Rezension: Kurt

 Kurt - Sarah Kuttner

Beschreibung des Verlages:
Von der Suche nach Familie, der Sehnsucht nach dem richtigen Ort und darüber, dass nichts davon planbar ist
»Ich bin mit zwei Kurts zusammengezogen. Einem ganzen Kurt und einem Halbtagskurt. Jana und Kurt haben sich entschieden, dass sie ihr Sorgerecht teilen, vor allem wenn Kurt schon extra aufs Land zieht. Und so pendelt das Kind nun wochenweise zwischen seinen beiden Oranienburger Zuhauses hin und her: zwei Häuser, zwei Kinderzimmer, unterschiedliche Regeln und alle Menschen, die er liebt.
Und dann bin da noch ich.«
Lena hat mit ihrem Freund Kurt ein Haus gekauft. Es scheint, als wäre ihre größte Herausforderung, sich an die neuen Familienverhältnisse zu gewöhnen, daran, dass Brandenburg nun Zuhause sein soll. Doch als der kleine Kurt bei einem Sturz stirbt, bleiben drei Erwachsene zurück, die neu lernen müssen, wie man lebt. Sarah Kuttner hat einen Roman über Trauer geschrieben, über die Kraft, die Menschen entwickeln können und darüber, dass es auf manche Fragen keine Antworten gibt. »Kurt« erzählt auf zarte, humorvolle, vor allem aber unaufgeregte Weise davon, wie man sich wiederfindet nach einem schrecklichen Verlust, und wie man für jemanden da sein kann, der untröstlich ist.
Sarah Kuttner erzählt von einer ganz normalen komplizierten Familie, davon, was sie zusammenhält, wenn das Schlimmste passiert. Sie erzählt von dieser Tragödie direkt und leicht und zugleich mit einer tiefen Ernsthaftigkeit, so einfach und kompliziert, wie nur Sarah Kuttner das kann.

Inhalt:
Lena liebt Kurt, Kurt liebt Kurt, seinen Sohn und gemeinsam leben sie jeweils wochenweise als Familie zusammen, bis der kleine Kurt wieder zu seine Mutter Jana zieht. Niemand ist dabei und niemand trägt die Schuld, als der kleine Kurt bei einem Sturz vom Klettergerüst stirbt, aber sie alle bleiben zurück als unfertiges Konstrukt, das eigentlich nur durch den kleinen Menschen zusammengehalten worden ist. Aber Kurt fehlt und kommt definitiv nicht mehr zurück und so ist es nun an den Erwachsenen, ihren Platz im Leben neu zu finden. Immer wieder geht es dabei um Lena, die mitten im Geschehen und doch eine Aussenstehende ist und die vor allem ihre Beziehung zum grossen Kurt retten, für ihn da sein und selber nicht zerbrechen will.

Meine Meinung:
Erst gerade habe ich "Mängelexemplar" von Sarah Kuttner gelesen und leider so gar nicht gerne gemocht. Vor allem die auf mich unfertig und oberflächlich wirkende Sprache hat mich überhaupt nicht überzeugt und deshalb war ich sehr neugierig auf "Kurt" und wollte mich unbedingt eines Besseren belehren lassen. Gleich zu Beginn kann ich sagen, dass ich eine ganz neue Sprache entdeckt habe, die ungeschönt beschreibt und Wert auf die kleinen, feinen Details legt. Details, die mir in "Mängelexemplar" so sehr gefehlt haben. Sprache, die es schafft, unendlichen Schmerz durch kleine Gesten oder Wortwechsel der Protagonisten auszudrücken. Ja, einmal plätschert die Geschichte nach den ersten packenden fünfzig Seiten und einmal in der Mitte des Buches ein wenig gar langsam vor sich hin, aber im Grossen und Ganzen hat mich das Buch für sich einnehmen und vor allem überzeugen können.
Zuerst war ich allerdings überrascht davon, dass mich Kurts Tod nicht komplett erschüttert und berührt hat. Die ganze Tragik der Handlung ist aber - mit Sicherheit absichtlich - nicht rund um den Tod des Kindes aufgebaut worden. Die Tragik zeigt sich nachher, im Leben der Hinterbliebenen. Sie zeigt sich durch einen grossen Kurt, der nächtelang Fliesen von den Badezimmerwänden schlägt und sich mit seinem besten Freund prügelt. Der für Lena wochenlang nicht wirklich ansprechbar ist und der sich ins Bett des kleinen Kurts zurückzieht, wenn er nicht mehr kann. Und die Tragik zeigt sich auch durch die Rolle von Lena, die schon in der Patchworksituation oft die Aussenstehende war und nun erst recht nicht mehr viel zu sagen hat, obwohl auch sie um den kleinen Kurt trauert. Diese vielen einzelnen Fäden der Geschichte, lose Gedanken, überwältigende Gefühle und kleine Gesten (vor allem Lenas Garten und ihre tiefe Liebe zu den einzelnen Pflanzen, welche mich tief berührt hat), verbinden sich stimmig zu einem überzeugenden Ganzen.

Meine Empfehlung:
Ja, ich habe "Kurt" wirklich gerne gelesen und die Figuren und ihre Handlungen (abgesehen von Lenas Fernbleiben der Beerdigung) sehr gut nachvollziehen können. Man ist nicht nur Mensch, wenn man zurückbleibt, man ist auch Partner, Elternteil, Arbeitnehmer und Teil einer Gesellschaft, welche den Tod oft verdrängt. Diesen spannenden und so aus dem Leben gegriffen beschriebenen Spagat und die Geschichte, welche Lena immer mehr ins Zentrum rückt, hat mich wirklich für sich einnehmen und überzeugen können.

Zusätzliche Infos:
Titel: Kurt
Autorin: Sarah Kuttner wurde 1979 in Berlin geboren und arbeitet als Moderatorin. Sie wurde mit ihren Sendungen »Sarah Kuttner – Die Show« (VIVA) und »Kuttner.« (MTV) bekannt und arbeitete mehrfach für die ARD. Bei zdf.neo hat sie das Großstadtmagazin »Bambule« und die Talkshow »Kuttner plus Zwei« moderiert. Seit 2016 produziert und moderiert sie die monatliche Veranstaltungsreihe »Kuttners schöne Nerdnacht« und seit 2017 moderiert sie gemeinsam mit Stefan Niggemeier den Podcast »Das kleine Fernsehballett« auf Deezer. Ihre Kolumnen für die Süddeutsche Zeitung und den Musikexpress wurden im Fischer Taschenbuch Verlag veröffentlicht. Ihr erster Roman »Mängelexemplar« erschien 2009 und stand wochenlang auf der Bestsellerliste. Danach erschienen die Romane »Wachstumsschmerz« (2011),  »180 Grad Meer« (2015) und »Kurt« (2019). Sarah Kuttner lebt in Berlin.
Sprache: Deutsch
Taschenbuch: 240 Seiten
Verlag :FISCHER Taschenbuch
Erscheinungstermin: 28.10.2020
ISBN: 978-3-596-52303-0

Rezension: Das Winterkarussell

Dieses Rezensionsexemplar wurde mir vom Bloggerportal von Randomhouse zur Verfügung gestellt. Vielen herzlichen Dank an den Verlag Blanvalet.

