Das Fräulein

Das Fräulein - Ivo Andrić

Klappentext:
Eisern sparen, unbarmherzig sein, den Regungen des eigenen Herzens nicht nachgeben - das schärft Rajkas Vater seiner Tochter auf dem Sterbebett ein. Wie das "Fräulein" sich an diesen Rat hält, wie sie immer reicher und dabei einsamer wird und schliesslich doch bereit ist, ihre Prinzipien über Bord zu werfen, das erzählt der Nobelpreisträger Ivo Andrić in seiner meisterhaften Charakterstudie.

Inhalt:
Rajka Radaković ist erst fünfzehn Jahre alt, als sie ihren Vater verliert. Zuvor hatte sie zugesehen, wie er verarmt war und nach und nach an Ansehen verloren hatte. Dies würde ihr nie passieren, schwor sie sich und als ihr Vater ihr dann auf seinem Sterbebett das Versprechen abnimmt, immer sparsam, gewissenhaft und streng zu sich und anderen zu sein, nimmt sie seine Worte vielleicht ein bisschen zu ernst. Nach seinem Tod beginnt sie, den Haushalt und immer mehr Geldgeschäfte selber in die Hand zu nehmen. Immer strenger ist sie ihrer Mutter und ihren anderen Verwandten gegenüber. Sie spart eisern an allen Ecken und Enden. Am Tag ihrer Volljährigkeit lässt sie sich ihr Geld von der Versicherungsgesellschaft auszahlen und hat nun die Möglichkeit, mit kleinen und immer grösser werdenden Anlagegeschäften ein Vermögen zu verdienen. Dass sie dabei immer einsamer wird, ist ihr anfänglich nicht so wichtig. Doch nach und nach nagen Zweifel an ihrer strengen Haltung.

Meine Meinung:
Dass ich die Bücher von Ivo Andrić eines nach dem anderen verschlinge und dass ich nach der Lektüre dieser kritischen, mit Liebe zu Land und Leuten erzählten und sehr anspruchsvoll geschriebenen Erzählungen immer total begeistert bin, das sollte euch nicht entgangen sein.
Mit dem Fräulein hingegen hatte ich ein wenig mehr und länger zu kämpfen. Dieses eigentlich nicht so umfangreiche Buch hat mich länger beschäftigt und nicht immer so gut unterhalten, wie ich gedacht hatte. Die Erlebnisse dieser durch den Tod ihres Vaters traumatisierten und dadurch an ein zu ernst genommenes Versprechen gebundene junge Frau sollen zum Nachdenken anregen und tun dies auch. Der Leser begleitet die Protagonistin durch die Zeit der Annexion Bosniens und der Herzegowina, den ersten Weltkrieg und die darauf folgenden Hochs und Tiefs der Wirtschaft und innerhalb der Bevölkerung und nimmt schneller als ihr Umfeld und sie selber wahr, dass aus ihrer Abschottung nur eine Vergrämung resultieren kann.
Rajkas Umgang mit ihrer Mutter, den weiteren Angehörigen und den Hausangestellten sind herzlos und generell wirkt es so, als wären sämtliche ihrer Gefühle zusammen mit ihrem Vater gestorben. Nur selten nimmt man die Andeutung einer Regung, das leise Aufblitzen und sofortige Verglimmen eines Funken Mitleids oder ein wenig Verständnis für ihre Mitmenschen wahr. Meistens sind ihre Gefühle aber hinter der Maske einer unbarmherzigen alten Frau verborgen, die nur für sich und ihre Million arbeitet. Auch politische Umstürze im Land scheinen sie nur so viel zu kümmern, wie ihre Geschäfte direkt davon betroffen sind und so wundert es auch nicht, dass sie sich stets jener Gesinnung zumindest scheinbar zuwendet, die ihr den grössten Gewinn oder den geringsten Schaden versprechen.
Der Schreibstil hat mir sehr zugesagt, wieder zeichnen eine gute Beobachtungsgabe und eine genaue Beschreibung die Erzählung aus. Nur wurde mir die ganze Geschichte irgendwann zu langatmig und auch ein wenig vorhersehbar. Immer zäher wurden die Abschnitte, immer länger die Kapitel und ich war dann schliesslich doch froh, als ich das Buch gelesen hatte.
Ih muss allerdings anmerken, dass mir der zweite Teil des Buches, der in Belgrad spielt, deutlich besser gefallen hat, als der erste Teil. Aber auch dort stellte sich irgendwann wieder der "alte Trott" ein. Vielleicht ist es vom Autor beabsichtigt, auf der Grundproblematik des Geizes zu beharren. Dann ist ihm das gut gelungen. Ansonsten darf man aber wahrscheinlich schon davon sprechen, dass diese Erzählung ein wenig zu gestreckt daher kommt.

Fazit:
Auch dieses Buch von Ivo Andrić sit ein erzählerisches Meisterstück, nur stockt die Handlung manchmal ein wenig zu sehr und die Spannung geht verloren.

Zusätzliche Infos:
Autor: Ivo Andrić
Taschenbuche: 284 Seiten
Sprache: Deutsch
Originalsprache: Serbokroatisch
Übersetzt von: Edmund Schneeweis
ISBN 3-518-39989-6

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