für Kodokushis geben könnte. In Japan ist dies der Fall. Und mit wie viel Würde und Respekt Suzu, ihr Mitarbeiter Takada und Herr Sakai jeden Tag an ihre Arbeit gehen, hat mich tief beeindruckt.

Schreibstil:
Ja, dieses Buch kann man riechen und ja, die Gerüche sind alles andere als angenehm. Wie Suzu gewöhnen wir uns aber beim Lesen daran. Dabei beobachten wir ausserdem, wie unsere Protagonistin beginnt, ihr eigenes Leben Woche für Woche ein wenig anders zu organisieren und Raum für neue Menschen, Routinen und Erlebnisse zu schaffen. Ganz zart beschreibt Flašar, wie sehr wir Menschen Gesellschaft brauchen und wie gut bereits kleinste Versuche des Kümmerns und Begegnens unsere Seele streicheln können.

Meine Empfehlung:
Auf "Oben Erde, unten Himmel" muss und darf man sich ein wenig einlassen und dann wird man mit schrulligen Figuren in einer bewegenden und zugleich humorvollen Geschichte über ein ernstes Thema unserer Zeit belohnt. Von mir gibt es eine herzliche Empfehlung für dieses zart erzählte Buch.

Zusätzliche Infos:
Titel:
Oben Erde, unten Himmel
Autorin: Milena Michiko Flašar, geboren 1980 in St. Pölten, hat in Wien und Berlin Germanistik und Romanistik studiert. Sie ist die Tochter einer japanischen Mutter und eines österreichischen Vaters. Ihre Romane »Ich nannte ihn Krawatte« und »Herr Kato spielt Familie« wurden mehrfach ausgezeichnet und in zahlreiche Sprachen übersetzt. Die Autorin lebt mit ihrer Familie in Wien.
Fester Einband mit Schutzumschlag: 304 Seiten
Sprache: Deutsch
Verlag: Klaus Wagenbach
Erschienen: 2.2.2023
ISBN: 978-3-8031-3353-3

5 Kommentare:

  1. Hi Livia,

    Das klingt echt gut. Ich würde total gerne mal meinen Lesehorizont erweitern und deswegen kommt das Buch jetzt auch mal auf meine Wunschliste.

    Liebste Grüße

    Sonja von Lovin Books

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    1. Liebe Sonja

      Wie schön, den Lesehorizont kann man ja gefühlt unbegrenzt erweitern. Ich wünsche dir bei deinem Vorhaben ganz viel Erfolg.

      Alles Liebe
      Livia

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  2. Hey Livia, das Buch sagte mir nichts, klingt aber durchaus nach einem, das mich auch überzeugen könnte, auch wenn es sicher Spuren hinterlässt. Aber gerade das ist ja das Schöne an Büchern.

    Zeilentänzerin

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    1. Liebe Zeilentänzerin

      Mier persönlich hat das Buch sehr gut gefallen und weil die Figuren so liebevoll erzählt sind, wird man auch durch die heftigeren Themen getragen, finde ich.

      Vielleicht magst du ja die Geschichte bald für dich entdecken.

      Alles Liebe an dich
      Livia

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  3. I'm thankful for the diversity of perspectives you bring to your topics.

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