Das Winterkarussell - Anna Liebig

Beschreibung des Verlages:

Ein nostalgisches Karussell im Schnee, verlorene Träume und ein neuer Anfang …

Nachdem die fünfzehnjährige Antonia ihre Mutter bei einem Unfall verloren hat, findet sie sich bei ihrem bislang unbekannten Großvater Otto auf dessen Bauernhof im Taunus wieder. Die Annäherung zwischen dem mürrischen Greis und dem Teenager gestaltet sich schwierig – bis Antonia ein altes Karussell in der Scheune entdeckt. Sie ist ganz verzaubert von dem nostalgischen Fahrgeschäft, und eines Abends beginnt ihr Großvater schließlich zu erzählen: von damals, als er noch ein junger Schausteller war und sich auf dem Weihnachtsmarkt in Frankfurt zum ersten Mal im Leben unsterblich verliebte …
Ein modernes Weihnachtsmärchen – perfekte Unterhaltung für kuschelige Winterabende!

Inhalt:
Antonia hat vor Jahren ihren Vater verloren und als nun auch noch ihre Mutter bei einem Unfall verstirbt, ist sie plötzlich Vollwaise. Sie wird vorübergehend in einem Heim untergebracht und erfährt zufällig, dass sie einen Grossvater hat, der einsam in einem kleinen Dörfchen lebt. Trotzdem versucht sie ihr Glück und überrascht ihn auf seinem Hof. Nach anfänglichen Schwierigkeiten kommen sich die beiden näher und Antonia verliebt sich Hals über Kopf in das alte Karussell, das ihr Grossvater wie einen Schatz hütet. Nach und nach erfährt sie die traurige Geschichte, welche sich hinter dem liebevoll erhaltenen Schmuckstück verbirgt und lernt dabei ihren Grossvater und auch das Karussell noch einmal von einer ganz anderen Seite kennen und erlebt mit ihm und seiner Nachbarin Gerda, sowie Justus, dem Sohn eines nicht ganz angenehmen Nachbars ihres Grossvaters, ein märchenhaftes Abenteuer.

Meine Meinung:
Dieses Buch passt perfekt in die Vorweihnachtszeit und auch wenn der Vergleich mit Heidi und dem Almöhi hinkt (obwohl er leider auch im Buch vorkommt, was irgendwie unpassend ist), haben mich Antonia und ihr Grossvater Otto für sich eingenommen und das "alte Mädchen", wie sein Karussell von Otto liebevoll genannt wird, sowie die wundervolle Umgebung rund um den Römer in Frankfurt und den Frankfurter Weihnachtsmarkt, haben mich verzaubert. Nicht nur, weil ich den Ort auch schon besucht habe (leider allerdings nicht zur Weihnachtszeit, hier kommt ihr zum Post), sondern weil die ganzen architektonischen und historischen Details so überraschend genau recherchiert und beschrieben sind. Im Nachwort erfuhr ich auch, warum: die Autorin schreibt eigentlich historische Romane und sie hat die Geschichte von Frankfurt genauestens studiert und mit Hilfe von Karten und alten Fotografien dafür gesorgt, dass die beschriebenen Orte wirklich der (damaligen) Realität entsprechen. Das Buch ist nämlich in zwei Zeitebenen erzählt: einmal 1938, also kurz vor dem zweiten Weltkrieg, und dann noch 1990, dem "Gegenwartsstrang".

Sprache:
Es erstaunt vielleicht ein wenig, dass die Autorin ihren "Gegenwartsstrang" in das Jahr 1990 verlegt hat, aber mir leuchtet das total ein. Eine Zeit, in der es keine Handys gibt und man sich Musik noch mit einem Walkman anhört, passt einfach besser zu dieser historischen Kulisse und somit wirkt alles noch ein wenig mehr "retro", als es sonst wäre. Ausserdem finde ich es sehr gelungen gemacht, die Sprache, die Beschreibungen und auch die Ruhe, welche der Erzählung innewohnt, passen perfekt in das Jahr 1990. Ich bin wirklich positiv überrascht von der aussergewöhnlichen Geschichte, der sehr detailverliebten Erzählsprache, den schrulligen aber dadurch um so liebeswerteren Figuren und der mutigen, starken Protagonistin Antonia. Einzig das Ende war mir ein wenig zu schnell, schnell erzählt, schliesslich sind es - ohne zu viel verraten zu wollen - in meinen Augen zwei Herzen, die Otto erobert hat und das wird dann plötzlich ein wenig gar abrupt abgehandelt, was total schade ist. Zwanzig Seiten mehr hätten da schon gereicht und der Geschichte sicher gut getan.

Meine Empfehlung:
Dem ein wenig gar plötzlichen Ende zum Trotz ist dieses kitschige Wintermärchen mit der ungewöhnlichen Handlung und der toll recherchierten Erzählung ein kleiner Schatz im Bücherregal und macht inhaltlich und optisch sehr, sehr viel her. Es passt perfekt in die Vorweihnachtszeit und zaubert noch den grössten Weihnachtsmuffeln ein Lächeln ins Gesicht und ein wenig Wärme ins Herz.

Zusätzliche Infos:
Titel:
Das Winterkarussell
Die Autorin: Anna Liebig ist das Pseudonym von Nicole Steyer, einer erfolgreichen Autorin historischer Romane. Sie lebt mit ihrem Mann und ihren zwei Töchtern im Taunus. Bereits mit acht Jahren begann sie, Geschichten zu erfinden und niederzuschreiben. »Das Winterkarussell« ist ihre Liebeserklärung an die schönste Zeit des Jahres: Weihnachten.
Sprache: Deutsch
Taschenbuch: 336 Seiten
Verlag: Blanvalet
Erschienen am:  21. September 2020
ISBN: 978-3-7341-0887-7

Rezension: Adventszeit in der Valerie Lane

Dieses Rezensionsexemplar aus dem Südwest Verlag hat mich via Bloggerportal von Randomhouse erreicht. Vielen herzlichen Dank.
 
