Rezension: Periode ist politisch

 
Dieses Buch ist ein Rezensionexemplar aus dem Heyne Hardcore-Verlag, das mich via Bloggerportal erreicht hat. Vielen herzlichen Dank dafür.

Periode ist politisch. Ein Manifest gegen das Menstruationstabu - Franka Frei

Beschreibung des Verlages:
Was haben eine deutsche Hausfrau, die dänische Kronprinzessin und eine indonesische Fabrikarbeiterin gemeinsam? Sie menstruieren. Zumindest potenziell, denn sie gehören zu jenem Teil der Weltbevölkerung, der einen Zyklus hat. Die sagenumwobene Menstruation, Periode, Erdbeerwoche oder der Besuch von Tante Rosa machen weder Halt vor Herkunft noch vor Religion oder Klasse. Die Menstruation ist eine faszinierende Körperfunktion, dennoch gilt sie häufig als Tabu, was weitreichende Konsequenzen für die Umwelt, Wirtschaft und Geschlechtergleichstellung hat. Also ab in die Tonne mit dem Tabu! Franka Frei zeigt, wie das Menstruationstabu großen Schaden anrichtet, und dass es höchste Zeit ist, etwas dagegen zu tun.

Inhalt:
In kurzen und flüssig zu lesenden Kapiteln werden nicht nur diverse Periodenprodukte und deren Einsatz, sowie zahlreiche informative Fakten, sondern vor allem auch menstruierende Personen aus verschiedenen Teilen der Welt und ihre Lebensumstände vorgestellt. Die Autorin hat auf ihren Reisen Gespräche mit sehr vielen Menschen geführt und dabei herausfinden und nachvollziehbar aufbereiten können, inwiefern Menstruierenden oft der Zugang zu Bildung, Integration in die Gesellschaft und Selbstbestimmung erschwert oder gar verweigert wird und welche Probleme daraus für ganze Familien, Wirtschaftszweige und Länder entstehen können.

Meine Meinung:
"Periode ist politisch" hat mich fasziniert, sehr gut unterhalten, mit lesenswerten Infos versorgt und mir ein paar Zusammenhänge aufgezeigt, die mir zwar schon bewusst waren, deren Ausmass ich mir aber noch nie so ausführlich vor Augen geführt habe. Besonders gut gefallen haben mir die Vielseitigkeit dieses Buches und der Aufbau, der durch die sinnvolle Einteilung der Kapitel sehr stimmig wirkt. Zuerst wird ganz allgemein erklärt, in welchen Bereichen die Verteufelung der Menstruation seit Jahrhunderten anhält und die Autorin geht dieses Thema äusserst kritisch, aber auch humorvoll an und verleiht fleissig goldene Erdbeeren für diese Menschen/Gruppen, welche menstruierende Personen gezielt diskriminieren, Falschinformationen und Menstruationsmythen verbreiten und sich damit gegen die Wissenschaft, den Fortschritt und die Menschenrechte stellen.
Weiter werden die Steuer auf Menstruationsprodukte, die Werbefarcen von Herstellern ebendieser, die Rechte, Bildungschancen und Zukunftsperspektiven von Menstruierenden in Indien und Pakistan beleuchtet und es wird dargestellt, wie sich Periodenscham und Unterdrückung auf einzelne Personen, Länder, die Wirtschaft und letztendlich uns alle auswirken kann.
Ein kleiner Hinweis an den Verlag, den ich aber nicht in die Beurteilung einbeziehen werde, erlaube ich mir aber hier trotzdem noch zu platzieren: erstaunlich viele Druckfehler haben sich in dieses Buch geschlichen, da hätte ich mir ein genaueres Lektorat gewünscht.

Weshalb ist dieses Buch ein Muss für alle?
Periodenscham geht uns alle an, weil ca. die Hälfte der Weltbevölkerung viele Jahre ihres Lebens menstruiert und trotzdem fast gar nie über dieses wichtige Thema gesprochen wird. Damit wird aber bereits jungen Menstruierenden suggeriert, die Vorgänge in ihrem Körper seien irgendwie komisch und unrein und die damit einhergehenden Symptome seien naturgegeben. Wie aber soll man, wenn dieses Thema stets totgeschwiegen wird, erkennen, was denn eigentlich im Körper abgeht, welche Begleiterscheinungen noch zu erwarten sind und welche bereits gefährliche Symptome für schwere Erkrankungen sein können, die vielleicht einmal von einer Fachperson begutachtet werden müssten? "Stell dich nicht so an, ist doch nur Blut", "Du hast doch nur wieder deine Tage" oder "Das geht halt allen Frauen so" sind nicht nur Aussagen, die fast alle von uns kennen, sondern die erstens eine (wahlweise sexistische und/oder rassistische oder sogar religiös begründete) Herabwürdigung von menstruierenden Personen sind - also vor allem von Frauen, die so oder so schon benachteiligt werden und dann aufgrund ihrer Menstruation zusätzliche Benachteiligungen erleben müssen - sondern zweitens auch gefährlich sein können, weil sie dazu anregen, wichtige Symptome von ernsten Erkrankungen zu ignorieren. Noch heute wird beispielsweise Endometriose auch von Gynäkolog*innen oft nicht erkannt, einige Freundinnen von mir können davon ein Lied singen. Jungen Menstruierenden wird gedankenlos die Pille verschrieben und Alternativen zu Tampons und Binden sind kaum bekannt. Nur, wer sich aber ganzheitlich informieren und dann aus einem breiten Angebot auswählen kann und nur wer aufgrund der Menstruation keine Benachteiligung in der Ausbildung und beim Ausüben eines Berufs, aber auch in einer Beziehung, religiösen Gemeinschaft, im Verein und generell im Privatleben erfährt, kann sein Leben als Mensch vollwertig und gleichberechtigt leben. Genau in diese Richtung, also hin zu Aufklärung, Information, breitem Austausch und Ländergrenzen überwindender Gemeinschaft appelliert und arbeitet dieses Buch, weshalb ich es euch allen sehr gerne empfehle.

