Rezension: Wo der Wolf lauert

Wo der Wolf lauert - Ayelet Gundar-Goshen

Beschreibung des Verlages:

Ein psychologisch raffinierter Roman über die langen Schatten unserer Herkunft und darüber, dass uns oft die Menschen das größte Rätsel bleiben, die wir am besten zu kennen glauben: unsere Kinder.
Lilach Schuster hat alles: ein Haus mit Pool im Herzen des Silicon Valley, einen erfolgreichen Ehemann und das Gefühl, angekommen zu sein in einem Land, in dem man sich nicht in ständiger Gefahr wähnen muss wie in ihrer Heimat Israel. Doch dann stirbt auf einer Party ein Mitschüler ihres Sohnes Adam. Je mehr Lilach über die Umstände des Todes erfährt, desto größer wird ihr Unbehagen: Ist es möglich, dass Adam irgendwie damit in Verbindung steht?

Inhalt:
Herkunft, Rassismus, Angst, Verfolgung, religiöse Konflikte... Dieses Buch ist eine Mischung aus Krimi, Familiendrama und Thriller und es geht sofort in die Vollen. Es berichtet aus dem Alltag von Lilach, einer Mutter, die mit ihrer Familie aus ihrer Heimat Israel, in der sie in ständiger Angst gelebt hat, ins scheinbar sichere Silicon Valley gezogen ist. Dort lebt sie ein Leben als Vorzeigeehefrau und Mutter, bis ihr plötzlich alle Kontrolle entgleitet und sie nicht mehr weiss, wem und was sie glauben kann. Jamal, der mit Lilachs Sohn Adam zur Schule geht, stirbt unter mysteriösen Umständen. Hat Adam etwas damit zu tun?

Meine Meinung:
"Wo der Wolf lauert" habe ich im Rahmen einer Instagram-Leserunde bei Carina von Carinas Bücherwelt gelesen. Respektive habe ich es gemeinsam mit den anderen begonnen und hätte es im September dann auch mit den anderen beenden wollen, aber das Buch hat es mir immer wieder sehr schwer gemacht. Ich war nicht nur komplett lustlos, in mir hat sich sogar alles gesträubt. Und auch dann, wenn ich wieder darin blätterte, hat mich dieser Sog, den so viele andere beschrieben haben, irgendwie nicht erfasst. Gleichzeitig wollte ich trotzdem wissen, wie sich alles entwickelt und wie das Buch ausgeht und habe mich letztendlich dazu durchgerungen, mir nicht einfach das Ende verraten zu lassen, sondern das Buch auch wirklich zu beenden.
Was ich weiss: das Buch wird nicht in meinem Regal bleiben. Was ich da aber eigentlich gelesen habe, was mir dieses Buch sagen wollte, ob ich nun schlauer oder um eine Erfahrung reicher bin... Das weiss ich nicht. Ehrlich nicht.

Eine kleine Einordnung:
Was mir sehr gut gefallen hat: wie die Muttergefühle nicht nur von Lilach, sondern auch von Annabella, der Mutter des getöteten Jamals, beschrieben sind. Ausserdem ist einfühlsam und meisterhaft beschrieben, wie Lilach auf Spurensuche geht und beginnt, sich ihre eigenen Gedanken zu machen und ihren Sohn von einer ganz anderen Seite kennenzulernen.
Auch sehr gut gefallen hat mir, wie immer wieder Spannung erzeugt wird, wie sich eine bedrohliche, düstere Stimmung über das Geschehen legt, wie die Gedanken negativer werden, das Vertrauen erschüttert, der Schmerz grösser. Das hat mir wirklich sehr gut gefallen.
Ebenfalls wird in Rückblenden erzählt, was Lilach und Michael damals aus Israel vertrieben hat und wie sich ihr Leben seit der Ankunft in den USA verändert hat. Die Schilderungen der religiösen Konflikte und des alltäglichen Rassismus sind äusserst einfühlsam und die draus resultierenden Spannungen und Taten haben mich betroffen gemacht und beeindruckt.

