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08 Mai 2024

Rezension: Und alle so still

Und alle so still - Mareike Fallwickl

Beschreibung des Verlages:

An einem Sonntag im Juni gerät die Welt aus dem Takt: Frauen liegen auf der Straße. Reglos, in stillem Protest. Hier kreuzen sich die Wege von Elin, Nuri und Ruth. Elin, Anfang zwanzig, eine erfolgreiche Influencerin, der etwas zugestoßen ist, von dem sie nicht weiß, ob es Gewalt war. Nuri, neunzehn Jahre, der die Schule abgebrochen hat und versucht, sich als Fahrradkurier, Bettenschubser und Barkeeper über Wasser zu halten. Ruth, Mitte fünfzig, die als Pflegefachkraft im Krankenhaus arbeitet und deren Pflichtgefühl unerschöpflich scheint.
Es ist der Beginn einer Revolte, bei der Frauen nicht mehr das tun, was sie immer getan haben. Plötzlich steht alles infrage, worauf unser System fußt. Ergreifen Elin, Nuri und Ruth die Chance auf Veränderung?

Inhalt:
Es ist scheinbar ein Tag wie jeder andere, aber einzelne Frauen legen sich in einem stillen Protest auf den Boden. Wir sehen Ruth im Zwiespalt zwischen ihrer Verantwortung als Krankenpflegerin und ihrer persönlichen Erschöpfung, Elin, die sehr wohlhabend aufgewachsen ist und als Influencerin arbeitet und Nuri, dessen Eltern nach Österreich gekommen sind, in der Hoffnung, sich ein neues Leben aufzubauen und der sich von schlecht bezahltem Gelegenheitsjob zu Gelegenheitsjob rettet.
Wir lesen, wie die Menschen sich einander annähern, wie unsere Hauptfiguren sich kennenlernen, wie sie zusehen, wie alles zu entgleiten droht und welche Lösungen sich vielleicht daraus ergeben könnten.

Meine Meinung:
Natürlich wusste ich, worauf ich mich in etwa beim Lesen einlassen würde, an diesem Buch kommt man ja seit Wochen nicht mehr vorbei, aber ich hatte Rezensionen und Beschreibungen bewusst bloss überflogen, um mich ganz auf das Buch einlassen zu können. Ich bin sehr gut in die Geschichte gekommen und habe vor allem Ruth sofort ins Herz geschlossen. Fallwickl hat sich ausführlich mit der Arbeit im Gesundheitssystem auseinandergesetzt und dies wunderbar in die Figur und die Beschreibungen einfliessen lassen. Ruth war es auch, die mich wirklich zu Tränen gerührt hat und deren Umgang mit der Situation mich am stärksten beeindruckt hat. Mir hat aber auch sehr gut gefallen, dass Fallwickl mit Nuri einen ebenfalls vom System benachteiligten Mann, einen Menschen mit Migrationshintergrund, der weit unter dem Existenzminimum (über-)lebt und seine Ausbildung abgebrochen hat, um Geld verdienen zu können, portraitiert. Der Roman zeigt auf, dass eben nicht nur Frauen von vorherrschenden Strukturen benachteiligt werden, sondern dass gesamthafte Lösungen uns allen helfen würden.

Sprache und Aufbau:
In gewohnt sehr detailliert und poetisch beschreibender Sprache entwickelt Fallwickl diese Geschichte und springt einfach mitten in die Szene hinein. Dies hat mir persönlich sehr gut gefallen. Wir alle wissen, was Sache ist, ein überlastetes System bricht zusammen, die Menschen, die es mit letzter Kraft zusammenhalten, brechen zusammen und eine Lösung dafür gibt es nicht oder zumindest nicht über Nacht. Nach und nach wurde die Geschichte zäh und zäher und die Dialoge wirkten für mich immer theatralischer. Hier hätte ich mir mehr Schlichtheit aber auch mehr Schlagk

raft gewünscht. Ich bin aber sehr froh, dass Fallwickl dem Grundsatz treu geblieben ist, positive, von Liebe geprägte und unterstützende Beziehungen zwischen Frauen darzustellen.
Das Ende des Romans habe ich mit eher gemischten Gefühlen erwartet, wusste ich doch, dass es aus der im Roman mit den sich hinlegenden Frauen überspitzt dargestellten Situation nicht wirklich einen Ausweg geben würde. Fallwickl hat aber einen guten, sehr passenden und eher offenen Schluss für diese Geschichte gefunden und insgesamt haben mich natürlich vor allem der Inhalt, aber auch der Aufbau und die Sprache sehr überzeugt.

Meine Empfehlung:
Lest ihn, den feministischen Roman der Stunde. Lasst euch ein auf dieses was-wäre-wenn-Gefühl, fühlt euch getragen von weiblicher Solidarität und Liebe, von der Hoffnung auf eine Gesellschaft, die zusammenspannt. Diskutiert dieses Buch, kritisiert es, wenn ihr mögt, zieht eure Lehren daraus und transportiert dann positive, unterstützende Gefühle aber auch viel Aktivismus in euer Umfeld, eure Freund*innenschaften und eure Familien.

Zusätzliche Infos:
Titel:
Und alle so still
Autorin: Mareike Fallwickl, 1983 in Hallein bei Salzburg geboren, lebt mit ihrer Familie im Salzburger Land. 2018 erschien Dunkelgrün fast schwarz. 2019 folgte Das Licht ist hier viel heller. Ihr Bestseller Die Wut, die bleibt war ein großer Erfolg bei Presse und Publikum. Die Bühnenfassung hatte im Sommer 2023 Premiere bei den Salzburger Festspielen. Mareike Fallwickl setzt sich für Literaturvermittlung ein, mit Fokus auf weiblichen Erzählstimmen.
Sprache: Deutsch
Hardcover mit Schutzumschlag: 368 Seiten
Verlag: Rowohlt
Erscheinungstermin: 16.04.2024
ISBN: 978-3-498-00298-5

07 Mai 2024

Rezension: Das Nachtfräuleinspiel

Dieses Buch ist ein Rezensionsexemplar aus dem dtv Verlag. Vielen herzlichen Dank!

