Das Protokoll

Das Protokoll - Jean-Marie Gustave Le Clézio

Beschreibung:
Niemand weiss, woher Adam Pollo kommt – auch er selbst nicht. Er lebt zurückgezogen und einsam in einem Haus am Meer; seine Versuche, Kontakt mit Mitmenschen aufzubauen, scheitern. Für ihn gibt es nur die rein sinnliche Wahrnehmung. Tiere, Dinge und Menschen sind für ihn gleich wichtige oder unwichtige Daseinsformen. Schliesslich landet er zur Beobachtung in einer Nervenklinik. Mit bewundernswerter Sprachartistik beschreibt Jean-Marie Gustave Le Clézio einen menschlichen Daseinszustand, der in seiner strengen Konsequenz und seinem grossartigen Entwurf vieles Vergleichbares hinter sich lässt. – Nobelpreis für Literatur 2008.

Meine Meinung:
Zu diesem Buch gibt es nicht wirklich viel mehr zu sagen, als dass es mir schlicht und einfach den Boden unter den Füssen entzogen hat. Das Gute dabei: ich habe noch ein Buch von Le Clézio zu Hause, das weniger Gute dabei: irgendwann einmal werde ich alle Bücher von Le Clézio gelesen haben.
Wer die Aktion "Gemeinsam Lesen" vom letzten Dienstag mitverfolgt hat, hat sich vielleicht meine Beschreibung zum Roman schon angesehen.
Wenn nicht, kopiere ich sie euch noch einmal hier rein.
 Die Frage Nummer drei der Aktion lautete:
"Was willst du unbedingt aktuell zu deinem Buch loswerden? (Gedanken dazu, Gefühle, ein Zitat, was immer du willst!)"
 Und meine Antwort: 
"Häufig wird ein Buch, das mit seiner Sprache besticht, als "wortgewaltig" beschrieben. Wortgewaltig impliziert im (übertragenen) Wortsinn bereits Gewalt, Macht und Dominanz. Häufig sind solche Bücher dann eher poetisch, sehr amüsant, zynisch, ironisch, kritisch oder einfach nur absolut kitschig geschrieben und somit überhaupt nicht - oder nur sehr selten - "wortgewaltig".
"Das Protokoll" aber ist wortgewaltig und gewalttätig. Es ist hart, ehrlich, duldet keinen Widerspruch und nimmt den Leser ein. Einfach so. Keine Diskussion. Es ist ein "Hier bin ich", es ist ein "Nach mir die Sintflut" und es hat trotzdem Platz für Tragik und Tiefsinn, Poesie, Emotionen und Leerstellen."
Lest dieses Buch, es hat nicht umsonst 2008 den Literaturnobelpreis gewonnen.
Schreibstil und Handlung:
Wen ich bis jetzt noch immer nicht mit meiner Begeisterung anstecken konnte, der wird nun hoffentlich definitiv überzeugt.
In diesem Buch hängt der Schreibstil auf äusserst präzise Art mit der Handlung zusammen und umgekehrt. Während der Protagonist immer wieder Momente der Klarheit, aber auch Momente der Verwirrung und der Ungewissheit erlebt, richtet sich der Schreibstil genau nach diesen Gefühlslagen.  So entsteht eine berührende und bedrückende Intensität. Dem Titel entsprechend wird das Leben von Adam Pollo protokolliert. Warum genau und für wen genau dieses Protokoll ist - dient es der Figur Adam Pollo, um sich selber im Leben wieder zu finden oder dient es nicht zuletzt dem Autor, um sich in seiner Geschichte zu orientieren? - wird nicht wirklich klar, es ist aber für die Handlung nicht relevant. Vor allem gfiel mir bei der Lektüre, dass man mitten in Adams Leben einsteigt und dieses Leben auch genau so plötzlich wieder verlässt. Es scheint, als würde man eine Tür öffnen, Adam ein wenig in seinen Handlungen beobachten und die Türe dann sanft und unauffällig wieder schliessen.
Auch spannend sind die im Buch verarbeiteten Briefe und Briefprotokolle, Tagebuchaufzeichnungen und Gedankengänge des Protagonisten. Was hat sich damals wirklich zwischen ihm und Michèle abgespielt? Was hat ihn dazu veranlasst, sich von seiner Familie zu entfernen? Warum lebt er alleine, ohne Arbeit und Geld in einem unbewohnten Haus, obwohl er offensichtlich gut ausgebildet ist? Viele Fragen werden gekonnt umschifft, weil sie vielleicht für uns relevant scheinen, für Adam in seinr eigenen Wirklichkeit aber keine Wichtigkeit besitzen. Andere Dinge, die dem Leser zuerst banal scheinen, erhalten dafür einen Wert, den wir nur schwer nachvollziehen können und so bleibt uns nichts anderes übrig, als uns auf dieses Protokoll, auf dieses Leben einzulassen und uns so Adam anzunähern, der trotz aller Skurrilität durchaus liebenswert scheint.
Meine Empfehlung:
Brauche ich wirklich noch mehr dazu zu sagen?
Lest dieses Buch, lasst euch darauf ein, tragt es mit euch herum, diskutiert es, kritisiert es, hinterfragt es und hinterfragt auch euch und euer Leben und euer Urteil über das Leben von anderen Menschen.
Zusätzliche Infos:
Autor: Jean-Marie Gustave Le Clézio
Taschenbuch: 294 Seiten
Sprache: Deutsch
Originalsprache: Französisch
Übersetzt von: Rolf und Hedda Soellner
Verlag: Piper
ISBN  9783492254557

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