Adventszeit in der Valerie Lane - Manuela Inusa

Beschreibung des Verlages:

Das Glück der kleinen Dinge - das Geschenkbuch zur erfolgreichen Valerie-Lane-Romanreihe Die Valerie Lane ist die romantischste Straße Oxfords und Heimat der wunderbaren kleinen Läden von Laurie, Keira, Ruby, Susan und Orchid, den Heldinnen der erfolgreichen Romane von Manuela Inusa. Zu den liebevoll erzählten Geschichten gibt es endlich auch die Lieblingsrezepte, schöne Gedanken und zauberhafte DIY-Projekte der fünf Freundinnen. Passend zur kalten Jahreszeit verraten sie ihre Lieblingsteemischungen und wärmende Rezepte, die Anleitungen für hübsche Wanddekorationen, einfache Strickprojekte, entzückende Adventskalender und wunderbaren Baumschmuck oder bezaubernde Tischdeko. Jeder findet sein Lieblingsprojekt, viele Schritt-für-Schritt-Anleitungen machen die Umsetzung gelingsicher und führen auch Anfänger zum Erfolg. Zahlreiche persönliche Tipps, Eintragseiten, Playlisten und warmherzige Gedanken laden ein zum Kreativwerden, Ausprobieren, Genießen oder einfach nur zum Schmökern.

Das findet ihr im Buch:
Dieses Buch beinhaltet alles, was Weihnachten wundervoll macht. Kleine, einfache Bastelprojekte mit Naturmaterialien, Rezepte (vegetarisch und vegan möglich), Tipps, um zur Ruhe zu kommen und sich ganz achtsam mit sich und dem Umfeld auf die schönste Zeit des Jahres vorzubereiten. Auch alle, welche gerne Dinge upcyceln oder umfunktionieren, Reste aus der Vorratskammer oder dem Kleiderschrank aufbrauchen und selbstgemachte Grüsse aus der Küche und von Herzen kommende Basteleien verschenken wollen, ist hier vieles dabei. Immer wieder kann man durch die Ideen im Buch die Wohnung und sich selber ein wenig auf Weihnachten einstimmen.

Beispielsweise, indem man Listen erstellt für:
- die Geschenke, die man noch besorgen/basteln möchte
- die Karten, die man noch basteln/schreiben möchte
- die optimale Weihnachtsplaylist (meine Weihnachtsplaylist steht seit Ostern fest, wer bietet mehr? ;-) )

Indem man sich in der Küche austobt und:
- eigene Teemischungen erstellt
- die ersten Plätzchen backt
- ein (vegetarisches) Weihnachtsmenü zusammenstellt

Indem man mit Naturmaterialien und Resten aus dem Wollschrank:
- Girlanden bastelt
- Geschenkanhänger verziert
- Vasen in Wolle verpackt
- Christbaumkugeln verschönert

Und für alle diese Punkte (und noch viel mehr), gibt es zahlreiche bunt und liebevoll bebilderte Anleitungen und Empfehlungen und ausserdem ganz viele persönliche Tipps und Tricks der Autorin. Für Fans der Reihe finden sich zudem noch einige (Insider-)Informationen rund um die Valerie Lane im Buch

Meine Meinung:
Mit der Reihe rund um die romantischste Strasse der Welt verbinden mich gemischte Gefühle. Einerseits habe ich dort einige meiner schönsten und kitschigsten Lesestunden verbracht (vor allem in Bezug auf die kulinarischen Köstlichkeiten und die weihnachtliche Stimmung), andererseits haben das rückständige Frauenbild und die zahlreichen Wiederholungen rund um die Berufe der Protagonistinnen auch für einiges an Kopfschütteln meinerseits gesorgt. Lest hier die Rezension zum ersten Band der Reihe. Von dort aus könnt ihr euch weiterklicken. Letztendlich überzeugt, dieses Buch anzufragen, haben mich die tollsten Hühner der Welt vom Blog Lesendes Federvieh. Ihre Begeisterung für das Buch ist förmlich auf mich übergeschwappt und sie haben nicht zu viel versprochen. Dieses Buch animiert wirklich dazu, sofort mit dem Basteln anzufangen und zugleich auch selber ein wenig zur Ruhe zu kommen. Die Seiten sind wunderschön und liebevoll gestaltet und die Ideen enorm vielseitig zusammengestellt. Ein einziger Kritikpunkt für mich ist der ein wenig gar knapp bemessene Platz bei den Listen und. Aber ich weiss so oder so noch nicht, ob ich wirklich ins Buch hineinschreiben möchte, da ich die Listen sonst nur einmal befüllen kann (abgesehen von der optimalen Weihnachtsplaylist, of course :-D ).

Meine Empfehlung:
Ich empfehle euch dieses Buch von Herzen weiter und wer jetzt noch ein paar November- und Dezembergeburtstagskinder beschenken oder einen Adventskalender befüllen möchte, ist ebenfalls bestens damit beraten.

Zusätzliche Infos:
Titel:
Adventszeit in der Valerie Lane: Vorweihnachtliche Rezepte, Gedanken und DIY
Autorin: Manuela Inusa wurde 1981 in Hamburg geboren und wollte schon als Kind Autorin werden. Kurz vor ihrem dreißigsten Geburtstag sagte die gelernte Fremdsprachenkorrespondentin sich: »Jetzt oder nie!« Nach einigen Erfolgen im Selfpublishing erscheinen ihre aktuellen Romane bei Blanvalet. Ihre Valerie-Lane-Reihe verzauberte die Herzen der Leserinnen und eroberte auf Anhieb die SPIEGEL-Bestsellerliste, genau wie ihre aktuelle Kalifornische-Träume-Reihe. Die Autorin lebt mit ihrem Ehemann und ihren beiden Kindern in einem idyllischen Haus auf dem Land. In ihrer Freizeit liest und reist sie gern, außerdem liebt sie Musik, Serien, Tee und Schokolade.
Sprache: Deutsch
Flexbroschur: 144 Seiten, ca. 130 Farbfotos
Verlag: Südwest Verlag
Erschienen am: 14.09.2020
ISBN: 978-3-517-09965-1

Rezension: Generation Haram

Dieses Buch hat mich aus dem Zsolnay-Verlag (Hanser Literaturverlage) erreicht und ich bedanke mich sehr herzlich für dieses Rezensionsexemplar.

Generation Haram - Melisa Erkurt

Beschreibung des Verlages:
„Das Buch von Melisa Erkurt sollte Lektüre werden in der Ausbildung von Pädagog*innen und Lehrkräften. Es zeigt präzise, pragmatisch, konstruktiv die Verfehlungen und Unwegsamkeiten der Bildungssysteme, in denen viele Kinder aus ‚bildungsfremden‘ Familien auf der Strecke bleiben … Eine Wucht!“ Saša Stanišic
Melisa Erkurt ist als Kind mit ihren Eltern aus Bosnien nach Österreich gekommen. Sie hat studiert. Sie arbeitet als Lehrerin und Journalistin. Sie hat es geschafft. Doch sie ist eine Ausnahme. Denn am Ende eines Schuljahres entlässt sie die Klasse mit dem Wissen, dass die meisten ihrer Schülerinnen und Schüler nie ausreichend gut Deutsch sprechen werden, um ihr vorgezeichnetes Schicksal zu durchbrechen. Hier wächst eine Generation ohne Sprache und Selbstwert heran, der keiner zuhört, weil sie sich nicht artikulieren kann. Über den „Kulturkampf“ im Klassenzimmer befinden einstweilen andere. Melisa Erkurt leiht ihre Stimme den Verlierern des Bildungssystems. Nicht sie müssen sich ändern, sondern das System Schule muss neue Wege gehen.