Das Nachtfräuleinspiel - Anja Jonuleit

Beschreibung des Verlages:

Ihr Unbehagen hatte einzig und allein mit dem Anruf zu tun, den sie gestern Abend erhalten hatte. Und mit den Geistern, die dadurch ins Haus gewitscht waren. Warum hatte sie überhaupt den Hörer abgenommen?
Liane van der Berg kann auf ein erfolgreiches Leben blicken: Sie gilt als eine der führenden Erziehungsexpertinnen des Landes, ist seit Jahrzehnten glücklich verheiratet und hat wunderbare Kinder.
Doch ist Lianes Leben wirklich so perfekt? Ein verstörender Anruf und ein Brief voll gut verborgen geglaubter Geheimnisse bringt alles in Wanken. Und auf einmal ist er wieder da, jener Ostermontag 1968, an dem alles begann …

TW: Vergewaltigung, emotionale und körperliche Gewalt, auch an Kindern

Inhalt:
Liane van der Berg ist Vorzeigemutter und Ehefrau, gefeierte Psychologin und Familientherapeutin sowie erfolgreiche Buchautorin und Fernsehfrau. Doch dies ist nur das Bild, das sie von sich in den Medien und in ihrem Umfeld abgeben will. Eines Tages erhält sie einen rätselhaften Brief und weitere Szenen aus ihrer Vergangenheit scheinen sich plötzlich wieder in ihr Leben zu schleichen. Jemand treibt ein böses Spiel mit ihr und sie muss dieser Person unbedingt auf die Schliche kommen, bevor alle ihre sorgsam gehüteten Geheimnisse ans Tageslicht kommen.

Meine Meinung:
Anja Jonuleit hat mich im April kontaktiert und weil ihre Nachricht so lieb und aufmerksam formuliert war, wollte ich ihre Bücher unbedingt kennenlernen und habe mir "Das Nachtfräuleinspiel" ausgesucht und dazu auch gleich noch ihren neusten Roman "Kaiserwald" bekommen.
Es fällt mir schwer, in Worte zu fassen, wie sehr ich die Protagonistin verabscheut und das Buch gleichzeitig gemocht habe, Jonuleit beweist hier wirklich ein Händchen für ihre Figuren, aber auch eine grossartige Recherchearbeit. Sie verknüpft geschickt eine Sage mit einem Karnevalsbrauch und einer tragischen Familiengeschichte. Vor allem im Bereich der Pädagogik hat sich die Autorin mit der viel kritisierten Festhaltetherapie und der Waldorfschule befasst und einige entsprechende Szenen in ihre Geschichte einfliessen lassen. Im Nachwort geht sie noch einmal ausführlich sowohl auf den Karnevalsbrauch als auch auf ihre Recherchen zur Pädagogik ein.

Schreibstil und Aufbau:
Während wir es anfangs mit einem rätselhaften Brief und einer vermeintlich harmlosen älteren Dame zu tun haben, tauchen wir mit jedem Kapitel tiefer in das Leben einer nach aussen hin glücklichen Familie ein und lüften Geheimnis um Geheimnis. Ausserdem wird die Geschichte immer spannender und bedrohlicher. Wer steckt hinter den böswilligen Anschlägen auf Liane van der Berg? Wo wird diese Geschichte noch hinführen? Vor allem am Ende konnte ich das Buch kaum mehr aus der Hand legen und auch wenn sich irgendwann abzeichnete, worauf alles hinauslaufen würde, hat mich auch der Schluss sehr überzeugt.

Meine Empfehlung:
"Das Nachtfräuleinspiel" hat mich mit seiner tiefgründigen Geschichte überrascht und gefesselt und ich bin froh, dass sich Anja Jonuleit bei mir gemeldet hat, ich werde sicher bald weitere Bücher der Autorin lesen und "Kaiserwald" liegt ja bereits schon hier. Herzliche Leseempfehlung!

Zusätzliche Infos:
Titel:
Das Nachtfräuleinspiel
Autorin: Anja Jonuleit wurde in Bonn geboren. Sie arbeitete als Übersetzerin und Dolmetscherin, bis sie anfing, Romane und Geschichten zu schreiben. Sie lebt mit ihrer Familie nahe Friedrichshafen.
Sprache: Deutsch
Taschenbuch, Klappenbroschur: 496 Seiten
Verlag: dtv Verlag
Erscheinungsdatum: 23.04.2021
ISBN: 978-3-423-21918-1

03 Mai 2024

Leseliste Mai 2024

Hallo ihr Lieben

Da ich aus dem April fünf begonnene Bücher mitnehme, war es sehr naheliegend, für den Mai eine Leseliste zusammenzustellen. Die begonnenen Bücher habe ich mit einigen zusätzlichen Büchern ergänzt, die ich ebenfalls ganz bald lesen möchte und dann schaue ich einfach, was ich im Mai alles beenden kann.

Und alle so still - Mareike Fallwickl
Fallwickls neuen Roman habe ich sehnsüchtig erwartet und vorbestellt und es ist bis jetzt das erste selbstgekaufte Buch im Jahr 2024. Leider komme ich einfach sehr selten dazu, weiterzulesen, obwohl mich die Geschichte beeindruckt. Gestern wollte ich das Buch eigentlich beenden, aber nun wird es halt auf das Wochenende verschoben. Da die Themen ziemlich intensiv sind, möchte ich das Buch nicht unterwegs lesen, sondern lese es zu Hause und bin auch deshalb nicht so schnell.

Das Nachtfräuleinspiel - Anja Jonuleit
Dieses Buch ist ein Rezensionsexemplar aus dem dtv Verlag und ich werde es ebenfalls an diesem Wochenende beenden. Es gefällt mir sehr gut und beinhaltet eine dramatische Familiengeschichte. Die Protagonistin ist eine - absichtlich - äusserst unsympathisch dargestellte Mutter und Psychologin. Diese Perspektive habe ich selten bei Büchern. Obwohl ich sie verabscheue (und ganz, ganz wenig bemitleide), möchte ich unbedingt wissen, wie alles ausgeht.