Was mir leider überhaupt nicht gefallen hat: dass Michael, Lilachs Mann, gar nicht richtig fassbar wird und dass Lilach an seiner Seite ein eigentlich sehr langweiliges und unemanzipiertes Dasein fristet, in dem sie sich mit pseudo-Beschäftigungen den Tag füllt, aber ihr Leben nicht wirklich in der Hand hat. Ausserdem ist Adam Lilach schon vor Jahren entglitten und jetzt plötzlich scheint sie zu bemerken, dass sie ihren Sohn nicht mehr erreicht...das passt für mich nicht zusammen. Sehr viele offensichtliche Dinge sind ihr nie aufgefallen, weil sie zwar wirkt, als würde sie sich kümmern, aber so richtig interssiert sie sich dann doch nicht. Ausserdem sind ein paar sehr vorhersehbare Ereignisse eingetreten, die mich geärgert und in meinen Augen nicht zur Handlung gepasst haben und der Schluss war mir viel zu konstruiert.

Fazit:
Ihr seht, das Buch hat einiges in mir bewegt, mich immer wieder gut unterhalten und positiv überrascht, mich aber auch geärgert und genervt. Es wird nicht in meinem Regal bleiben, aber ich kann euch auch nicht von der Lektüre abraten. Selten meinte ich es so ernst wie jetzt: bitte macht euch selber ein Bild und lest euch vor dem Kauf unbedingt eine Leseprobe durch.

Zusätzliche Infos:
Titel:
Wo der Wolf lauert
Originaltitel: Relocation
Autorin: Ayelet Gundar-Goshen, geboren 1982, studierte Psychologie in Tel Aviv, später Film und Drehbuch in Jerusalem. Für ihre Kurzgeschichten, Drehbücher und Kurzfilme wurde sie bereits vielfach ausgezeichnet. Ihrem ersten Roman Eine Nacht, Markowitz (2013) wurde der renommierte Sapir-Preis für das beste Debüt zugesprochen, 2015 folgte mit Löwen wecken ihr zweiter Roman, der zurzeit für NBC als TV-Serie verfilmt wird. Ihr neuester Roman ist Lügnerin (2017). Sie lebt in Tel Aviv.
Sprache: Deutsch
Aus dem Hebräischen von: Ruth Achlama
Hardcover mit Schutzeinband: 352 Seiten
Verlag: Kein & Aber
Erscheinungstermin: 13. Juli 2021
ISBN: 978-3-0369-5849-1

8 Kommentare:

  1. Huhu!

    Das ist ja schade, dass dich das Buch nicht erreichen konnte - bei den anderen hat es ja anscheinend funktioniert ...
    Aber die Wahrnehmung beim lesen ist einfach sehr unterschiedlich.

    Dass die Mutter ihren Alltag mit belanglosen Beschäftigungen füllt, hört sich jetzt nicht so weit hergeholt an, ich denke, da geht es (leider) sehr vielen so.
    Auch dass das Kind einem "entgleitet" und man das erst später merkt, kommt leider viel zu oft vor. Sowas passiert schleichend und man verdrängt es, um sich nicht darum kümmern zu müssen: bis es zu spät ist.
    Das ist für mich durchaus nachvollziehbar.

    Trotzdem klingt es jetzt für mich nicht unbedingt nach "muss ich lesen", auch weil es vom Thema her nicht so mein Fall ist, vor allem nach deinen Beschreibungen :)

    Liebste Grüße, Aleshanee

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Liebe Aleshanee

      Sorry, da habe ich mich wohl ein wenig missverständlich ausgedrückt: ich habe viele begeisterte Rezensionen gelesen und in der Leserunde waren dann viele nur sehr mässig begeistert oder gar komplett enttäuscht... Durch den gemeinsamen Austausch haben wir aber sicher auch sehr viel kritischer gelesen, das habe ich schon einige Male in Leserunden erlebt.

      Das stimmt, aber es geht um Details, auf die ich nicht zu stark eingehen wollte, um nicht zu spoilern, etwas, das ich aber spoilerfrei erwähnen kann ist folgendes: Adam "verliert" andauernd teure Markenklamotten und Sportgeräte und die Eltern ersetzen ihm alles. Sie bemerken nicht, dass ihm die Dinge weggenommen worden sind, weil sie gar nie wirklich mit ihm sprechen oder auch einmal konkret nachfragen. Solche Beispiele gibt es noch zahlreiche, die kann ich aber nicht nennen.

