Veronika beschliesst zu sterben

Veronika beschliesst zu sterben - Paulo Coelho

Beschreibung des Verlages:
Veronika, die schwarzhaarige junge Slowenin mit den grünen Augen, träumt von einer Pianistenkarriere. Doch sie hat ihren Lebenstraum einem ereignislosen Alltag im Nachkriegs-Ljubljana geopfert, ohne Herausforderung, ohne Risiko, ohne Passion. Eines Morgens beschliesst sie, diesem Leben ein Ende zu machen. Doch die Überdosis Schlaftabletten befördert sie nicht, wie erhofft, in den Tod, sondern in eine Irrenanstalt. Als sie erwacht, teilen ihr die Ärzte mit, sie sei herzkrank und habe nur noch wenige Tage zu leben. Angesichts des Todes lernt Veronika nicht nur zu überleben, sondern mit allen Fasern zu leben: Binnen weniger Tage durchmisst sie, umgeben von ihren Mitpatienten, alle Höhen und Tiefen des Lebens, beginnt für ihre Zukunft zu kämpfen und verliebt sich zum ersten Mal. Der Roman knüpft an eine dramatische Zeit in Coelhos eigenem Leben an, als er zwischen 18 und 20 mehrmals in eine psychiatrische Heilanstalt eingeliefert wurde. Coelho hat mit "Veronika beschliesst zu sterben" ein wunderbares Buch über Normalität und Anderssein geschrieben, über die nötige Prise Verrücktheit, die es zum Leben braucht, sowie über den Mut, den eigenen Lebenstraum Wirklichkeit werden zu lassen.

Meine Meinung:
Zum zweiten Mal versuchte ich mich an einem Coelho und wollte diesem so bekannten Autor noch eine Chance geben, nachdem ich von "Untreue" alles andere als begeistert war. "Veronika beschliesst zu steben" liegt schon ziemlich lange auf meinem SuB und das wollte ich nun endlich ändern. Schliesslich muss ich immer wieder Platz für neue Bücher schaffen.
Ich muss sagen, dass mich der Schreibstil sehr überzeugen konnte. Ich mochte die flüssige Sprache, die schön gebauten Sätze und die sehr bildhaften Beschreibungen. Dafür und vor allem auch, dass der Roman nicht so oberflächlich war wie "Untreue" kann ich dieses Buch nur loben.
Zwei Punkte gibt es aber, die ich als negativ vermerken muss:
Zuerst einmal wusste ich von der ersten Seite an, wie dieses Buch enden würde und zwar im Detail. Es war einfach absolut sonnenklar und vorhersehbar und ich habe bis zum Schluss auf eine grosse Überraschung gewartet, die leider einfach nicht kam.
Der zweite Punkt betrifft die pseudophilosophischen und religiösen Belehrungen, die der Autor auch in diesem Roman einbringt. Warum bitte sollten einfache Bewohner von einer Psychiatrie in Slowenien, die bisher ohne grosse Auftritte geblieben sind, plötzlich aufstehen, einen klaren Moment haben und etwas von Religion palavern, das überhaupt nicht zu ihnen und ihrer Person passt? Warum muss der Autor uns seine Ansichten so sehr wie die Faust aufs Auge drücken, nicht als mögliche Sichtweise, sondern arrogant und belehrend von oben, von seiner "höheren Sphäre" herab?

Schreibstil und Handlung:
Den Schreibstil habe ich oben schon gelobt. Mit der Lektüre dieses Buches konnte ich zum ersten Mal nachvollziehen, warum Coelho als so grosser und gefeierter Autor gehandelt wird. Die Schönheit seiner ganz persönlichen, manchmal sehr blumigen und manchmal auch sehr schlichten Sprache hat mich ungemein fasziniert. Jede neue Szene hatte mich schon nach den ersten Sätzen gefangen und ich war jeweils sofort in einer neuen Stimmung und konnte mich sehr gut einfühlen.
Nur die religiös-philosophischen Ergüsse haben mich genervt. Ich weiss, dass Coelho als grosser Denker und fast schon Philosoph bekannt ist, aber dies ist er meiner Meinung nach definitiv nicht. Ich finde es schön, wenn ein Autor in seinen Bücher eigene Betrachtungen anstellt und verschiedene andere Denkweisen zitiert oder auch begründet kritisiert. Was Coelho tut, nervt mich aber einfach nur. Er stellt seine persönliche Sicht als göttliche Eingebung, als DIE Wahrheit dar und zwingt sie dem Leser auf. Wer die Meinung des Autors nicht teilt oder zu hinterfragen wagt, wird gleich im nächsten Satz als unwissend disqualifiziert. Mir zumindest scheint es so und ich denke, dass ich nicht die einzige bin, die mit diesen Belehrungen nichts anzufangen weiss.
Auch von der Handlung war ich fasziniert. Wenn sie nur nicht so vorhersehbar gewesen wäre...
Der Klinikalltag und Veronikas Entschluss, ihre Gedanken und ihre persönliche Lebensgeschichte werden sehr authentisch erzählt. Auch die veralteten Therapien, die finanzielle und menschliche Gratwanderung der Klinikleitung und die Geschichte von Sloweniens Gesellschaft nehmen einen wichtigen Platz im Roman ein und hätten meiner Meinung nach sogar noch ein wenig ausführlicher thematisiert werden dürfen.

Veronika:
Es gibt einige spannende und wichtige Personen im Buch, doch die Person, die alle Fäden zusammen hält und die auf das Leben jeder anderen Person einen Einfluss hat, ist Veronika. Eigentlich will sie gar niemandem zur Last fallen und sie will auch nicht, dass sich andere Menschen wegen ihr den Kopf zerbrechen. Ja, eigentlich möchte sie ja nicht einmal mehr leben. Aber trotzdem geschieht genau dies und ihr eigenes Leben und ihr persönliches Schicksal hat plötzlich einen von ihr ungewollten Einfluss auf den Alltag so vieler anderen Leute. Dies liegt an ihrer starken Persönlichkeit, aber auch an der Verletzlichkeit, die sie umgibt und es liegt an ihrem prophezeiten Schicksal, das wie ein Damoklesschwert über ihren letzten Tagen in der Klinik hängt.
Wie sie damit umgeht, was sie aus ihren letzten Stunden macht und wie sie andere Menschen aus deren Lethargie aufwecken kann, ist vom Autor fantastisch dargestellt und dafür verdient er meinen vollen Respekt.

Meine Empfehlung:
Trotz zwei negativer Punkte empfehle ich das Buch aufgrund seines Schreibstils und der sehr durchdachten Handlung weiter. Ich werde mir in absehbarer Zeit aber sicher kein Buch von Coelho mehr kaufen, weil ich mich leider bisher nur über ihn aufregen musste. Sollte sich aber die Gelegenheit bieten, wieder einmal an ein Rezensionsexemplar zu kommen, werde ich zuvor ein paar Kritiken lesen und dies mir dann vielleicht sogar zustellen lassen. Der Autor hat wegen seinem erzählerischen Potential eine dritte und letzte Chance verdient.

Zusätzliche Infos:
Titel: Veronika beschliesst zu sterben
Originaltitel: Veronika decide morrer
Autor: Paulo Coelho
Taschenbuch: 224 Seiten
Sprache: Deutsch
Originalsprache: Portugiesisch
Übersetzt von: Maralde Meyer-Minnemann
Verlag: Diogenes
Erscheinungsdatum: Januar 2002
Preis: sFr 14.90
ISBN: 978-3-257-23305-6

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