Leuchtturmnächte - Debbie Macomber
Das Buch ist noch nicht begonnen, ich habe aber beim Stöbern in meinem SuB so richtig Lust auf diese wahrscheinlich eher leichte und unterhaltsame Geschichte und freue mich schon sehr darauf.

Der Zopf meiner Grossmutter - Alina Bronsky
Das Buch habe ich im März in einem Bücherschrank gefunden und wollte es eigentlich sofort lesen, bin aber noch nicht dazu gekommen. Von Alina Bronsky hat mich "Baba Dunjas letzte Liebe" vor einigen Monaten nämlich sehr begeistert. Ich hoffe auf eine weitere begeisternde Geschichte.

Welches Königreich - Fine Gråbøls
Dieses Buch ist ein Rezensionsexemplar aus dem Ecco Verlag und ich habe die ersten Kapitel bereits inhaliert. Ich möchte es ganz bald beenden und mich noch mehr auf diese bewegende, sprachgewaltige Geschichte einlassen.

Send Nudes - Baba Sams
Eigentlich habe ich das Buch im April beenden wollen, die Kurzgeschichten gefallen mir sehr. Da es ein Bibliotheksbuch ist (das ich in der Zwischenzeit auch schon verlängert habe) möchte ich es nicht unterwegs lesen und komme deshalb nicht so oft dazu.

Florence Butterfield und die Nachtschwalbe - Susan Fletcher
Das Buch habe ich anfangs April in Barcelona begonnen und mochte es auch sehr. Dann habe ich aber entschieden, meinen Rezensionsexemplaren den Vorrang zu geben, weshalb ich das Buch pausiert habe und nun im Mai beenden möchte.

Welche dieser Bücher kennt ihr bereits? Haben sie euch gefallen? Oder habt ihr vielleicht noch eines davon auf dem SuB und möchtet es gemeinsam mit mir lesen?

Ganz liebe Grüsse
Livia

02 Mai 2024

Lese-Statistik April 2024

Hallo ihr Lieben

Der April liegt hinter uns und er war sehr gut zu mir. So gut gefüllt war ein Monat schon lange nicht mehr und es war genau die richtige Entscheidung, am Anfang des Monats eine Woche Barcelona einzubauen und so Kraft zu tanken für die verbleibenden Apriltage. Reiseberichte habe ich nur bei Instagram getippt (HIER, HIER und HIER), lade euch aber natürlich gerne ein, dort zu stöbern.
Vier Konzerte in vier Kantonen, viele Anlässe an der Musikschule, vier bis fünf Unterrichtstage pro Woche und ganz viele Proben haben für einige Zugstunden und den bisher arbeitsintensivsten aber auch spannendsten Monat des Jahres gesorgt. Wie ihr aber am Titelbild schon erkennen könnt, war das Lesen - respektive das Beenden von Büchern - nicht ganz so erfolgreich. Beendet habe ich drei Bücher (das Bibliotheksbuch hat es nicht mehr aufs Bild geschafft), begonnen habe ich fünf Bücher, die ich alle im Mai beenden möchte. Diese wahrscheinlich ein wenig spezielle Situation hat mit meinem eher rastlosen Leseverhalten zu tun, ist aber auch dem Umstand geschuldet, dass ich problemlos viele Bücher parallel lesen oder auch pausieren und wieder einsteigen kann, ohne die Übersicht zu verlieren.

Gelesen im April:

Beklemmende Geschichte über Familien, toxische Beziehungen, Gewalt, langsam aber spannend erzählt


Modernes Vampirbuch mit einer Vampirin, die versucht, ihre eigene Moral zu finden, als Protagonistin


Ein wenig gar simpel geschriebenes aber gut recherchiertes feministisches Buch, guter Einstieg ins Thema


Alle Seitenzahlen und Rezensionen:

Babysitter - Joyce Carol Oates   (624 Seiten)
Die Hungrige - Claire Kohda   (304 Seiten)
Sei kein Mann, Warum Männlichkeit ein Albtraum für Jungs ist - JJ Bola   (160 Seiten)

Neuzugänge:

Da muss ich jetzt wirklich kurz noch etwas loswerden....der April hat meinen SuB explodieren lassen und ich bin ehrlich gesagt ganz fein damit. Es sind Bücher auf ganz unterschiedlichen Wegen hier eingezogen. Vier Rezensionsexemplare (eines davon nicht angefragt) waren dabei, ganz viele Bücherschrankfunde und Buchgeschenke. Ausserdem habe ich mir im April das erste Buch in diesem Jahr gekauft und zwar "Und alle so still" von Mareike Fallwickl. Ja, Bücher können ein sehr teures Hobby sein, aber mit Bibliotheks- und Bücherschrankbesuchen kann man sich wirklich sehr, sehr gut über Wasser halten und dann um so mehr Geld in die Bücher investieren, die man wirklich, wirklich, wirklich neu besitzen möchte.

Das Nachtfräuleinspiel - Anja Jonuleit (Rezensionsexemplar)
Kaiserwald - Anja Jonuleit (Rezensionsexemplar)
Die Hungrige - Claire Kohda  (Rezensionsexemplar)
Welches Königreich - Fine Gråbøl (Rezensionsexemplar)
Die Halbwertszeit von Glück - Louise Pelt (Prämienbuch der Lesejury)
Wo ich dich finde - Amanda Brooke (am Strassenrand gefunden)
Himmelhorn - Volker Klüpfel und Michael Kobr (im Kollegiumszimmer im Mitnahmeregal gefunden)
Frankie - Jochen Gutsch und Maxim Leo (Wanderbuch)
Paare - Maggie Millner (Buchgeschenk von Enif)
Das andere Tal - Scott Alexander (Buchgeschenk von Enif)
Sie sagt, er sagt- Ferdinand von Schirach (Buchgeschenk von Enif)
Ein Geist in der Kehle -
Doireann Ní Ghríofa (Bücherschrankfund)
Und alle so still - Mareike Fallwickl (erster Buchkauf dieses Jahres)