Inhalt:
Melisa Erkurt schreibt über das Schulsystem in Wien, über ihren eigenen Weg bis hin zum Studium, Beruf als Lehrerin und Journalistin. Doch sie gilt als eine Ausnahme, als eine der wenigen "Vorzeigemigrantinnen", welche es in Österreich geschafft, die Sprache gelernt, Karriere gemacht und sich zum Vorbild für zahlreiche Kinder und Jugendliche hochgearbeitet haben. Aber es sind nicht die Eltern, welche ihre Kinder nicht unterstützen können, und nicht die Kultur, welche bei einigen ausländischen Kindern gelebt wird, welche den Kindern Steine in den Weg legen. Es sind auch nicht die Lehrpersonen, welche alleine die Schuld an dieser Misere tragen.
Es ist die Schulpolitik - respektive von bürgerlichen alten, weissen Männern gefällte Entscheide - welche gar nicht erst Spielraum lässt und vor allem für die Zusammensetzung der heute an vielen Orten anzutreffenden Schulklassen überhaupt nicht mehr zeitgemäss ist. Es sind die fehlenden Vorbilder und der gläserne Deckel, welche Kinder und Jugendliche gezielt in ihrem Werden beschneidet und genau dagegen schreibt Melisa Erkurt an. Sie zeigt Missstände auf, erzählt aber auch, welche Dinge und Menschen ihr geholfen haben, ihren Weg zu gehen.

Meine Meinung:
Zuerst einmal muss ich ehrlich sagen, dass ich schockiert bin von den Erlebnissen, die Melisa Erkurt aus ihrer eigenen Erinnerung als Schülerin und Lehrerin beschreibt, vom Rassismus und Sexismus, den sie am eigenen Leib erlebt hat und miterleben musste und auch vom Schulsystem, das wohl an einigen Orten in Wien anzutreffen ist. Auch haben mich die Schilderungen von Erkurts Familienleben sehr stark berührt. Ihr Vater erinnert mich an meinen Schwiegervater und einige der Kommentare und Vorurteile sind mir und meiner Schwiegerfamilie leider nur allzu vertraut, weshalb mich das Buch einige Male zum Weinen gebracht hat.
Was Erkurt an Rassismus - vor allem, aber nicht nur - gegen muslimische Kinder und Lehrpersonen schildert, ist harte Kost und wie gezielt sie auch auf die Sexismuskomponente eingeht (was fast noch verstörender zu lesen ist) und dafür plädiert, Mädchen und junge Frauen endlich zu stärken, ihnen eine Stimme zu geben und alle Jugendlichen - unabhängig von Geschlecht und Herkunft - besser und feministischer aufzuklären und auszubilden, hat mich so viele Ausrufezeichen in dieses Buch malen lassen.

Was lerne ich für meinen Beruf aus diesem Buch?
Es befällt mich eine Ohnmacht, wenn ich daran denke, dass ich auch Teil eines Schulsystems bin und in meinem so kleinen Bereich noch weniger erreichen kann, als Erkurt. Wer lernt ein Instrument an einer Musikschule? Kinder, deren Eltern es sich leisten können. Also in der Regel keine Flüchtlinge, schlecht Deutsch sprechende und nicht mit unserer Kultur vertrauten Kinder (obwohl der Instrumentalunterricht in der Schweiz für genau diese Kinder eigentlich bezahlt werden würde, aber es ist kaum möglich, deren Familien zu erreichen, weil sie oft so sehr beschäftigt damit sind, zu arbeiten und sich und ihre Kinder über Wasser zu halten). Gleichzeitig bin ich aber auch dankbar dafür, in einem eingiermassen stabilen Bildungssystem arbeiten zu dürfen und im Einzelunterricht noch gezielter und viel auführlicher auf jedes Kind eingehen zu können, als Lehrpersonen, welche komplett durchmischte Klassen mit viel zu vielen Kindern in viel zu engen Räumen unterrichten müssen, wie dies an einigen der Schulen geschieht, die Melisa Erkurt schildert.
Was lerne ich aber für mich und meinen Beruf aus dem Buch?
Es ist wichtig, noch sichtbarer zu sein, Eltern noch gezielter zu erreichen (gerade aktuell fast unmöglich) und sie auch auf die Stellen aufmerksam zu machen, welche ihren Kindern den Unterricht bezahlen, sofern er denn stattfinden kann. Ausserdem brauchen die Kinder und Familien Vorbilder und einmal mehr bin ich so froh, dass mein bosnischer Nachname bei Besuchstagen und Instrumentenparcours die Hemmschwelle bei Kindern und Eltern senkt und sie auf mich zukommen lässt.

Meine Empfehlung und Fazit:
Ich werde das Buch wohl noch vielen Menschen empfehlen, es wirft so wichtige Fragen auf und fasst schonungslos zusammen, was alles schief läuft, zeigt aber auch auf, wie dies verändert werden kann. Was wir alle lernen müssen: zu verstehen, dass multilinguale Menschen, die zudem vielleicht noch in mehreren Kulturen zu Hause sind und sich bereits sehr selbstständig um sich und ihre Ausbildung kümmern müssen, weil dies von ihren Betreuungspersonen nicht immer gewährleistet werden kann, in erster Linie eine Bereicherung sind. Nicht nur für unser Bildungssystem, sondern auch für unser alltägliches soziales Leben, unsere Politik und Kultur. Jungen Menschen eine Chance zu geben und an sie zu glauben kann aufreibend und mit vielen Hindernissen verbunden sein, aber nur weil eine Lehrerin ihr Vertrauen in Melisa Erkurt gehabt und sie permanent bestärkt hat, durfte ich dieses Buch lesen und haben so viele Menschen eine Stimme bekommen, die von dem System, in dem sie leben und ausgebildet werden zum Verstummen gebracht worden sind.

