Mär
26
2025

Rezension: Hey guten Morgen, wie geht es dir?

Hey guten Morgen, wie geht es dir? - Martina Hefter

Beschreibung des Verlages:

Tagsüber hilft Juno ihrem schwerkranken Mann Jupiter dabei, seinen Alltag zu meistern. Außerdem ist sie Künstlerin, tanzt und spielt Theater. Und nachts, wenn sie wieder einmal nicht schlafen kann, chattet sie mit Love-Scammern im Internet. Martina Hefter hat einen berührenden Roman über Bedürfnisse und Sehnsüchte im Leben geschrieben. Und darüber, wie weit man bereit ist, für die Liebe zu gehen.
Juno schreibt online mit Männern, die Frauen online ihre Liebe gestehen und so versuchen, sie um ihr Geld zu bringen. Doch statt darauf hereinzufallen, werden genau diese Männer zu einer Form von Freiheit für Juno. In den Gesprächen kann sie sein, wer sie will und sagen, was sie will – und das vermeintlich ohne Konsequenzen. Ganz im Gegensatz zu ihrem sonstigen Leben, in dem sie immer unterwegs, immer besorgt um Jupiter, immer beschäftigt und eingebunden ist. Also flüchtet Juno ab und zu vor ihrem Alltag ins Internet und spielt dort Spielchen mit Männern, die sie anlügen. Sie selbst wird zur Lügnerin. Aber ist es nicht so, dass man sich beim Lügen zuallererst selbst belügt?
Eines Tages trifft Juno auf Benu, der ihre Behauptungen ebenso durchschaut wie sie seine. Und trotz der Entfernung zwischen ihnen entsteht eine Verbindung. »Hey guten Morgen, wie geht es dir« ist ein tiefgehender Roman, aber so leichtfüßig wie eine Komödie.

Inhalt:
Tagsüber ist Juno Performerin, Tänzerin. Sie kreiert neue Stücke, probt viel, tritt regelmässig auf und greift ihrem schwerkranken Mann unter die Arme, damit dieser zu Hause wohnen kann. Nachts ist sie schlaflos und unterhält sich mit Love Scammern, die sich bevorzugt an ältere Frauen heranmachen und lügt diesen und manchmal auch sich selbst ein anderes Leben vor. Bis sie eine Unterhaltung mit Benu beginnt und plötzlich echter und ernsthafter ist, als sie es je einem fremden Menschen gegenüber sein wollte.

Meine Meinung:

Juno ist eine Protagonistin, mit der ich mich in vielen Lebensbereichen sehr gut identifizieren konnte und ich finde es so wichtig, mal von einer älteren Frau zu lesen, die sich tätowieren lässt, die ihren Alltag selbstständig stemmt und die eine ziemlich pragmatische und trotzdem liebevolle Beziehung mit ihrem Mann führt, der schwerkrank und immer mal wieder auf ihre Hilfe angewiesen ist. Juno ist selbstständige Künstlerin, wie ich. Sie reicht immer wieder neue Finanzierungspläne, Sponsoringdossiers und Schlussberichte ein, um sich zu finanzieren, wie ich und sie liebt den Film "Melancholia", wie ich. Anders als ich geht sie aber keinem Brotberuf nach. Sie führt ihren Alltag ohne Netz und doppelten Boden. Und in der Nacht unterhält sie sich mit Männern, welche es sich zum Ziel gemacht haben, vor allem ältere Frauen um grosse Geldbeträge zu erleichtern, sogenannten Love Scammern. Und sie dreht in diesen Gesprächen den Spiess um und spielt ihre Spielchen mit den Männern, bis diese aufgeben. Als sie aber mit Benu ins Gespräch kommt, bemerkt sie plötzlich, dass sie ihn nicht auch einfach belügen will, sondern tauscht sich länger mit ihm aus, lernt ihn kennen und lässt sich zumindest ein wenig hinter die mühsam erbaute Fassade blicken. Sie beginnt, sich Gedanken zu Abhängigkeiten, Rassismus und Fairness zu machen. Sie hinterfragt ihre Privilegien und lernt einiges über ihren neuen Gesprächspartner und seine Heimat. Und am meisten lernt sie dabei auch über sich selbst.

Schreibstil und Aufbau:
In kurzen Abschnitten, Chatverläufen und inneren Monologen lernen wir Juno und ihren Alltag kennen. Wir entdecken ihre Rastlosigkeit, begleiten sie bei harten Trainings, sehen sie verzweifelt und kämpferisch für sich und ihren Mann einstehen und nächtelang um Schlaf ringen und schliesslich aufgeben, ihre Nachrichten lesen und sich mit Benu austauschen. Sehr gekonnt lässt Hefter eigene Erfahrungen als Performancekünstlerin in diesen Roman einfliessen. Aus jeder Zeile lassen sich ihre Leidenschaft für das Leben auf der Bühne und die harte Arbeit, die dahinter steckt, erkennen. Ihr klug und kraftvoll erzählter Text liest sich stellenweise wie ein Gedicht und mutet in seinem filigranen Aufbau auch wie ein genau choreografierter Tanz an.


Meine Empfehlung:
"Hey guten Morgen, wie geht es dir?" streift pointiert aber ohne erhobenen Zeigefinger ganz unterschiedliche gesellschaftliche Themen und überzeugt mit bewegendem Inhalt aber auch sehr humorvollen Elementen. Dieses Buch wurde in meinen Augen ganz zurecht mit dem Deutschen Buchpreis 2024 ausgezeichnet und ich möchte unbedingt bald weitere Texte von Hefter lesen.

Zusätzliche Infos:
Titel:
Hey guten Morgen, wie geht es dir
Autorin: Martina Hefter lebt als Autorin und Performerin in Leipzig. Ihre Texte bewegen sich zwischen Gedicht, szenischen Schreibformen und Roman. Viele ihrer Texte setzt sie in Zusammenarbeit mit anderen Künstler*innen szenisch um. Sie veröffentlichte drei Romane und – im kookbooks-Verlag Berlin – fünf Gedichtbände. Für ihren letzten Roman, »Hey guten Morgen, wie geht es dir?«, erhielt sie 2024 den Deutschen Buchpreis.
Sprache: Deutsch
Gebunden mit Schutzumschlag: 224 Seiten
Verlag: Klett-Cotta
Erscheinungstermin: 13.07.2024
ISBN: 978-3-608-98826-0

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