Alle Zahlen in der Übersicht:

Gelesene Bücher: 3
Abgebrochene Bücher: -
Aussortierte Bücher: -
Gelesene Seiten: 1'088 Seiten
Durchschnittliche Seitenzahl pro Tag: 36.27 Seiten
Bücher von Autorinnen: 2
Bücher von Autoren: 1
Autor*innenduos (oder Gruppen): -
Geschenkt bekommene Bücher: 3
Ausgeliehen: 1
Buchgewinn: -
Buchprämien: 1
Rezensionsexemplare: 4
Gekaufte Bücher: 1
Eingesammelte Bücher: 3
Bibliotheksbücher: -
Gesamte Neuzugänge: 9
SuB am Monatsbeginn:
57 (+2)
Aktueller SuB: 67 (+1) Bücher
Differenz: +9

21 April 2024

Kurzrezension: Sei kein Mann

Sei kein Mann, Warum Männlichkeit ein Albtraum für Jungs ist - JJ Bola

Beschreibung des Verlages:

Wann ist ein Mann ein Mann?
In der Ära von Trump, #MeToo und Attentätern wie in Halle oder Hanau ist Männlichkeit kein positiver Begriff mehr. Der Aktivist JJ Bola sucht Auswege aus der Krise. Dabei betrachtet er Einflüsse aus nichtwestlichen Traditionen, aus Popkultur und der LGBTQ+-Community und zeigt, wie vielfältig Männlichkeit sein kann.
JJ Bola lädt in versöhnlichem Ton ein zum Gespräch zwischen verhärteten Fronten. Denn erst wenn sich auch die Männer und der Begriff von Männlichkeit verändern, wird es echte Geschlechtergerechtigkeit geben.

Meine Meinung:
JJ Bola nimmt sich mit diesem Buch einem sehr wichtigen Thema an, von dem wohl einige von uns sich wünschen, dass es vermehrt ins Bewusstsein der ganzen - also auch der männlichen - Bevölkerung gerät. Die negativen Auswirkungen von (alten/klassichen) Männerbildern, Männlichkeiten und natürlich des Patriarchats an sich sind nämlich nicht nur für Frauen sowie natürlich sämtliche Minderheiten, sondern auch für Männer verheerend. Dies zeigt Bola eindrücklich an vielen Alltagsbeispielen, die er mit aussagekräftigen Statistiken und Quellen belegt. Leider ist mir sein Buch insgesamt ein wenig zu simpel geschrieben und ich schätze zwar sehr, dass er verschiedenste Probleme benennt - und ich freue mich über jede männliche Stimme, die sich gegen vorherrschende veraltete und diskriminierende Strukturen stellt - allerdings sind mir in seinem Buch zu wenige Lösungsansätze und auch zu wenig kritische Auseinandersetzung mit sich selber und seiner Rolle im System enthalten.
Gleichzeitig muss ich erwähnen, dass ich einfach schon sehr viele feministische und systemkritische Bücher aus vor allem weiblicher/queerer Perspektive gelesen habe und von diesem Buch einfach nicht mehr viel Neues mitnehmen konnte. Ich empfinde es aber als sehr guter Einstieg ins Thema vor allem auch für junge Menschen und explizit für junge Männer.

Fazit:
Obwohl ich mir sicher bin, dass es unbedingt auch männliche Stimmen bruacht, welche die Auswirkungen des Patriarchats/toxischer Männlichkeiten thematisieren und kritisieren, bin ich mir nicht ganz sicher, was ich von diesem Buch halten soll. Mir persönlich ist es viel zu seicht geschrieben und es präsentiert auch nicht wirklich (oder nur ganz kurz am Ende) Lösungen. Persönlich denke ich, dass es ein guter Einstieg ist für junge Menschen (Männer), die sich noch gar nicht mit dem Thema befasst haben, selber konnte ich allerdings nicht wirklich viel neues aus dem Buch mitnehmen.

Zusätzliche Infos:
Titel:
Sei kein Mann, warum Männlichkeit ein Albtraum für Jungs ist
Originaltitel: Mask Off
Autor: JJ Bola, geboren in Kinshasa im Kongo, ist Autor und Aktivist. Im Alter von sechs Jahren flüchtete er dank der diplomatischen Verbindungen seines Großvaters mit seiner Familie. Er wuchs in London in einer Brennpunkt-Siedlung auf. Nach seinem Master in Kreativem Schreiben an der Birkbeck University arbeitete er einige Jahre als Sozialarbeiter mit Jugendlichen mit psychischen Problemen. Bola engagiert sich weltweit zu Rassismus, Migrationserfahrungen und Männlichkeit. Er veröffentlichte drei Gedichtbände und einen Roman.
Sprache: Deutsch
Aus dem Englischen von: Malcolm Ohanwe
Taschenbuch: 160 Seiten
Verlag: hanserblau
Erscheinungsdatum: 24.01.2022
ISBN: 978-3-446-27283-5

20 April 2024

Rezension: Die Hungrige

Dieses Rezensionsexemplar aus dem btb Verlag hat mich via Bloggerportal erreicht, vielen Dank!

Die Hungrige - Claire Kohda

Beschreibung des Verlages:

»Einer der originellsten Vampirromane seit Langem.« New York Times Book Review
Lydia hat Hunger. Seit sie denken kann, sehnt sie sich nach Sashimi, Ramen oder Onigiri mit saurer Pflaumenfüllung. Doch das einzige, was sie wirklich zu sich nehmen kann, ist Blut: Lydia ist ein Vampir und fühlt sich fremd unter den Menschen. Nach dem Auszug aus der Wohnung ihrer Mutter in ein Künstlerloft muss Lydia feststellen, dass vieles schwieriger ist als erwartet. Da sind die hippen Leute in der Galerie, in der sie ein Praktikum macht, die seltsamen Männer, die ihr Avancen machen, und Ben, ein junger Künstler, für den sie Gefühle entwickelt. Lydia weiß, dass Menschen ihre natürliche Beute sind, aber sie will ihrem Verlangen nicht nachgeben. Wie soll Lydia existieren in einer Welt, die nicht für Wesen wie sie gemacht zu sein scheint? Für welchen Weg auch immer sie sich entscheiden wird, zunächst einmal muss sie essen.