Zusätzliche Infos:
Titel: Generation Haram, warum Schule lernen muss, allen eine Stimme zu geben
Autorin: Melisa Erkurt, geboren 1991 in Sarajevo, war Redakteurin beim Magazin biber und zwei Jahre mit dem biber Schulprojekt „Newcomer“ an Wiener Brennpunktschulen unterwegs. Erkurt unterrichtete an einer Wiener AHS und ist seit September 2019 Redakteurin beim Report (Innenpolitik) im ORF. Sie schreibt eine wöchentliche Kolumne im Falter und ihre Kolumne in der taz heißt „Nachsitzen“.
Fester Einband: 192 Seiten
Sprache: Deutsch
Verlag: Zsolnay
Erscheinungsdatum: 17.08.2020
ISBN: 978-3-552-07210-7

Mein SuB kommt zu Wort, 20.11.20

 "Mein SuB kommt zu Wort"

Hallo ihr Lieben

Es ist wieder so weit und wir sind bei Annas SuB-Aktion dabei. Aktuell ist bei mir sehr viel los und ich muss aufpassen, dass ich auch ab und zu ein wenig zur Ruhe komme, deshalb werde ich dann vielleicht am Sonntagabend oder anfangs nächste Woche einmal in Ruhe zum Stöbern kommen und darauf freue ich mich schon sehr.

Und nun lasse ich SuBrina an die Tastatur und wünsche euch noch einen schönen Abend :-)


Wie groß bist du aktuell (Du darfst entscheiden, ob du nur Print oder eBook & Print zählst)?
Hey ihr Lieben, bei mir gibt es gerade akuten Platzmangel. Mein Frauchen ist beim Shoppen ein wenig eskaliert, hat sich Buchprämien gegönnt und zwei Rezensionsexemplare sind noch hierher unterwegs... In Zahlen ausgedrückt wiege ich gerade 122 Bücher. Bei meiner letzten Teilnahme im Oktober waren das noch 116 Bücher und wir hoffen beide sehr, dass im November und Dezember nicht mehr zu viele Bücher hier einziehen, damit wir doch noch ein wenig auf den zweistelligen Bereich zugehen können...

Wie ist die SuB-Pflege bisher gelaufen – zeig mir deine drei neuesten Schätze auf deinem Stapel!
Livia hat gestern vier Bücher gekauft und heute ist noch eine Buchprämie hier eingezogen, die Fotos sind aktuell noch nicht alle auf dem Computer, deshalb erhaltet ihr heute ausnahmsweise eine Liste der neuen Bücher auf meinem Stapel. Die sollen übrigens alle noch im 2020 gelesen werden:

Kurt - Sarah Kuttner
Nimmroth, TraumLos - Livia Fröhlich
Kaleidra, wer das Dunkel ruft - Kira Licht
Schreibtisch mit Aussicht - Ilka Piepgras (Herausgeberin)
Diese eine Lüge - Dante Medema

 
Welches Buch hat dich als letztes verlassen, weil es gelesen wurde? War es eine SuB-Leiche, ein Reihen-Teil, ein neues Buch oder ein Rezi-Exemplar und wie hat es deinem Besitzer gefallen (gerne mit Rezensionslink)?
Zuletzt gelesen und heute rezensiert wurde die SuB-Leiche "Das Alphabethaus" von Jussi Adler Olsen. Das Buch, das Livia bis heute lesen wollte, um die vierte Aufgabe des letzten Monats zu erfüllen. Knapp geschafft, würde ich einmal sagen.

HIER kommt ihr direkt zur Rezension.
 
Lieber SuB, das Jahr 2020 neigt sich langsam dem Ende zu und jetzt wäre der richtige Zeitpunkt noch schnell ein paar Bücher zu lesen, die unbedingt noch gelesen werden sollten in diesem Jahr. Deswegen zeig uns eben jene Bücher, die deine Besitzerin noch lesen soll!
Diese Bücher hat mein Frauchen für das aktuelle Jahr noch vorgenommen. Es ist uns beiden bewusst, dass dies wohl ein paar Bücher zu viel sind, aber man soll sich ja jeweils hohe Ziele setzen ;-)
Alles diese Bücher sind Neuzugänge aus den letzten Wochen und Monaten. Drückt uns die Daumen.

Und wie sieht das bei euch aus? Habt ihr noch grosse Pläne für das laufende Buchjahr oder geht ihr es eher ruhig an?

Alles Liebe und wir lesen uns bald
SuBrina und Livia

Rezension: Das Alphabethaus

Das Alphabethaus - Jussi Adler Olsen

Beschreibung des Verlages:

Der internationale Bestseller von Jussi Adler-Olsen

Der Absturz zweier britischer Piloten hinter den feindlichen Linien …
Ein Krankenhaus im Breisgau, in dem psychisch Kranke als Versuchskaninchen für Psychopharmaka dienen …
Die dramatische Suche eines Mannes nach seinem Freund, den er dreißig Jahre zuvor im Stich gelassen hat …
»Eine unfassbare Geschichte: die Schrecken des Krieges und das Schicksal psychisch zutiefst beschädigter Patienten einer Nervenheilanstalt auf der einen Seite, die Freundschaft zweier englischer Piloten und die Suche nach einem Verschwundenen auf der anderen, gehört zum Besten, was Jussi Adler-Olsen je geschrieben hat. Wie er das groteske Elend der Patienten einer Nervenklinik als Folge des Krieges schildert, ist anrührend und beklemmend zugleich. Man liest das Buch mit allen Sinnen.« Ingrid Brekke in ‚Aftenposten‘

Inhalt:
Bryan und James, zwei britische Piloten, stürzen über Deutschland ab und überleben wie durch ein Wunder. Bei ihrer Flucht vor den deutschen Truppen schaffen sie es, auf einen Sanitätszug aufzuspringen. Dort verstecken sie sich in einem Wagen mit lauter ranghohen deutschen Offizieren, welche als geisteskrank eingestuft worden sind. Sie nehmen die Identität zweier dieser Männer an und geben sich fortan ihrem unbestimmten Schicksal hin. In Freiburg im Breisgau landen sie in einem Krankenhaus, das mit den damaligen fragwürden Methoden versucht, psychische Erkrankungen zu behandeln und in dem ausserdem Medikamente getestet werden. Schnell stellt sich heraus, dass Bryan und James nicht die einzigen Simulanten sind und dass dieser Umstand sie in Lebensgefahr bringt.
Dreissig Jahre später schaut ein in England lebender Mann auf sein Leben zurück und erinnert sich mit grossem seelischem Schmerz und nagenden Gewissensbissen an seinen Freund, den er in einer ausweglosen Situation zurückgelassen hat. Ein letztes Mal begibt er sich auf Spurensuche um mit seiner Vergangenheit aufzuräumen und seine Schuld ein für alle mal zu tilgen. Er reist dazu nach Deutschland und begegnet den Geistern seiner Vergangenheit wieder, welche sich als reale Bedrohung für Leib und Leben entpuppen.

