Rezension: Tote Winkel

Tote Winkel - Sophie Sumburane

TW
: sexualisierte, psychische und körperliche Gewalt, auch gegen Kinder und Jugendliche, Sucht

Beschreibung des Verlages:
Was, wenn dein Ehemann wegen Vergewaltigung verhaftet wurde, sogar geständig ist – und das Opfer genauso aussieht wie du selbst?
Valentina Zinnow ist die Gattin des »Kneipenkönigs«, sie lebt in einem adretten Haus in Potsdam mit zwei reizenden Töchtern. Mittwochs kommt ein Student zum Putzen, und sie postet hübsche Fotos aus dem Alltag mit Kindern und Vorstadtidylle. Dass sie zwanghaft zählt, dass sie dissoziiert und nicht immer weiß, was sie gerade tut oder getan hat, merkt keiner. Eines Tages bekommt sie einen Anruf von der Polizei, ihr Mann sei verhaftet worden, er habe eine Frau vergewaltigt und dies auch zugegeben.
Das Opfer heißt Katja Sziboula. Sie ist Journalistin, Sachbuchautorin, kühl, beherrscht, sie lebt in einer symbiotischen Ehe und konstruktiven Arbeitsbeziehung mit Kay, Linguistik-Koryphäe aus Südafrika, in Potsdam lehrend.
Als Valentina zur Polizeiwache kommt, zeigt ihr der Polizist ein Foto des Opfers – doch darauf erkennt sie sich selbst, mit blauem Auge und blutiger Lippe. Hat ihr Mann die beiden Frauen wirklich einfach verwechselt, wie sie zunächst glaubt? Ist Katja ihr totgeglaubter Zwilling, dessen Geburts- und Sterbeurkunde sie besitzt?
Abwechselnd erzählen Valentina, Katja und Kay eine Geschichte, die einem den Boden unter den Füßen wegzieht – spannend, erschütternd, ungeheuerlich.

Inhalt:
Eine Vergewaltigung am hellichten Tage und die Überlebende sieht genau gleich aus, wie die Ehefrau des Täters. Zufall oder abgekartetes Spiel? Schicht um Schicht wird eine Geschichte freigelegt, die es in sich hat und die alle Beteiligten an Realität und Fiktion zweifeln lassen.

Meine Meinung:
Beim Lesen dieses Buches habe ich viel über diesen Post von Mareike Fallwickl nachgedacht. Ich will auch keine bloss für Klicks und Verkaufszahlen brutal vergewaltigte und getötete Frauen und Mädchen in Krimis mehr antreffen.
Und doch liegt hier ein Krimi vor mir, der von einer feministischen, antirassistischen Autorin geschrieben wurde und in der es unter anderem um eine Vergewaltigung geht. Müssen auch in einem feministischen Krimi Frauen und Kinder detailliert vergewaltigt werden? Wie geht das zusammen? Die Autorin legt zwar gezielt den Fokus auf die Überlebenden dieser Gräueltaten und spinnt gekonnt ein eindrücklich aufgebautes Netz aus Hintergrundgeschichten, Rahmenhandlung und Familienalltag. Sie lässt ihre Figuren zu Wort kommen und zwar nur die, welche nicht zum Täter geworden sind. Es gibt keine Aufklärung des Falles, die Tat ist auf Band festgehalten worden, die Schuld eingestanden. Es gibt keine Ermittler, keine Ausreden, keine Unschuldsbekundungen. Und trotzdem bleibt ein schaler, unangenehmer Beigeschmack, dieses Buch ist unangenehm. Aber: die Geschichte wird spannend und spannender, komplexer und dramatischer.

Aufbau:
Im ersten Teil werden vor allem die Tat und Taten in der Vergangenheit geschildert. Ich hätte das Buch fast abgebrochen, das war widerlich und hat mich nicht für sich einnehmen können. Im zweiten Teil aber kommen die Überlebenden zu Wort, brechen aus, begehren auf, gehen um mit dem lebenslangen Trauma.
Im dritten Teil werden die Vorgänge immer komplexer, Erinnerungen, Traumgebilde, Fantasie und Realität mischen sich. Was ist wirklich geschehen? Hier wird es so richtig spannend und die Autorin zeigt ihre schriftstellerische Qualität. Der schale Beigeschmack bleibt.

Fazit:
Ich bin mir nicht sicher, ob ich dieses Buch wirklich empfehlen kann, obwohl es mich zum Nachdenken angeregt hat und vor allem gegen Ende immer spannender geworden ist. Allerdings ist der Inhalt auch harte Kost und definitiv nicht für alle geeignet. Macht euch gerne selber ein Bild, aber ich habe euch gewarnt.

Zusätzliche Infos:
Titel:
Tote Winkel
Autorin: Sophie Sumburane, geboren 1987 in Potsdam, studierte Germanistik und Afrikanistik an der Universität Leipzig sowie am Deutschen Literaturinstitut Leipzig und promoviert an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt über forensische Linguistik. Sie ist Autorin mehrerer Kriminalromane, schreibt für verschiedene Medien und engagiert sich gegen Rassismus und Rechtsextremismus. Sie ist Teil des Netzwerks »Herland – feministischer Realismus in der Kriminalliteratur« und Mitglied im Board des PEN Berlin.
Sprache: Deutsch
Taschenbuch: 200 Seiten
Verlag: Edition Nautilus
Erschienen: September 2022
ISBN: 978-3-96054-299-5

2 Kommentare:

  1. Hallo Livia, das klingt nach einem Inhalt, der schwer verdaulich ist, daher finde ich deine warnenden Worte am Ende sehr wichtig. Ich denke für mich wäre es, vor allem aktuell, kein Buch.

    Ganz liebe Grüße,
    Zeilentänzerin

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    1. Liebe Zeilentänzerin

      Genau so ist es und das wollte ich unbedingt transparent machen. Manche Bücher nehmen uns mehr ein und müssen anders gelesen/verarbeitet werden, deshalb wollte ich das erwähnen.

      Alles Liebe für dich
      Livia

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