Inhalt:
Lydia ist neu in der Stadt und soll bald ihr Praktikum in einer grossen Galerie beginnen. Als Performancekünstlerin richtet sie sich ein eigenes Atelier ein, in dem sie auch zu wohnen plant, als Vampirin ist sie stets auf der Suche nach Nahrung. Von ihrer Mutter, die sie mittlerweile in einem Pflegeheim untergebracht hat, hat sie gelernt, sich lediglich von Schweineblut zu ernähren. In ihrer neuen Umgebung fällt es ihr aber immer schwerer, sich nichtmenschliche Nahrung zu besorgen.

Meine Meinung:
Ein Vampirroman mit einer Vampirin in der Hauptrolle und dann hat ihn auch noch eine Musikerin geschrieben? Dieses Buch musste ich natürlich unbedingt lesen und bin ganz begeistert vom Aufbau dieser Geschichte und vom eher leichten Schreibstil, der trotzdem tief blicken lässt. Besonders gut gefallen hat mir, dass auch Themen wie Sexismus und Ausbeutung in der Kunstwelt, Rassismus und Spezieismus zur Sprache kommen. Auch kritisiert die Protagonistin immer wieder gewisse Entscheidungen ihrer Mutter, welche diese aufgrund fadenscheiniger religiöser Argumente gefällt hat und versucht dabei stets, ihren eigenen moralischen Kompass zu finden, ohne dabei zu verhungern.

Schreibstil und Aufbau:
Mir hat gefallen, dass ich von Anfang an mitten im Geschehen war. Zuerst empfand ich das Buch allerdings als ein wenig zu langsam erzählt, bemerkte dann aber, welche Sogwirkung vom Schreibstil ausging. Kohda verspinnt eine feinsinnige Romanze, einen Generationenkonflikt und das Aussenseiterdasein ihrer Protagonistin geschickt in ihrer Geschichte und zeigt dabei auch ein Händchen für fundierte kunsthistorische und kulinarische Details. Letztere liessen mir beim Lesen einige Male das Wasser im Munde zusammenlaufen.

Meine Empfehlung:
Die Autorin hat mich mit dieser aussergewöhnlichen Lektüre, ihrer faszinierenden Protagonistin, den detaillierten Beschreibungen sowie den gründlichen kunsthistorischen und kulinarischen Recherchen beeindruckt. Ich empfehle diesen ganz anderen Vampirroman sehr gerne weiter.

Zusätzliche Infos:
Titel:
Die Hungrige
Originaltitel: Woman, eating
Autorin: Claire Kohda ist eine japanisch-englische Violinistin und Autorin. Ihre Texte erschienen unter anderem in The Guardian, TLS, Financial Times, New York Times. Als Musikerin spielte sie mit Künstlern wie Sigur Rós, The National and Jessie Ware und wirkte bei der Filmmusik von Die zwei Päpste und Matrix Resurrections mit.
Sprache: Deutsch
Aus dem Englischen von: Barbara Schaden
Paperback, Klappenbroschur: 304 Seiten
Verlag: btb Verlag
Erschienen am: 13. März 2024
ISBN: 978-3-442-77378-7

13 April 2024

Rezension: Babysitter

Rezensionsexemplar aus dem Ecco-Verlag, vielen Dank.

Babysitter - Joyce Carol Oates

Beschreibung des Verlages:
Der gefeierte neue Roman von Joyce Carol Oates und »definitiv eines ihrer besten Bücher« (Observer).
Detroit, in den späten 1970ern: Hannah, Ehefrau und Mutter, beginnt eine Affäre mit einem gefährlichen Fremden; Mikey, der sich mit zwielichtigen Aufträgen durchschlägt, beschließt, sich endlich seiner traumatischen Vergangenheit zu stellen; und dann ist da dieser Serienkiller, der als Mörder kleiner Kinder unter dem Namen Babysitter Berühmtheit erlangt – eine rätselhafte Figur mit augenscheinlichen Verbindungen zur Elite Detroits, der jedoch bisher jeglicher Vergeltung entkam.
Während Hannah dem Mann, den sie nur unter dem Namen Y. K. kennt, zunehmend verfällt, scheint auch der Babysitter immer näher zu kommen. Und erneut verschwindet ein Kind direkt aus Hannahs Nachbarschaft.

TW: Kindesentführung, sexualisierte Gewalt (auch an Kindern), Vergewaltigung, Drogen, Gewalt

Inhalt:

Hannah ist die pefekte Ehefrau und Mutter und lebt in den späten 70erJahren in einer wohlhabenden Siedlung in einem schönen Haus. Die Rassenunruhen lassen sie als wohlsituierte Weisse kalt, vielmehr lebt sie ein scheinbar unbeschwertes Vorzeigeleben. Doch die Fassade bröckelt. Sie lässt sich auf eine lieblose Affäre mit einem gewalttätigen Mann ein und in der Umgebung treibt ein Killer sein Unwesen, der es auf Kinder abgesehen hat. Ist sie in Gefahr? Hat ihr Geliebter etwas mit dem Mörder - von der Presse nur "Babysitter" genannt - zu tun?

Meine Meinung:
Via Instagram hat mich der Ecco-Verlag gefragt, ob ich dieses Buch lesen möchte und ich war sofort fasziniert von der Beschreibung. Die ersten paar Seiten habe ich förmlich inhaliert, der Schreibstil ist einzigartig und auch wenn ich einige Handlungen der Protagonistin so gar nicht nachvollziehen konnte - man muss allerdings auch sagen, dass Frauen vor sechzig Jahren wohl ihre Beziehungen einfach anders geführt haben, als dies heute der Fall ist - so war ich komplett eingenommen vom Sog, der Oates Sprache auslöst. Vom ersten Satz an wird klar, dass keine Figur diese Geschichte unbehelligt überstehen wird und mit jedem Kapitel wird klarer, wie alles zusammenhängen könnte und in welch verheerenden Situation sich unsere Protagonistin befindet.