Ein erster Eindruck:
Ich habe dieses Buch mit gemischten Gefühlen zur Hand genommen, schliesslich habe ich bisher nicht sehr viele gute Rezensionen dazu gelesen. Die eher negativen Meinungen stammen vor allem von Menschen, welche dir Krimis des Autors sehr gerne gelesen haben und die teilweise auch ganz andere Erwartungen an den Roman hatten. Ich selber habe noch kein anderes Buch von Jussi Adler Olsen gelesen und weiss jetzt schon, dass ich das bald tun möchte, schliesslich besitzt mein Vater einen grossen Teil seiner Kriminalromane und der Schreibstil hat Lust auf mehr in mir geweckt. So kann ich aber in Bezug auf dieses Buch sagen, dass ich keinerlei Erwartungen an den Stil und die Handlung hatte und insgesamt positiv überrascht worden bin.
Das Buch ist in zwei Teile unterteilt, von dem sich vor allem die Szenen im Krankenhaus und davon vor allem die endlosen und sich wiederholenden Schilderungen des Tagesablaufs der Patienten sehr stark in die Länge ziehen. Da hätte man das Buch definitiv ein wenig raffen können, gleichzeitig denke ich mir aber, dass der Autor bewusst mit diesen Längen spielt, weil der Alltag den Patienten ja wohl auch unendlich lange vorgekommen sein muss und dies lässt uns die Schrecken und Quälereien, welche die Männer über sich ergehen lassen mussten, noch besser nachempfehlen.

Der zweite Teil:
Im zweiten Teil, in dem ein Mann auf sein Leben zurückblickt und sich auf eine gefährliche Spurensuche macht, die er nicht selten nur knapp überlebt, kommt dann noch einmal eine ganz andere Qualität des Autors zum Vorschein und man kann das kriminalistische Potenzial, das in Jussi Adler Olsen steckt, definitiv schon sehr gut erkennen.
Ein weiterer eher grosser Kritikpunkt, der mir in einigen Rezensionen begegnet ist und den ich gar nicht nachvollziehen kann, ist die Handlung, welche auf einige Leser:innen sehr unwahrscheinlich gewirkt hat. Da muss ich vehement widersprechen: ich habe schon zahlreiche Tatsachenromane aus der Zeit des zweiten Weltkriegs gelesen und es gibt wirklich die unwahrscheinlichsten Zufälle und Fügungen, die eben genau ausmachen, ob und unter welchen Umständen jemand überlebt oder nicht. Von dem her würde ich das Buch in diesem Bereich nicht zu stark kritisieren.
Eher kamen auch im zweiten Teil einige Längen auf und ich kann mir gut vorstellen, dass die Geschichte - deren Plot grandios ist und die auf äusserst fundierten Recherchen beruht und auch noch über ein Nachwort verfügt, das auf zahlreiche im Buch thematisierten Geisteskrankheiten und deren Klassifizierung eingeht, sowie enorm viele Quellen nennt - auch auf knapp drei- bis vierhundert Seiten genau so gut, respektive ziemlich sicher sehr viel besser hätte erzählt werden können.

Meine Empfehlung:
Einigen Längen und äusserst anstrengend aber auch brutal zu lesenden Szenen zum Trotz hat mir dieses Buch ziemlich gut gefallen. Es lässt das grosse schriftstellerische Potenzial (und dabei vor allem auch das kriminalistische Potenzial, das Olsen letztendlich berühmt gemacht hat) vermuten und erzählt eine Geschichte, die grandios recherchiert ist, einen wichtigen und oft vergessenes Kapitel des 20. Jahrhunderts beleuchtet und die Geschichte einer starken Freundschaft, von Schuld, Vergebung, Eigeninitiative, Flucht und Rettung erzählt.

Zusätzliche Infos:
Titel:
Das Alphabethaus
Originaltitel: Alphabethuset
Autor: Jussi Adler-Olsen wurde am 2. August 1950 unter dem bürgerlichen Namen Carl Valdemar Jussi Henry Adler-Olsen in Kopenhagen geboren. Er studierte Medizin, Soziologie, Politische Geschichte und Film. Bevor er 1995 mit dem Schreiben begann, arbeitete er in verschiedensten Berufen: als Redakteur für Magazine und Comics, als Koordinator der dänischen Friedensbewegung, war Verlagschef im Bonnier-Wochenblatt TV Guiden und Aufsichtsratsvorsitzender bei verschiedenen Energiekonzernen. Sein Hobby: Das Renovieren alter Häuser. Er ist verheiratet und Vater eines Sohnes.
Sprache: Deutsch
Aus dem Dänischen von: Hannes Thiess und Marieke Heimburger
Klappenbroschur: 592 Seiten
Verlag: dtv premium
Erscheinungstermin: 1. Februar 2012 (Deutsche Erstausgabe)
ISBN: 978-3-423-24894-5

Rezension: Tod in Florenz

Tod in Florenz - Magdalen Nabb

Beschreibung des Verlages:
Welcher Tourist träumt nicht davon, einfach in Florenz zu bleiben? Elisabeth Stauffer und Monika Heer sind geblieben, beide ursprünglich Lehrerinnen und zum Italienischlernen nach Florenz gekommen. Die eine hilft in einem Büro aus, die andere bei einem Töpfer in einer nahen Kleinstadt. Doch seit drei Tagen ist die bildhübsche Monika spurlos verschwunden. Maresciallo Guarnaccia setzt sich mit seinem Kollegen in der Provinz, Niccolini, in Verbindung, einem jovialen Römer, der nach einem Jahr im Norden immer noch Mühe hat, die vielfältigen Beziehungen in dem kleinen Städtchen zu durchschauen. Maresciallo Guarnaccia aber helfen sein Einfühlungsvermögen und seine Beobachtungsgabe, den Fall schließlich zu lösen.

Inhalt:
Eine junge Frau verschwindet in der Umgebung rund um Florenz, ein Schürzenjäger soll seine Finger im Spiel haben und im Dorf erhitzen längst vergangene aber alles andere als vergessene Geschichten aus der Zeit des zweiten Weltkriegs die Gemüter. Der besonnene und einfühlsame Maresciallo Guarnaccia und sein vor Fröhlichkeit strotzender Kollege in der Provinz, Niccolini, nähern sich bei gutem Essen und einem Glas Wein der Lösung des Falles und der Dorfbevölkerung an, was definitiv ein Schritt in die richtige Richtung ist und Staub aufwirbelt, der noch einiges in Bewegung versetzen wird.

