Kurzrezension: Die Wand

 
Die Wand - Marlen Haushofer

Inhalt:
Eine Frau verbringt ein wenig Zeit mit ihrer Cousine und deren Mann in den Bergen. Im einsam gelegenen Jagdhaus möchte sie zur Ruhe finden. Als ihre Cousine und deren Mann nach einem Ausflug ins Dorf nicht mehr zurückkehren, ahnt die namenlose Protagonistin noch nicht, was sie bald erwarten wird. Als sie am nächsten Morgen aber auf eine durchsichtige und unüberwindbare Wand stösst, die ihre eigene kleine Welt von der Aussenwelt trennt, erfasst sie Unruhe. Nach einiger Zeit bemerkt sie, dass auf der anderen Seite der Wand eine seltsame Totenstarre um sich gegriffen hat und muss fortan mit einigen ihr zugelaufenen Tieren ums Überleben kämpfen und sich auf eine lange, einsame Zeit einrichten.

Meine Meinung:
Sich vorzustellen, dass man von einer Minute auf die andere hinter einer Glaswand eingeschlossen ist - ohne alle Menschen, die man liebt, ohne alle Annehmlichkeiten der Zivilisation (mit Ausnahme dieser Dinge, die ohne Strom funktionieren oder eine noch funktionierende Batterie haben), komplett alleine und dennoch im Ungewissen, wie gross der begrenzte Lebensraum ab sofort ist und ob man diesen Lebensraum nicht doch noch vielleicht mit jemandem teilt - ist definitiv eine nicht nur beängstigende, sondern gänzlich verstörende Sache. Genau so geht es aber der Protagonistin in Marlen Haushofers Buch. Alleine mit ein paar Vorräten, ein wenig warmer Kleidung, ein paar Kerzen und einigen Bauernkalendern, sowie allem, was sich im Verlauf der Zeit in den umliegenden Wäldern und Feldern tummelt oder in anderen Hütten liegengelassen worden ist, bleibt sie hinter einer Wand zurück, während alle Menschen um sie herum tot erstarren. Es geht aber nicht um Verluste, sondern um eine Frau, die sich ganz alleine mit ihren Kräften gegen die Natur stemmt, die sich zu ernähren und beschützen weiss, die sich mit einem zugelaufenen Hund, einer Katze und einer Kuh ein kleines Zuhause einrichtet, das aber nie wirklich gemütlich wird, sondern stets eine gewisse Kälte und Einsamkeit ausstrahlt. Die namenlose Protagonistin ist stark, einsam und steht täglich vor neuen Herausforderung, sie heilt ihre Wunden und Krankheiten, erholt sich von ihrer Erschöpfung und lernt alles, was sie über die Fruchtbarkeit einer Kuh wissen muss. Im Buch werden verschiedene Themen, wie die Kritik an der Zivilisation, die sehr schnell sinn- und nutzlos wird, oder auch das Matriarchat, in dem die Protagonistin fortan lebt, eingeflochten. Sicher ist auch die Einsamkeit, ja sogar Isolation ein Thema, der sich einige Menschen freiwillig stellen, die aber andere Menschen ereilt, weil im Verlauf des Lebens die Distanz zu den Mitmenschen immer grösser wird. Wie auch immer man dieses Buch lesen oder sich in einzelnen Aspekten erkennen mag, eine Beklemmung und auch eine Dankbarkeit, dass man einerseits in solchem Luxus schwelgen darf und andererseits auch unter widrigsten Umständen überleben könnte, wenn man denn müsste, klingen noch lange nach.

Meine Empfehlung:
Es hat lange gedauert, dieses Buch zu lesen und vor allem zu verdauen. Ich frage mich nun aber ernsthaft, warum wir es nicht im Gymnasium gelesen haben, es wäre eine spannende Lektüre mit so vielen Diskussionspunkten gewesen. Ich bin froh, mich nun endlich Marlen Haushofers Buch gestellt zu haben, es hat sehr vieles in mir bewegt und ich empfehle es euch allen sehr gerne weiter. Lest es vielleicht in einer Leserunde, diskutiert miteinander und hintersinnt euch und stellt euch diesem beklemmenden Gedankenexperiment. Es lohnt sich definitiv.

Zustätzliche Infos:
Titel: Die Wand
Autorin: Marlen Haushofer
Sprache: Deutsch
Taschenbuch: 283 Seiten
Erschienen (diese Ausgabe): 1986
ISBN-13: 9783548301693

6 Kommentare:

  1. Liebe Livia,
    ich habe das Buch gelesen und auch den Film gesehen und mich hat beides sehr bewegt. Nur das etwas offene Ende (kann man so sagen?) hat mir nicht so gut gefallen...ich kann in keinen Geschichten gut damit umgehen.
    Wenn man bedenkt wann Marlen Haushofer das Buch bereits geschrieben hat, macht einem das noch nachdenklicher! (Es ist 1963 veröffentlicht worden!)
    Ich kenne einige Ausgaben des Romans, aber dein Cover habe ich übrigens noch nie gesehen ;)
    Liebe Grüße
    Martina

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    1. Liebe Martina

      Das stimmt, das Buch war schon damals sehr fortschrittlich und in meiner Ausgabe (ich weiss, dass es um 1963 veröffentlicht worden ist, aber meine Ausgabe ist aus dem Jahr 1986) ist in einem ausführlichen Nachwort noch einiges aus Haushofers Leben zu lesen. Unter anderem, dass sie auch Texte vernichtet hat und dass ihr vom Veröffentlichen einiger Texte abgeraten worden ist... Unglaublich.

      Über den Film habe ich aber schon einige zwiegespaltene Meinungen gelesen, ich sollte mir sicher einfach einmal ein eigenes Bild machen ;-)

      Alles Liebe
      Livia

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    2. Liebe Livia,
      also ich finde Martina Gedecke wirklich großartig! Sie ist eine tolle Schauspialerin und sie spielt wirklich gut im Film. Aber das ist eben meine Meinung...jeder hat seinen eigenen Geschmack ;)

      Liebe Grüße
      Martina

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    3. Liebe Martina

      Das klingt gut, ich werde mir den Film auf jeden Fall ansehen, der Trailer hat mich neugierig gemacht :-D

      Alles Liebe
      Livia

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  2. Liebe Livia,

    dieses Buch klingt nach einem interessanten Gedankenexperiment und hat mich sehr angesprochen. Ich kann mir jedoch gut vorstellen, dass es keine leichte Lektüre ist, man hinterfragt ja beim Lesen auch automatisch die eigenen Ansichten und - in diesem Fall - sicher auch Fähigkeiten (Würde ich in dieser Einsamkeit zurechtkommen, ohne verrückt zu werden?).
    Die Autorin kannte ich bisher noch nicht. Ich behalte sie (und das Buch) jedenfalls im Blick.

    Liebe Grüße und viel Spaß beim Lesen,
    Isa

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    1. Liebe Isa

      Das ist es wirklich und auch ziemlich beklemmend, aber sehr lesenswert. Schau dir das Buch auf jeden Fall einmal näher an.

      Alles Liebe
      Livia

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