Rezension: Das Mädchen mit der lauternen Stimme

Dieses Buch habe ich im September 2021 bei einem Gewinnspiel der Lesejury gewonnen.

Das Mädchen mit der lauternen Stimme - Abi Daré

TW: Vergewaltigung, körperliche und sexuelle Gewalt, Menschenhandel

Beschreibung des Verlages:
Die vierzehnjährige Adunni weiß genau, was sie will: Bildung. Denn das ist der einzige Weg für ein nigerianisches Mädchen aus ärmlichen Verhältnissen, Unabhängigkeit zu erlangen und den eigenen Träumen ein Stück näherzukommen.
Doch stattdessen verkauft sie ihr Vater als dritte Ehefrau an den deutlich älteren Morufu, damit sie ihm einen Sohn schenkt. Adunni flieht nach Lagos, in der Hoffnung, dort in die Schule gehen zu können. Aber auch hier scheint sie zunächst kein Glück zu haben …

Inhalt:
Als Adunnis Mutter stirbt, ändert sich auf einen Schlag ihr ganzes Leben. Nun kümmert sich ihr Vater um die Finanzen und die Haushaltsführung und vertrinkt die Reserven der Familie. Zuerst ist kein Geld mehr da, um Adunni in die Schule gehen zu lassen und dann kann ihr Vater auch die Miete nicht mehr bezahlen und verkauft Adunni kurzerhand an den älteren Morufu. Als dessen dritte Ehefrau hat sie noch weniger Rechte als im Haushalt ihres Vaters und als ihr die Flucht nach Lagos gelingt, schöpft sie neue Hoffnung, die aber bald enttäuscht wird. Ihre Arbeit als Hausmädchen der reichen "Big Madame" entpuppt sich nämlich als die Hölle auf Erden.

Black History Month:
Wusstet ihr, dass der Februar traditionell als Black History Month gilt? Seit vielen Jahren werden in diesem Monat Errungenschaften und vor allem auch Kunst und Kultur von PoC besonders aufmerksam gewürdigt, gelesen, gezeigt und gefeiert, damit Schwarze Künstler:innen vermehrt ins Zentrum der Aufmerksamkeit gelangen und damit es diesen Monat hoffentlich ganz bald nicht mehr geben muss. "Das Mädchen mit der lauternen Stimme" wollte ich mir eigentlich erst gegen Ende Jahr vornehmen. Angeregt durch die vielen Lehrreichen Posts und Beiträge zum Black History Month habe ich mir meinen SuB einmal ein wenig näher angesehen und jetzt schon zu diesem Buch gegriffen, was sich definitiv gelohnt hat.

Meine Meinung:
Nach wenigen Sätzen bin ich in einer Geschichte angekommen, die mich komplett gefesselt hat. Es gelingt der Autorin, das Schicksal ihrer Protagonistin äusserst intensiv und bildgewaltig zu beschreiben. Adunnis Familiensituation und vor allem die Liebe zu ihrem jüngeren Bruder, den sie im Haus ihres Vaters zurücklassen muss, haben mich tief berührt. Ihr Wille, zur Schule zu gehen, zu lernen und für sich und andere Mädchen und Frauen einzustehen und Chancen zu schaffen, haben mir imponiert. Beim Lesen wird schmerzlich bewusst, wie klein der Wert von Frauen in gewissen Regionen dieser Welt noch immer ist und dass Frauen in diesen Regionen leider oft nur dann geschätzt werden, wenn sie (jung und mit einem reichen Mann) verheiratet sind und Kinder gebären. Adunni will diesen Teufelskreis durchbrechen und kommt vom Regen in die Traufe, als sie es schafft, ihrem Mann davonzulaufen und eine Stelle als Haushälterin einer sehr wohlhabenden und angesehenen Frau in Lagos zu erhalten. Diese aber behandelt Adunni sehr schlecht und Adunni muss erneut um ihr Überleben und für ihren grossen Traum, eine Schule zu besuchen, kämpfen.
Sie hat schon als kleines Kind von ihrer verstorbenen Mutter gelernt, dass man stets hilfsbereit sein und sich anderen Menschen gegenüber aufmerksam und dankbar verhalten soll. Es ist erstaunlich, wie sehr dies Adunni auch in den schwierigsten Situationen gelingt und mit ihrer liebenswürdigen und nicht auf den Mund gefallenen Art schafft sie es immer wieder, die Menschen für sich zu gewinnen und Unterstützung zu erhalten.

Schreibstil:
Besonders beindruckt hat mich, wie sehr es der Autorin und vor allem auch der Übersetzerin - welche sich im Nachwort auch noch dazu äussert - gelungen ist, die Sprache der Protagonistin so gut an deren Situation anzupassen. Anfangs spricht Adunni ein von Dialektworten und grammatikalischen Fehlern geprägtes, sehr umgangssprachliches Englisch. Durch die stetige Ausseinandersetzung mit der Sprache und dem Sprechen an sich, durch ihr Lernen und Entdecken werden ihr Wortschatz grösser und ihre Sätze komplexer und korrekter.
Weiter beschreibt die Autorin Abi Daré ihre Figuren und Landschaften sehr bildhaft. Ihre Sätze sind voller Farben, Gefühle und Eindrücke, welche eine einzigartige Stimmung hervorrufen und sowohl den inneren Monolog von Adunni als auch die zahlreichen erschütternden, bewegenden und beeindruckenden Situationen schildern.

Meine Empfehlung:
Von mir gibt es eine sehr herzliche Empfehlung für dieses bewegende Buch. Es ist definitiv keine leichte Kost, aber um so lesenswerter und lehrreicher.

Zusätzliche Infos:
Titel: Das Mädchen mit der lauternen Stimme
Originaltitel: The Girl With the Louding Voice
Autorin: Abi Daré ist in Lagos / Nigeria aufgewachsen und lebt seit vielen Jahren in Großbritannien. Sie hat in Wolverhampton und Glasgow studiert, sowie Kreatives Schreiben an der Birkbeck University of London. „The Girl With the Louding Voice“ hat 2018 den Bath Novel Award für noch unveröffentlichte Manuskripte gewonnen und schaffte es außerdem ins Finale bei der Literary Consultancy Pen Factor Competition. Sie lebt mit ihrem Mann und zwei Töchtern in Essex. Ihre Töchter haben sie zum Schreiben dieses Debütromans inspiriert.
Sprache: Deutsch
Aus dem Englischen von: Simone Jakob
Hardcover mit Schutzumschlag und Lesebändchen: 368 Seiten
Verlag: eichborn
Ersterscheinung: 27.08.2021
ISBN: 978-3-8479-0091-7

2 Kommentare:

  1. Hallo liebe Livia,
    deine Rezension habe ich mit großem Interesse gelesen. Alleine der Klappentext klingt nach einer sehr bewegenden und spannenden Geschichte. Ich gebe dir Recht: Es ist schlimm, welchen geringen Wert das Leben einer Frau in einigen Regionen der Welt hat. Umso wichtiger ist es, dass Bücher veröffentlicht werden, die auf solche Lebensverhältnisse hinweisen.

    Eine sehr wertvolle und interessante Buchvorstellung von dir. Vielen Dank dafür!

    Ich wünsche dir einen schönen Start ins Wochenende.

    Liebe Grüße
    Tanja

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    1. Liebe Tanja

      Oh ja und das Buch ist definitiv auch keine leichte Kost, aber trotzdem wunder- wunderschön und bildhaft erzählt und - wie du schreibst - auch sehr, sehr wichtig.

      Alles Liebe an dich und ganz eine gute restliche Woche
      Livia

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