Meine Meinung:
Ich war mir lange nicht sicher, ob ich dieses Buch lesen sollte oder nicht. Der SuB ist gross und grösser, das Buch schon älter und die Autorin war mir bis vorhin komplett unbekannt. Kennt denn jemand von euch Magdalen Nabb und ihre scheinbar sehr berühmte und hochgelobte Krimireihe um Maresciallo Guarnaccia?
Ich bin froh, habe ich allen Unsicherheiten zum Trotz zu "Tod in Florenz" gegriffen. Das Buch liest sich nur so weg, ist spannend geschrieben, sehr vielschichtig und gesellschaftskritisch und wirft Themen auf, die auch heute noch aktuell sind. Eine sehr ausführliche Szene im Mittelteil, in der eine Figur ihre halbe Lebensgeschichte und einen Teil der Geschichte der weiteren in den Fall involvierten Figuren erzählt, war mir ein wenig zu langatmig gestaltet, aber die persönlichen kleinen Dramen, die zu den diversen geschilderten Verbrechen geführt haben, sind äusserst tragisch, einfallsreich konstruiert und nachvollziehbar geschildert.
Der Kommissar und vor allem auch seine Familie, die oft nur in Nebensätzen auftaucht, sind mir insgesamt ein wenig zu blass geblieben und ich bin mir sicher, dass die neueren, überarbeiteten Ausgaben noch ein wenig passender und zeitgemässer formuliert sind, aber insgesamt scheint es mir, als hätte ich da eine Autorin entdeckt, deren eher grosses Werk, das in nur ganz wenigen Lebensjahren entstanden ist, sicher noch einige spannende Bücher beinhaltet.

Sprache:
Es ist sicher so, dass ich in den letzten Jahren ein wenig sensibler geworden bin, was die Sprache, in der meine Lektüren geschrieben sind, anbelangt. Somit fällt ganz klar auf, dass dieses Buch schon fast dreissig Jahre alt ist und dies erkennt man nicht nur durch die fühl- und sozusagen "sichtbaren" Zeichen der Zeit, in der es spielt, sondern auch an der Sprache, in der die Geschichte erzählt ist. Dabei sticht vor allem das sehr traditionelle, zu dieser Zeit und wohl auch in Italien übliche, Rollenbild (oder kocht Brunetti jemals selber? Sicher nicht in einem der ersten Bände) ins Auge. Guarnaccias Frau umsorgt und bedient ihn und seine Kinder nach Strich und Faden. Egal, wann er nach Hause kommt, das Essen steht bereit. Nach dem Essen setzt er sich vor den Fernseher und sie räumt auf. Ja, das hatte vielleicht mal Charme, aber mittlerweile irritiert das beim Lesen sogar ein wenig, was mich oft zum Schmunzeln gebracht hat.

Meine Empfehlung:
Dieses Buch hat mich definitiv positiv überrascht und ich werde meine Augen beim Stöbern in offenen Bücherschränken und gebrauchten Büchern offen halten und sicher wieder einmal zu einem Kriminalroman von Magdalen Nabb greifen. Dann aber nach Möglichkeit in der schönen und sicher auch ein wenig überarbeiteten Neuauflage aus den letzten zwei bis drei Jahren.

Zusätzliche Infos:
Titel: Tod in Florenz
Originaltitel: The Marshal and the Murderer
Autorin: Magdalen Nabb, geboren 1947 in Church, einem Dorf in Lancashire, England, gestorben 2007 in Florenz. Sie studierte an der Kunsthochschule in Manchester und begann dort zu schreiben. Seit 1975 lebte und arbeitete sie als Journalistin und Schriftstellerin in Florenz.
Sprache: Deutsch
Aus dem Englischen von: Monika Elwenspoek
Taschenbuch: 288 Seiten
Verlag:Diogenes
Erschienen: 1992 (Deutsche Erstausgabe)
ISBN: 3-257-22550-4

Rezension: Ihr sollt wissen, dass wir noch da sind

Dieses Rezensionsexemplar wurde mir vom Verlag Kiepenheuer & Witsch zur Verfügung gestellt.
Vielen herzlichen Dank.

Ihr sollt wissen, dass wir noch da sind - Esther Safran Foer

Beschreibung des Verlages:

Esther Safran Foer ist die Mutter des Bestsellerautors Jonathan Safran Foer, der mit seinem weltweit gefeierten Debüt »Alles ist erleuchtet« den Grundstein legte für dieses mutige Memoir. Sie begibt sich auf die Suche nach der Geschichte ihrer Familie, die in der schrecklichen Dunkelheit des Nationalsozialismus begraben wurde. Ein Buch gegen das Vergessen. Als Esthers Mutter beiläufig offenbart, dass ihr Mann eine frühere Frau und Tochter hatte, die beide im Holocaust ermordet wurden, beschließt Esther herauszufinden, wer sie waren und wie ihr Vater überlebt hat. Nur mit einem Schwarzweißfoto und einer handgezeichneten Karte reist sie zusammen mit ihrem Sohn in die heutige Ukraine, um das Shtetl zu finden, in dem sich ihr Vater während des Krieges versteckt hatte. Diese Reise wird ihr Leben für immer verändern und sie wird es Esther ermöglichen, endlich richtig zu trauern. Sie findet in der Ukraine tatsächlich die Nachfahren der Menschen, die ihren Vater versteckt hatten und erfährt sogar den Namen ihrer Halbschwester. Eine bewegende Geschichte von einer Frau auf der Suche nach ihrer Familie, aber auch von vier Generationen von Überlebenden, Geschichtenerzählern und Gedächtniswächtern, die entschlossen sind, nicht nur die Vergangenheit am Leben zu erhalten, sondern auch die Gegenwart mit Leben zu füllen.

Inhalt:
Bei der Lektüre dieses Buches wird bewusst, wie wichtig Erinnerungen, Fotos, Erzählungen und gemeinsame Erlebnisse für eine Familie sind und dass Menschen und ihre Leben tatsächlich nicht nur in Vergessenheit geraten, sondern komplett ausgelöscht werden, wenn man ihre Namen nicht mehr kennt und wenn es niemanden mehr gibt, der ihre Geschichte erzählen kann. Gerade für viele Überlebendes des Holocaust - unter anderem für die Autorin Esther Safran Foer - ist es von zentraler Bedeutung, die Namen ihrer teilweise unbekannten Angehörigen zu erfahren, die Geschichte ihrer Vorfahren kennenzulernen und weiterzuerzählen, egal, welches Grauen ihr innewohnt. Esther Safran Foer unternimmt mit ihrem Sohn Frank eine Reise in die heutige Ukraine und zugleich in das Leben ihres Vaters und dessen ersten Frau. Sie lernt die Menschen kennen, die gemeinsam mit ihren Angehörigen geflüchtet sind oder die geholfen haben, ihre Familie zu verstecken und indem sie Licht in diese sehr persönliche Dunkelheit bringt, gelingt es ihr auch, sich zu verabschieden und die Andenken ihrer verstorbenen Familie in Würde zu wahren.