Aufbau:

Ganz am Anfang habe ich noch nicht verstanden, welche Figur jeweils am Zug ist. Die Perspektive wechselt teilweise von Kapitel zu Kapitel und verschiedene Deck- und Spitznamen haben mir die Übersicht am Anfang ein wenig erschwert. Nach und nach findet jedes Teilchen seinen Platz, die Zusammenhänge werden klarer und alles zielt auf ein dramatisches, unausweichliches Ende hin. Dieses allerdings war mir persönlich ein wenig zu langweilig und schwammig erzählt, wenn auch Anfang und Ende perfekt ineinandergreifen.
Die ganze Geschichte ist langsam erzählt, sie wirkt (bewusst) ein wenig aus der Zeit gefallen und ich konnte die Handlung wie einen Film aus den 70ern vor meinem inneren Auge sehen, was mir eigentlich gut gefallen hat, entsprechend habe ich aber leider auch einige Längen gespürt.

Meine Empfehlung:
Alles in allem hat mir dieses Buch gut gefallen und mir sehr spannende Lesestunden verschafft. Die unheimliche Grundstimmung, die brutale Gewalt und die äusserst ambivalente Protagonistin haben mich fasziniert. Lediglich die Langsamkeit und das ein wenig langweilige Ende haben mir nicht ganz zugesagt. Das Buch ist aber definitiv eine leseswerte Lektüre, die mit einem einzigartigen, äusserst packenden und gesellschaftskritischen Schreibstil überzeugt.

Zusätzliche Infos:
Titel:
Babysitter
Autorin: Joyce Carol Oates
Sprache: Deutsch
Aus dem Englischen von: Silvia Morawetz
Hardcover mit Lesebändchen: 624 Seiten
Verlag: Ecco Verlag
Ersterscheinung: 19.03.2024
ISBN: 9783753000831

01 April 2024

Lese-Statistik März 2024


Hallo ihr Lieben

Ich hoffe sehr, dass ihr alle ein schönes Osterwochenende habt und hattet und dass ihr ein paar freie Tage geniessen oder es euch zumindest ab und zu an der Frühlingssonne gemütlich machen konntet.
Der März war für mich ein sehr turbulenter Monat mit enorm vielen Anlässen an der Musikschule wie Tage der offenen Tür mit Konzerten, aber auch mit einigen Schnupperlektionen, Instrumentenvorstellungen und sogar einem Wettbewerb. Auch habe ich selber ein paar Konzerte gespielt und sehr viel Planung für Projekte in den kommenden Monaten hinter mich gebracht. Seit Mitte Februar habe ich eine Stellvertretung übernommen, die zwar ziemlich intensiv ist, mir aber sehr viele Zugstunden und somit Lesezeit beschert. Deshalb habe ich im März eher viel gelesen, obwohl so viel los war. Leider war zwar viel mittelmässiger Lesestoff dabei, dafür habe ich auch wieder ein paar Bücher ausziehen lassen (allerdings sind auch sehr, sehr viele Bücher eingezogen...). Ein riesiges März-Highlight war ausserdem das Treffen mit Irene vom Blog Igelabooks. Wir haben gemütlich Kaffee getrunken und vier Bücher getauscht und ich hoffe sehr, dass wir uns bald wieder einmal sehen können.

Im April läuft es noch einmal so richtig rund, dann gibt es eine Woche Ferien und vier Konzerte, auf die ich mich schon riesig freue. Mitte Monat werde ich ausserdem eine weitere Stellvertretung übernehmen, weshalb ich dann bis Mitte Mai fünf Tage pro Woche unterrichten werde. Das ist neben allen Konzerten, der ganzen Projektplanung, den Proben und Anlässen eigentlich zu viel, aber da es sich um eine sehr absehbare Zeit handelt und ich alles gut planen und aufgleisen konnte, wird das gut möglich sein.
Ich freue mich auf jeden Fall schon sehr auf alles, was der April bringen wird und habe mir schon ein paar Bücher, die ich eventuell lesen möchte, bereitgelegt. Allerdings werde ich mir für den April keine Leseliste zusammenstellen, damit ich ganz nach Lust und Laune lesen kann.

Und nun wünsche ich euch einen schönen restlichen Ostermontag und freue mich schon auf den Austausch in den Kommentaren.

Auf ganz bald
Livia

Gelesen im März:

Kurzweilig, sehr lustig, liebenswerte Figuren mit Ecken und Kanten, Tiefgang und Hamburg-Liebe

Zuerst traurig, dann immer hoffnungsvoller, unterhaltsam und mit tollen Figuren und Landschaften gespickt

Toxische Familienbeziehungen, transgenerationales Trauma, Feminismus, aber blasse Figuren, schade

Keine neue Idee, aber charmant und unterhaltsam umgesetzt, sehr humorvoll und berührend erzählt

Dieses Buch musste ich mir ein wenig erarbeiten und obwohl es sehr spannend war, möchte ich es aufgrund der leider sehr problematischen Autorin nicht weiterempfehlen

Den Roman hätte ich fast abgebrochen, zu ausschweifend und nichtssagend war er für mich



Alle Seitenzahlen und Rezensionen:

Der Traum des Leuchtturmwärters - Sergio Bambaren   (abgebrochen nach 33 Seiten)
Cleopatra und Frankenstein - Coco Mellors   (abgebrochen nach 200 Seiten)
Bild ohne Mädchen - Sarah Elena Müller   (abgebrochen nach 43 Seiten)
Hummeln im Herzen - Petra Hülsmann   (397 Seiten)
Das Brombeerzimmer - Anne Töpfer   (416 Seiten)
Wir sitzen im Dickicht und weinen - Felicitas Prokopetz   (208 Seiten)
Die Liste der vergessenen Wünsche - Robin Gold   (352 Seiten)
Blüten sammeln unter Feuer - Alice Walker/Valerie Boyd   (736 Seiten)
Schöne Welt, wo bist du - Sally Rooney   (352 Seiten)

