Rezension: Unterwerfung
Unterwerfung - Michel HouellebecqBeschreibung des Verlages:
Es ist vielleicht der umstrittenste Roman der letzten Jahre:
›Unterwerfung‹ handelt vom Zusammenprall der Kulturen und stellt Fragen
zum Verhältnis von Orient und Okzident, von Judentum, Islam und
Christentum – Fragen, die heute so relevant sind wie nie.
Goncourt--Preisträger Michel Houellebecq präsentiert sich als
furchtloser Gesellschaftsdenker, der die bestimmenden
Spannungsverhältnisse unserer Epoche mit großer Ernsthaftigkeit – und
zugleich mit virtuoser Ironie – ausdeutet.
Er erzählt in ›Unterwerfung‹ die Geschichte des
Literaturwissenschaftlers François. Der Akademiker forscht im Frankreich
einer sehr nahen Zukunft zu dem dekadenten Schriftsteller Huysmans, der
ihn sein Leben lang fasziniert. Zugleich verfolgt er die Ereignisse um
die anstehende Präsidentschaftswahl: Während es dem charismatischen
Kandidaten der Bruderschaft der Muslime gelingt, immer mehr Stimmen auf
sich zu vereinigen, kommt es in der Hauptstadt zu tumultartigen
Ausschreitungen. Als schließlich ein Bürgerkrieg unabwendbar scheint,
verlässt François Paris ohne ein bestimmtes Ziel. Es ist der Beginn
einer Reise in sein Inneres.
Inhalt:
Der Literaturwissenschaftler und Universitätsprofessor François beobachtet in und um Paris beunruhigende Veränderungen, welche die nahende Präsidentschaftswahl begleiten: die Bruderschaft der Muslime erlangt mehr und mehr Stimmen und beginnt, die Macht im Land mit Plünderungen, Ausschreitungen und radikalen Vorschriften an sich zu reissen und zu verteidigen. Gleichzeitig verändert sich auch das Privatleben des Protagonisten und lediglich der Mann einer Arbeitskollegin scheint seine Sorgen um die eigene Heimat, die eigenen Werte und Traditionen zu verstehen. Als François Paris auf gut Glück verlässt, muss er sich bewusst werden, in welche Richtung sich seine persönliche und berufliche Zukunft entwickeln soll, damit er sich selber vor dem privaten Verfall retten kann.
Meine Meinung:
Ein paar Jahre nach dem Erscheinungstag der französischen Originalausgabe (der ausgerechnet auf den Tag des Anschlags auf Charlie Hebdo fiel) habe ich mit ein wenig Abstand zum Geschehen dieses Buch gelesen, weil ich mir endlich selber eine Meinung zum Buch bilden wollte. Ich bin mir sicher, dass dieses Buch hauptsächlich eine sehr provokative Satire ist, die zwar mit teilweise fragwürdigem Humor aufspielt, aber gleichzeitig auch einen fesselnden Sprachsog erzeugt, dem ich mich nicht entziehen konnte. Die Hauptfigur ist ein sexistisches Arschloch, das zwar mit Mitte vierzig im besten Alter sein sollte, aber bereits äusserst verlebt wirkt und sich aufgrund seines Lebenwandels zu recht Sorgen um seine Gesundheit zu machen beginnt. Dabei wird ein fasznierender Einblick in die Innenwelt von François geboten.
"Unterwerfung" ist in meinen Augen kein rassistisches Buch, sondern ein - durchaus an die Grenzen des guten Geschmacks gehendes - intellektuelles Gedankenexperiment, dessen Erscheinungstermin leider unter einem schrecklich schlechten Stern stand. Das Buch ist eine Satire, die mit den Stereotypen sowohl der französischen Kultur (Entenleber, Weisswein und Zigaretten), als auch der Muslimischen Religion (Polygamie, diskriminierte und verhüllte Frauen) spielt und zudem sehr gesellschaftskritisch die französische "Elite" in Presse, Politik und Bildung an den Pranger stellt. Deren Bequemlichkeit, Sexismus und Akeptanz der von der neuen muslimischen Regierung konstruierten Privilegien - die aber natürlich dafür sorgen, dass andere Menschen, respektive vor allem Frauen, stark diskriminiert werden - ist nämlich mitschuldig daran, dass die Bruderschaft der Muslime es so leicht hat, an die Macht zu kommen und Frankreich fast problemlos zu übernehmen. Keine einzige Figur in diesem Buch kommt gut weg und trotzdem ist es faszinierend, diese Geschichte zu lesen, sich eigene Gedanken dazu zu machen, dabei diverse Szenarien durchzuspielen und am Ende wieder in die eigene Realität zurückzukehren und dabei erleichtert aufzuatmen.
Schreibstil:
Der Schreibstil von Michel Houellebecq erinnert mich ein wenig an den Stil von Charles Bukowski, Houellebecqs Sprache wirkt aber ein wenig gewollter (vor allem in Bezug auf die provokative und sexistische Art) und ausserdem weniger schrullig-liebenswert, sondern definitiv kantiger und abweisender als Bukowskis Sprache. Rezensionen zu Bukowskis Bücher und meine Meinung zu seinem Schreibstil findet ihr HIER und HIER.
Houellebecqs Sprache erzeugt ausserdem einen unfassbaren Sog. Sie erzählt eine Geschichte, die fasziniert und gleichzeitig anwidert und ich bin mir sicher, dass dies genau der Effekt ist, den der Autor erreichen will. Sie scheint gleichzeitig intellektuel, fliesst aber auch immer mal wieder ziemlich leicht daher und vor allem die letzten hundert Seiten des Buches habe ich sicher auch deshalb komplett in einem Rutsch verschlungen.
Meine Empfehlung:
Meiner Meinung nach kommt man nicht um diese Lektüre herum, wenn man sich selber eine Meinung bilden, mitreden und sich fesseln, provozieren und auch ein wenig schockieren lassen will. "Unterwerfung" ist ein Buch, das zum Nachdenken anregt, aber auch nach dem passenden Lesezeitpunkt verlangt. Den habe ich definitiv erwischt, weshalb ich eine Leseempfehlung für dieses Buch ausspreche.
Zusätzliche Infos:
Titel: Unterwerfung
Originaltitel: Soumission
Autor: Michel Houellebecq, 1958 geboren, gehört zu den wichtigsten Autoren der
Gegenwart. Seine Bücher werden in über vierzig Ländern veröffentlicht.
Für den Roman ›Karte und Gebiet‹ (2011) erhielt er den renommierten
französischen Literaturpreis, den Prix Goncourt. Sein Roman
›Unterwerfung‹ (2015) stand wochenlang auf den Bestseller-
listen und wurde mit großem Erfolg für die Theaterbühne adaptiert und
verfilmt. Zuletzt erschien ›Serotonin‹ (2019).
Sprache: Deutsch
Aus dem Französischen von: Norma Cassau, Bernd Wilczek
Taschenbuch: 272 Seiten
Verlag: Dumont
Erscheinungstag: 20.06.2016
ISBN: 978-3-8321-6359-4
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