Manchmal (fast jeden Tag) suche ich. Ich suche nach Dingen, Gegenständen, verlorenen Gedanken, Wortfetzen. Manchmal (fast jeden Tag) finde ich, was ich suche. Oder ich finde, was ich nicht gesucht habe aber trotzdem brauchen kann. Und manchmal finde ich nicht. Nichts. Ich suche, aber finde nicht. Nie wieder. Es gibt Dinge, Gegenstände, verlorene Gedanken, Wortfetzen, die bleiben verschwunden. Für immer. Ich kann suchen, so viel ich will, ich finde nicht.
Dann bin ich wütend, dann traurig, dann muss ich irgendwie das Gesuchte ersetzen, dann verdränge ich, dann vergesse ich. Aber ab und zu mal kommt mir das Gesuchte wieder in den Sinn. Ich erinnere mich.
Und dann frage ich mich: wo bleibt denn alles Verlorene und nicht-wieder-Gefundene?
Ich glaube, es landet in einem Fach. DEM FACH. Das Fach, welches nie voll ist und immer sammelt. Alle verlorenen Dinge. Und auch alle verloren geglaubten Dinge. Dinge, Gegenstände, verlorene Gedanken, Wortfetzen.
Dann denke ich, dass ich auch ohne diese Dinge klar kommen kann. Klar kommen muss. Und ich suche nicht mehr. Und da kommt das Fach wieder zum Zuge.
Ich denke, dass das Fach diese Dinge umwandelt. Es wandelt die verlorenen (und verloren geglaubten) Dinge um. Einfach so. In Dinge, die wir anstelle der verloren geglaubten Dinge benötigen oder gebrauchen können, die wir aber nicht finden. Sie sind einfach da.
Ich suche also Streichhölzer aber sie sind nicht da. Nicht da, wo ich sie immer habe und auch sonst nirgends. Obwohl ich weiss, dass ich erst vor kurzem gerade noch welche hatte. Diese Streichhölzer hätte ich gebraucht, um eine Kerze anzuzünden. Weil es Winter ist, weil es kalt ist, weil ich Romantikerin bin, weil jemand gestorben ist, weil ich Trost brauche oder einfach so.
Das Fach hat aber meine Streichhölzer geklaut.
Und in diesem Moment, in dem ich die Streichhölzer nicht mehr benötige (weil es Frühling ist, weil es wärmer wird, weil ich glücklich bin, weil ich die Kerzen verloren habe oder einfach so), in diesem Moment schenkt mir das Fach etwas. Geld für einen Ofen, Geld für Solarzellen auf dem Dach um meine Wohnung zu heizen, einen lieben Menschen/ ein Telefonat/ein Brief/ ein Gespräch, der/das mich tröstet, einen dicken Pulli, der mich wärmt, ein Mensch, der romantischer ist als ich und deshalb ein Diner in einem Hotel gebucht hat (wo es bereits brennende Kerzen auf dem Tisch hat) oder einfach eine Idee, wie ich meinen Tag besser nutzen könnte, anstatt Streichhölzer zu suchen.
So werden meine Streichhölzer also zu Liebe, Licht, einem schönen Diner, Briefen, Anteilnahme und Wärme.
Und wenn ich mir das so überlege und wenn ich denke, dass dies nicht nur mit meinen fiktiven Streichhölzern passiert sondern mit allem, was im Fach landet, dann bin ich schon fast wieder ein wenig froh, dass es das Fach gibt.
So bleiben nämlich meinen verlorenen Dinge nicht einfach verloren, sondern sie werden einfach wieder zu einem Ding, einem Gegenstand, einem Gedanken, einem Wortfetzen, das/der mir das Leben ein wenig versüsst.
Ja, diese ständige Suche kennen wir wohl alle. In meiner Vorstellung war das Fach immer ein schwarzes Loch, in dem alles verschwindet. Aber ein schwarzes Loch kann ja eigentlich nichts zurückgeben, und gerade das finde ich an Deinem Fach so sympathisch. Übrigens wieder ein sehr gut geschriebener Text!
AntwortenLöschenLiebe Grüße
Inka
Vielen Dank Inka.
AntwortenLöschenIch glaube, dass man sich die Dinge manchmal einfach so denken muss, wie man sie gerade braucht. Sonst müsste man ja alles als "gegeben" hinnehmen und daran würde zumindest ich zu Grunde gehen.
Herzliche Grüsse
Eponine