Neuzugänge:

Florence Butterfield und die Nachtschwalbe - Susan Fletcher (von Irene)
Morden mit Maud - Helene Tursten (von Irene)
Hollys Weihnachtszauber - Trisha Ashley (von Irene)
Das Brombeerzimmer - Anne Töpfer (von Irene)
Wir sitzen im Dickicht und weinen - Felicitas Prokopetz (Leserundenbuch/Rezensionsexemplar der Lesejury)
Send Nudes - Saba Sams (Bibliotheksbuch)
Sei kein Mann - JJ Bola (Bibliotheksbuch)
Der Zopf meiner
Großmutter - Alina Bronsky (Bücherschrankfund)
Babysitter - Joyce Carol Oates (Rezensionsexemplar)

Alle Zahlen in der Übersicht:

Gelesene Bücher: 6
Abgebrochene Bücher: 3
Aussortierte Bücher: -
Gelesene Seiten:  2'737 Seiten
Durchschnittliche Seitenzahl pro Tag: 88.29 Seiten
Bücher von Autorinnen: 6
Bücher von Autoren: -
Autor*innenduos (oder Gruppen): -
Geschenkt bekommene Bücher: 4
Ausgeliehen: -
Buchgewinn: -
Buchprämien: -
Rezensionsexemplare: 2
Gekaufte Bücher: -
Eingesammelte Bücher: 1
Bibliotheksbücher: 2
Gesamte Neuzugänge: 9
SuB am Monatsbeginn:
58 (+1) Bücher
Aktueller SuB: 57 (+2) Bücher
Differenz: 0 (-1)

31 März 2024

Rezension: Schöne Welt, wo bist du

Schöne Welt, wo bist du - Sally Rooney

Beschreibung des Verlages:

Alice trifft Felix. Sie ist eine erfolgreiche Schriftstellerin, er arbeitet entfremdet in einer Lagerhalle. Sie begehren einander, doch können sie einander auch trauen? Alice' beste Freundin Eileen hat eine schmerzvolle Trennung hinter sich und fühlt sich aufs Neue zu Simon hingezogen, mit dem sie seit ihrer Kindheit eng verbunden ist. Sie lieben sich, doch ist der Versuch der Liebe den möglichen Verlust ihrer Freundschaft wert?
Zwischen Dublin und einem kleinen Ort an der irischen Küste entfaltet Sally Rooney eine Geschichte von vier jungen Menschen, die sich nahe sind, die einander verletzen, die sich austauschen: über Sex, über Ungleichheit und was sie mit Beziehungen macht, über die Welt, in der sie leben. Schöne Welt, wo bist du ist eine universelle Geschichte über den Raum zwischen Alleinsein und Einsamkeit und über die Freiheit, sein Leben mit anderen zu teilen – überwältigend klug, voller Klarheit und Trost.

Inhalt:
"Schöne Welt, wo bist du", das sind vier junge, schöne Menschen in Irland, die sich und einander suchen, an ihren Karrieren feilen und ihre Werte immer wieder neu überdenken. Sie pendeln zwischen Liebe, Schmerz und Verlangen hin und her, verbringen zu viel Zeit auf schlechten Partys, tauschen sich in langen Mails aus und lernen jeden Tag neu, ob und wie sehr sie sich und ihrem Gegenüber trauen können.

Meine Meinung:
Zuerst einmal möchte ich erwähnen, dass dieses Buch sehr gute Kritiken erhalten und bereits vor seinem offiziellen Erscheinungstermine einen richtigen Hype ausgelöst hat. Meine persönliche Meinung sieht ein wenig anders aus und das liegt wahrscheinlich daran, dass mich die Geschichte unangenehm an "Cleopatra und Frankenstein", das ich nach 200 Seiten abgebrochen habe, erinnert hat. Ich habe "Schöne Welt, wo bist du" zwar beendet, habe aber leider von der Geschichte nichts mitnehmen können und empfand auch die Figuren als sehr eindimensional und austauschbar beschrieben.
Besonders langweilig empfand ich übrigens den regen Mailverkehr zwischen den Freundinnen Alice und Eileen. Ausgerechnet dieser Part wurde von vielen Leser*innen in den höchsten Tönen gelobt, weil die beiden darin anscheinend äusserst intellektuell daherkommen würden. In meinen Augen waren diese Mails allerdings leider absolut nicht aus dem Leben gegriffen und ehrlich gesagt auch ziemlich aufgesetzt und herablassend geschrieben, was mich irgendwann nur noch genervt hat.
Spannender waren die direkten Interaktionen, die teilweise albernen, manchmal auch tiefsinnigen Gespräche, die erotischen Begegnungen, Diskussionen und der Streit. Dies alles wirkte für mich nämlich viel realistischer.

Fazit:
Der sehr oberflächliche und leider teilweise aufgesetzt wirkende Schreibstil dieses Buches und der eher ein wenig vor sich hin plätschernde Inhalt haben mich leider ein wenig ratlos zurückgelassen. Dieses Buch und ich werden - Hype und begeisterte Kritiken hin und her - einfach keine Freundinnen.

Zusätzliche Infos:
Titel:
Schöne Welt, wo bist du
Autorin: Sally Rooney, geboren 1991, studierte am Trinity College und lebt in Dublin. 2017 erschien ihr gefeierter Debütroman Gespräche mit Freunden. Ihr zweiter Roman Normale Menschen wurde 2018 zum weltweiten Bestseller und literarischen Ereignis – er ist die Vorlage für die international erfolgreiche TV-Serie »Normal People«, deren Drehbuch sie mitverfasste. Sally Rooney gehört zu den herausragendsten Autorinnen der Gegenwart und gilt als ausdrucksstärkste Stimme ihrer Generation. Schöne Welt, wo bist du ist ihr dritter Roman.
Sprache: Deutsch
Aus dem Englischen von: Zoë Beck
Hardcover mit Schutzumschlag: 352 Seiten
Verlag: Claassen
Erscheinungstag: 07.09.2021
ISBN: 9783546100502

28 März 2024

Rezension: Blüten sammeln unter Feuer

Dieses Buch ist eine Rezensionsexemplar aus dem Ecco-Verlag.

