Rezension: Wie ein fernes Lied

Wie ein fernes Lied - Micaela Jary

Beschreibung des Verlages:
Hamburg,1939: Verzweifelt sieht Marga dem Zug hinterher, mit dem ihr Jugendfreund Michael in die Ferne reist. Seit sie denken kann, ist sie in den jüdischen Klarinettisten verliebt, zahllose Stunden verbrachte sie mit ihm in den Tanzlokalen der Hamburger Swingjugend. Obwohl seine Herkunft ihn zur Emigration nach Paris zwingt, ist Marga fest entschlossen, ihn wiederzusehen. Denn ihre Liebe ist wie ein Lied, das niemals verklingt. Doch in dessen süße Melodie mischen sich schon bald die kalten Klänge des Krieges ...

Inhalt: 
Marga singt und tanzt den Swing, während Michael die Klarinette spielt. Nur ist Marga eine deutsche junge Frau und Michael ist Jude und muss aus Hamburg flüchten, bevor die Nazis ihn zu fassen bekommen. Marga schafft es, in einem Tanzorchester als Sängerin aufgenommen zu werden und begibt sich auf eine Tournee, die sie ihrem geliebten Michael näherbringen soll. Wie gefährlich diese Reise ist und dass sie mit ihrer naiven, liebesblinden Art nicht nur sich selber, sondern auch ihr Umfeld grossen Risiken aussetzt, ist ihr jedoch nicht bewusst. Zum Glück ist da aber noch Harald, der Leiter des Tanzorchesters, der sich stets als grosser Beschützer aufspielt. Als er sich Marga eines Tages nähert, ist sie sich ihrer Gefühle und ihrer Überzeugung, für das Gute einzustehen, plötzlich nicht mehr sicher.

Meine Meinung:
Erst nach etwa fünfzig Seiten habe ich den Einstieg in dieses Buch gefunden. Die Autorin hat alles darangesetzt, so viele musikalische Bezüge, wie nur irgendwie möglich zu schaffen, was mich dann eher ein wenig gelangweilt hat und mir auch ein wenig zu aufgesetzt wirkte. Vielleicht geht es nicht-Musiker*innen anders, aber mir waren diese Bezüge, das fortwährende Nennen von Namen, Songtiteln und Komponisten ein wenig zu gewollt. Ausserdem schien der Anfang mit der Erwähnung sehr vieler Personen und ihrer Relationen zueinander und den vielen Dingen, die gleichzeitig passieren ein wenig holprig.
Nachdem ich mich mit dem ansonsten sehr flüssigen Schreibstil abgefunden hatte und die Autorin auch in der Geschichte angekommen schien - fortan verlief die Handlung nämlich stetig in einem angenehmen Tempo und ohne grösseres Chaos - riss mich der Sog dieser Geschichte mit.
Leider konnte der packende, berührende und leicht zu lesende Schreibstil aber nicht darüber hinwegtrösten, dass die Protagonistin ein wenig gar dümmlich und naiv dargestellt worden ist. Beispielsweise erkennt sie den Mann ihrer Träume aus der Ferne, er ist es dann aber bei näherer Betrachtung nicht, sie scheint sich einem Wunschtraum hingegeben zu haben und dann ist er es doch, weil sie irgendwie zu doof und verwirrt war, ihn zu erkennen. Und stets muss sie von Männern begleitet und beschützt werden, da sie sonst in irgendwelche gefährlichen Verstrickungen gerät, weil sie nicht realisiert, in welch angespannter und überwachter Zeit sie sich befindet. Bitte? Kann man so eine Geschichte - die eigentlich ein historischer Roman über eine starke Frauenfigur, das Musikerdasein als jüdischer Musiker zur Zeit der Judenverfolgung und eine grosse Liebe sein sollte, in der heutigen Zeit noch erzählen?

Handlungsentwicklung:
Die Idee, diese Geschichte in zwei Zeitebenen zu erzählen, hat es meiner Meinung nach in sich, an der Umsetzung happert es aber vor allem deshalb, weil einige sehr konstruiert aufgebaute Zusammenhänge, die erst später hätten gelüftet werden sollten, leider sehr vorhersehbar sind. Wenn es dann endlich zur Auflösung dieser Zusammenhänge kommt, fehlt dann natürlich der Aha-Moment, weil ja so oder so schon klar war, wie alles zusammenpassen muss. Somit hätte man sich diese Umwege auch sparen und die Geschichte wesentlich schlanker und vor allem ein wenig stringenter aufbauen können. Dass sich Micela Jary am Leben ihres Vaters und einer Musikergeneration, die stets zwischen Zensur, Spitzeln und persönlicher Leidenschaft leben musste, orientiert hat, hat mich aber beeindruckt. Genau so, wie die detaillierten und genauen Recherchen.

Fazit:
Leider konnte mich das Buch bis zum Ende nicht wirklich berühren und weil sich sowohl die Liebesgeschichte in der Vergangenheit als auch die Liebesgeschichte in der Gegenwart erstens ähnlich entwickelten und zweitens fast identisch konstruiert waren und weil mich zudem die so dümmlich dargestellte Marga irgendwann gar nicht mehr erreichen konnte, wird das Buch in den offenen Bücherschrank wandern, auch wenn ich die Handlungsidee und die grandiose Recherchenarbeit noch einmal hervorheben möchte.

Zusätzliche Infos:
Titel: Wie ein fernes Lied
Autorin: Micaela Jary wurde als Tochter des Filmkomponisten Michael Jary in Hamburg geboren. Sie wuchs in der Welt des Kinos und der Musik auf und arbeitete als Zeitungsredakteurin, ehe sie sich ganz der Schriftstellerei widmete. Seit vielen Jahren schreibt sie nun erfolgreich Bücher. Sie lebte lange in Paris und wohnt heute mit Mann und Hund in Berlin und München.
Sprache: Deutsch
Taschenbuch: 544 Seiten
Verlag: Piper 
Erschienen am: 10.08.2015 
EAN: 978-3-492-30613-3

2 Kommentare:

  1. Liebe Livia,
    ui, dass dieses Buch bei dir so schlecht abschneidet, hätte ich jetzt nicht gedacht! Mir hat es damals gefallen, als ich es gelesen habe.
    Interessant, dass wir hier einmal ziemlich auseinanderdriften ;)
    Liebe Grüße
    Martina

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    1. Liebe Martina

      Ja, das hat mich auch gewundert, ich habe mir nämlich definitiv mehr versprochen, vielleicht auch deshalb die mässige Kritik? Das Buch war mir zu seicht, langatmig und vor allem waren die Figuren leider sehr fantasielos gestaltet, die Autorin hat sich da nicht so ins Zeug gelegt, meiner Meinung nach...

      Ganz liebe Grüsse und dann hoffe ich, dass wir bald wieder ein Buch finden, bei dem wir einer Meinung sein werden ;-)
      Livia

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