      Nein, leider habe ich nun schon von einigen Fans erfahren, dass dieses Buch das schwächste der Autorin sei, also kannst du dir sonst beruhigt einmal ihre anderen Werke ansehen und dann etwas herauspicken. Schreiben kann sie nämlich schon, was man immer wieder bemerkt.

      Ganz liebe Grüsse auch an dich
      Livia

      Löschen
    2. Ja, aber das ist auch wieder sehr typisch: der Verdrängungsmechanismus.
      Die Eltern bemerken das unterbewusst bestimmt, wollen sich damit aber nicht auseinandersetzen. Sie müssten sich dann den Problemen stellen, ihren eigenen und denen von ihrem Sohn. Deshalb "übersehen" sie das.
      Das passiert ja heutzutage leider oft genug...

      Ok, dann ist es natürlich schade, dass das Buch aus der Reihe tanzt, wenn sie ansonsten bisher besser angekommen ist mit ihren anderen Büchern.

      Löschen
    3. Das stimmt natürlich, darüber haben wir in der Leserunde auch diskutiert. Es waren ganz viele Eltern mit Teenagern, aber auch (ehemalige) Mobbingopfer usw. dabei und wir alle sind uns einig gewesen, dass da schon seeehr viel länger einiges in der Familie schief gelaufen sein muss, um gewisse Dinge nicht zu bemerken, weil wir das alle aus unseren sehr unterschiedlichen persönlichen Erfahrungen nicht verstanden haben.

      Vielleicht schaust du dir einfach einmal ihre anderen Bücher an, das möchte ich auf jeden Fall auch tun. Allerdings mit Leseprobe, damit ich dann wirklich weiss, worauf ich mich einlasse ;-)

      Löschen
  2. Hallo liebe Livia,
    mit der Inhaltsbeschreibung hattest du mich ja schon. Die Themen, die das Buch aufgreift, klingen sehr interessant.

    Sehr schade, dass es dann doch einige Kritikpunkte gab. Scheinbar ist es der Autorin gelungen einiges an Gefühlen an den Leser zu vermitteln.

    Dass es dann einige vorhersehbare Stellen und auch Logiklücken gab, ist schade.

    Ich danke dir für die - dennoch - sehr interessante Buchvorstellung. Der Titel wäre ansonsten vermutlich völlig an mir vorbeigegangen.

    Ich wünsche dir eine schöne Woche.

    Ganz liebe Grüße
    Tanja :o)

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Liebe Tanja

      Das Buch spaltet die Leserschaft wohl sehr und einige lassen sich emotional so sehr abholen, dass andere Dinge eher unter den Tisch fallen, während mich diese Lücken zu stark gestört haben, das ist natürlich immer auch eine Frage der Gewichtung beim Lesen.

      Starte morgen gut in die Woche und mach dir noch einen schönen Sonntagabend
      Livia

      Löschen
  3. Hallo Livia

    Das Buch hatte ich bisher nicht auf meinem Schirm. Schade, dass es dich nicht vollends überzeugen konnte und mit so vielen gemischten Gefühlen zurückgelassen hat. Aber ich kann deine Kritikpunkte gut nachvollziehen. Wenn eine Handlung vorhersehbare Elemente enthält, nimmt es mir oftmals einen grossen Teil der Spannung.

    Danke für den ehrlichen Leseeindruck!

    Liebe Grüsse
    Mel

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Liebe Mel

      Genau so ist es und gerade bei diesem Buch spalten sich wohl die Geister, weshalb ich dir so oder so einmal eine Leseprobe empfehlen würde. Wenn es dich komplett fesselt, dann bleib dran. Es gab einzelne komplett begeisterte Leserinnen in usnerer Leserunde.

      Alles Liebe an dich
      Livia

      Löschen

Ich freue mich über jeden lieben Kommentar, über Anregungen und konstruktive Kritik. Ausserdem möchte ich darauf hinweisen, dass ihr mit Absenden eines Kommentars zur Kenntnis nehmt und zustimmt, dass dabei personenbezogene Daten gespeichert werden.