Meine Meinung:
Ich kann schwer in Worte fassen, was dieses Buch in mir ausgelöst hat und eigentlich wollte ich es auch schon pünktlich zum Erscheinungstermin beenden. Dies war mir allerdings nicht möglich, weil die Geschichten, welche Esther Safran Foer erzählt, definitiv keine leichte Kost sind. Ich stelle es mir unendlich schmerzvoll vor, nicht annähernd alle Mitglieder der engen Familie zu kennen und zu wissen, dass einige von ihnen ein so schreckliches Schicksal erlitten haben. Obwohl die Autorin es schafft, die schlimmsten Gräuel eher nüchtern zu schildern, musste ich beim Lesen doch einige Male pausieren. Auch gelang mir vor allem der Einstieg in "Ihr sollt wissen, dass wir noch da sind", nicht so leicht. Sehr viele Namen und Jahreszahlen, sowie Verwandtschaftsbeziehungen werden oft einige Male wiederholt und wild durcheinandergewirbelt. Der Stammbaum im Anhang hilft nur bedingt, da im Laufe der Erzählung noch zahlreiche weitere Personen, unter anderem Menschen, welche der Familie Foer an irgendeinem Punkt ihres Weges geholfen haben, erwähnt werden.
Erst im letzten Drittel des Buches, der den entscheidenen Durchbruch bei der Suche nach Verwandten und guten Geistern thematisiert, beginnt die Erzählung zu fliessen und dies passt eigentlich hervorragend zur erzählten Geschichte, weil man spürt, dass die Autorin an diesem Punkt der Erzählung zum ersten Mal ein wenig zur Ruhe kommt, aufatmet, die Luft ausströmen lässt und beginnt, die einzelnen losen Enden ihrer Familiengeschichte, die am Anfang des Buches noch für Verwirrung gesorgt haben, in Gedanken zu verknüpfen. Ist dieser Aufbau Zufall oder ein absoluter Geniestreich der Autorin? Letztendlich spielt das gar keine Rolle mehr, denn mit jeder weiteren Seite spürt man beim Lesen förmlich, wie Erleichterung, Dankbarkeit aber auch tiefe Trauer sie durchströmen und wie eine Art Frieden mit dem Schicksal geschlossen wird. Gerade diese letzten paar Seiten haben mich tief berührt und lassen mich voller Achtung für Esther Safran Foer und ihre mutige Reise, ihre positive Lebenshaltung und ihr tiefes Vertrauen in ihre Familie zurück.

Meine Empfehlung:
In "Ihr sollt wissen, dass wir noch da sind", schreibt Esther Safran Foer nicht gegen das Vergessen an, wie ich jetzt schon einige Male gelesen haben, sondern rettet vielmehr das Erinnern, Erzählen und Bewahren. Obwohl sich vor allem der Anfang des Buches nicht ganz einfach liest, weil die zahlreichen Namen und Daten, die losen Ende in der Familiengeschichte, für Verwirrung sorgen und obwohl die Autorin keine leichte, sondern eine äusserst tragische, bewegende Geschichte erzählt, hat dieses Buch etwas enorm Versöhnliches an sich und strahlt eine grosse Ruhe und Kraft aus. Von mir gibt es eine herzliche Leseempfehlung für dieses wichtige Werk. 

Zusätzliche Infos:
Titel:
Ihr sollt wissen, dass wir noch da sind
Originaltitel: I want you to know we're still here
Autorin: Esther Safran Foer war die Geschäftsführerin von Sixth & I, einem Zentrum für Kunst, Ideen und Religion. Sie lebt mit ihrem Mann in Washington, D.C. Sie sind die Eltern von Franklin, Jonathan und Joshua und Großeltern von sechs Enkelkindern.
Sprache: Deutsch
Aus dem Englischen von: Tobias Schnettler
Fester Einband mit Schutzumschlag: 288 Seiten
Verlag: Kiepenheuer & Witsch
Erscheinungstermin: 05.11.2020
ISBN: 978-3-462-05222-0

Lese-Statistik Oktober 2020

Hallo ihr Lieben

Ich weiss, dass es allen so geht und dass gefühlt alle dies jeweils in ihre Einleitungen schreiben, aber kann jemand von euch glauben, dass wirklich schon November ist? In weniger als zwei Monaten ist 2020 Geschichte... Wie konnte das passieren?
Der Oktober hatte es in sich, unsere kirchliche Hochzeit stand an und nachdem wir nun seit Anfang Jahr gebibbert, gezweifelt und an Konzepten, Alternativen und Gästelisten herumstudiert hatten, durften wir unser Fest im kleinen Rahmen allen Umständen zum Trotz durchführen und sind sehr dankbar für diesen wundervollen Tag (ihr seht oben übrigens einen Teil meines Brautkleids ;-) ). Es erstaunt also sicher nicht, dass ich erst Mitte Oktober wieder zum Lesen gekommen bin, vorher hatte ich keinen Kopf dafür. Und um so glücklicher bin ich, dass ich meinen SuB vier Neuzugängen zum Trotz nicht massiv vergrössert habe.


Und nun mache ich es kurz und schmerzlos und zeige euch meine gelesenen Bücher im Oktober:

Ein plakatives Buch über psychische Erkrankungen, leider nicht ganz überzeugend und zu brav erzählt

Eine grandiose, gesellschaftskritische und packende Lektüre aus Japan, unbedingt lesen

Ein ehrliches, bewegendes Buch über den trans Mann Linus, das einfach in jedes Bücherregal gehört

Herzerwärmende, unterhaltsame und feinfühlig erzählte romantische Komödie aus Paris

Spannende und lesenswerte Fortsetzung der Speicherstadt-Saga


Alle Rezensionen und Seitenzahlen im Überblick:

Mängelexemplar - Sarah Kuttner   (320 Seiten)
Die Ladenhüterin - Sayaka Murata   (145 Seiten)
Ich bin Linus - Linus Giese   (224 Seiten)
Monsieur Thomas und das Geschenk der Liebe   (448 Seiten)
Der Glanz der neuen Zeit - Fenja Lüders   (381 Seiten)
Harry Potter und der Gefangene von Askaban - J.R. Rowlings   (448 Seiten, Reread, keine Rezension)


Neu eingezogen im Oktober:

Im Oktober sind fünf Bücher bei mir eingezogen, drei davon habe ich bereits gelesen, ein Rezensionsexemplar zeige ich euch dann im Novembeber und mit "Balzac und die chinesische Schneiderin" befasse ich mich jetzt gerade. Das Buch sollte also in einem Monat vom SuB verschwunden sein, drückt mir die Daumen ;-)


Alle (ungeschönten) Zahlen:

Gelesene Bücher: 6 (davon ein Reread)
Abgebrochene Bücher: -
Somit in die Leseeule: 5 Franken
Gelesene Seiten: 1'966
Durchschnittliche Seitenzahl pro Tag: 63.42 Seiten
Geschenkt bekommene Bücher: -
Buchprämien: -
Rezensionsexemplare: 1
Gekaufte Bücher: 4
Eingesammelte Bücher: 1
Gesamte Neuzugänge: 5
SuB am Monatsbeginn: 115
Aktueller SuB: 116
Differenz: +1