Meine Empfehlung als Fazit:
"Periode ist politisch" ist informativ, umfassend und sehr verständlich geschrieben und deshalb in meinen Augen ein Buch, das wirklich von allen Menschen, egal welchen Geschlechts und Alters, gelesen werden sollte. Komplexe und weitreichende gesellschaftliche und strukturelle Zusammenhänge und Schwierigkeiten werden aufgezeigt und können allen Leser*innen ins Bewusstsein rufen, dass eine - in unseren Augen - kleine Menge Blut eben nicht überall auf der Welt die gleiche Bedeutung hat.

Zusätzliche Infos:
Titel: Periode ist politisch. Ein Manifest gegen das Menstruationstabu 
Autorin: Franka Frei, 1995 in Köln geboren und im österreichischen Salzburg aufgewachsen, wurde quasi aus Versehen zur Expertin auf einem Gebiet, das sie seitdem nicht mehr loslässt. Seit ihrem Bachelor-Abschluss im Fach Angewandte Medien und dem plötzlichen Viral-Gehen in den sozialen Medien ist sie Menstruationsaktivistin – ein Vollzeitjob, der selbst im hippen Berlin Fragezeichen in die Gesichter zeichnet. Wenn sie nicht gerade in der Gender Studies-Vorlesung an der Humboldt-Universität sitzt, hält Franka Frei Vorträge an Universitäten, Volkshochschulen und Festivals im In- und Ausland und tritt bei Science Slams auf.
Hardcover, Pappband: 256 Seiten
Sprache: Deutsch
Erschienen am: 02. März 2020
ISBN: 978-3-453-27265-1

4 Kommentare:

  1. Huhu Livia,

    tolle Rezension! :3 Ich hatte das Buch auch schon im Blick, war aber nicht so ganz sicher, was mich da erwartet und habe daher erstmal abgewartet. :D Gerade die Infos, wie es in anderen Ländern aussieht, klingen aber total interessant! Ich wusste bisher nur von einer Freundin, die oft nach Indien reist, dass sie dort quasi eine Woche lang "aus dem Verkehr gezogen wird", wenn sie erwähnt, dass sie ihre Periode hat (sie lebt dort regelmäßig bei einer Familie auf dem Land). Hier in Deutschland - oder zumindest in meinem Umfeld - ist es aber eigentlich kein Tabu-Thema. Leider erinnere ich mich aber auch nicht mehr genau, wie das im Bio-Unterricht behandelt wurde, also ob ich da das Gefühl hatte, alle Hintergründe zu verstehen.
    Ich werde mir das Buch auf jeden Fall näher ansehen!

    Liebe Grüße
    Alica

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    1. Liebe Alica

      Vielen Dank für deine Worte.

      Ich fand das auch total spannend und klar, jede Kultur (und innerhalb dieser Kultur jede Familie) hat einen ganz eigenen Umgang mit der Menstruation. Es geht im Buch nicht nur um das Menstruationstabu, das ich in meinem Umfeld zum Glück auch nicht erlebe, sondern auch um die Unterdrückung und die Nachteile, welche menstruierende Menschen aufgrund diverser struktureller Probleme und der Übermacht des Patriarchats, aber auch infolge schlechter hygienischer Bedingungen oder mangelnder Bildung erfahren müssen. Da gibt es noch einiges zu tun und wir sind hier im Westen Europas sehr privilegiert, es ist aber wichtig, gerade unser Bewusstsein für diese Zusammenhänge zu verstärken, damit in anderen Ländern Dinge in Bewegung geraten.

      Alles Liebe und ich würde mich total freuen, wenn du dieses Buch lesen würdest
      Livia

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  2. Liebe Livia,
    das Buch hab ich auch schon gesehen und mir überlegt ob ich es kaufen soll. Aber hab mich dann dagegen entschieden, nicht weil ich das Thema nicht spannend finde, im Gegenteil. Auch ich finde das es aus der Tabuzone raus muss. Doch in trete in die letzte Phase ein, ich befinde mich in den Wechseljahren also für mich sicher nicht mehr ganz so wichtig, denn bei mir geht es jetzt um andere Themen.
    Aber dennoch danke für die tolle Rezension ;)
    Liebe Grüsse
    Alexandra

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    1. Liebe Alexandra

      Im Buch geht es nicht nur um das Menstruationstabu, sondern um alle Nachteile, welche menstruierende Menschen im Laufe ihres Lebens erfahren müssen. Dieses Buch geht uns alle an, ist total spannend und verständlich geschrieben und ist gerade für diese Menschen, die nicht (mehr) menstruieren sehr wichtig, weil ein Umdenken nur stattfinden kann, wenn alle mitmachen.

      Wenn es dich also so oder so interessiert, dann würde ich dir empfehlen, dem Buch eine Chance zu geben. Es lohnt sich meiner Meinung nach sehr.

      Alles Liebe
      Livia

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