Blüten sammeln unter Feuer - Alice Walker, Valerie Boyd

Beschreibung des Verlages:

Von ihrer armutsgeprägten Kindheit im ländlichen Georgia bis hin zu ihrem Aufstieg zu einer feministischen Vordenkerin blieb die gefeierte Dichterin und Schriftstellerin Alice Walker eine gewissenhafte Aufzeichnerin. Ihr weit verzweigtes Leben hat sie über einen Zeitraum von rund 50 Jahren in mehr als 65 Tagebüchern und Notizbüchern festgehalten. Blüten sammeln unter Feuer zeichnet ihre Entwicklung als Künstlerin, Menschenrechtsaktivistin und Intellektuelle nach, erzählt von beeindruckenden Momenten afroamerikanischer Geschichte. Das Persönliche verwebt sich in dieser Chronik eines beeindruckenden Lebens auf so vielschichtige wie aufschlussreiche Weise mit dem Politischen.
Die Tagebücher öffnen uns die intimen Gedanken und Gefühle einer beeindruckenden Schriftstellerin – als Frau, Afroamerikanerin, Ehefrau, Liebhaberin, Schwester, Tochter, Mutter und Weltbürgerin.

Inhalt:
Autorin, Feministin, Aktivistin, Liebhaberin, Mutter...Alice Walker blickt in ihren zahlreichen parallel geführten und in diesem umfangreichen Buch chronologisch geordneten Tagebücher auf einige Jahrzehnte ihres Lebens zurück und lässt an ihren intimsten Gedanken, ihrem schillernden Leben aber auch ihrer Zerbrechlichkeit und ihren Selbstzweifeln teilhaben. Sie zeichnet damit ein Portrait einer Zeit, in der Autorinnen eine wichtige politische Stimme hatten, Einfluss auf Filme, Kunst und Politik nehmen und sich von ihrem Honorar mehrere Häuser leisten konnten. Eine Zeit der sexuellen und feministischen Revolution.

Meine Meinung:
Die Beschreibung des Verlags bei Instagram hat mich neugierig werden lassen, weshalb ich dieses Buch angefragt habe. Erst als ich zu lesen begann, war ich von der Dichte der Tagebucheinträge und dem langen, aufschlussreichen Anhang mit einem Postskriptum der Autorin, einem Dank der Herausgeberin und zahlreichen Einzelnachweisen fast ein wenig erschlagen. Ich muss deshalb auch ehrlich sagen, dass ich mir dieses Buch zeitweise ein wenig erarbeiten musste, wenn ich auch begeistert bin von den intimen Einblicken in Walkers Leben, ihrem Humor, ihrer freien, offenen Art und ihrer Liebe für ihre Mitmenschen. Es ist kaum fassbar, welchen Berühmtheiten Walker mehrfach begegnet ist, mit wem sie alles zusammengearbeitet und sich angefreundet hat. Ihren Einfluss auf ihr Umfeld und ganze Generationen von Menschen - zuerst und unter anderem durch ihren absolut bahnbrechenden Roman "Die Farbe Lila" - war und ist enorm und ich bin neugierig geworden auf ihre Bücher und Gedichte, deren Entstehung ich anschaulich mitverfolgen konnte.

Aufbau:
Obwohl Walker meistens mehrere Tagebücher parallel geführt hat, sind im Buch alle Einträge aus allen Tagebüchern chronologisch geordnet (und natürlich überarbeitet und zusammengestrichen). Zahlreiche Anmerkungen und Nachweise sorgen für ein grösseres Verständnis und helfen, die Einträge in einen historischen und gesellschaftlichen Kontext zu verordnen. Ein Lob geht deshalb sowohl an die Herausgeberin Valerie Boys als natürlich auch an die Übersetzerin Cornelia Holfelder-von der Tann.

Transparenzhinweis:
Die Instagrammerin Eliane @mintundmalve hat mich darauf hingewiesen, wie problematisch Alice Walker als Person ist (in den letzten Jahren geworden ist). Auch wenn sich in ihren Tagebüchern bis 2000 lediglich eine zunehmende Nähe zur Esoterik finden lässt und ich keine eigentlich problematischen Passagen entdeckt habe (zumindest nicht bewusst), ist Walker als Person in den letzten Jahren durch antisemitische und transfeindliche Äusserungen, ihre Unterstützung der BDS sowie ihre Nähe zum rechtsesoterischen Verschwörungstheoretiker David Icke aufgefallen. In meinen Augen ist zwar ihr (frühes) Werk unendlich wichtig, sie als Person gehört aber boykottiert. Artikel zum Thema findet ihr unter anderem HIER und HIER.

Fazit:
So gerne ich das Buch für Lesende mit Sitzfleisch und grossem Interesse an der Autorin empfehlen möchte, so sehr kann ich dies aufgrund der problematischen, antisemitischen Haltung Walkers sowie ihrer Nähe zu rechtsextremen Verschwörungstheoretikern einfach nicht tun. "Die Farbe Lila" werde ich mir bei Gelegenheit gebraucht kaufen, der Roman interessiert mich nämlich wirklich.

Zusätzliche Infos:

Titel: Blüten sammeln unter Feuer
Originaltitel: Gathering Blossoms Under Fire: The Journals of Alice Walker 1965 - 2000
Autorin: Alice Walker wurde 1944 in Eatonton, Georgia, geboren. Sie ist eine der renommiertesten amerikanischen Autorinnen, ihre Werke haben sich weltweit über fünfzehn Millionen Mal verkauft. Ihr bekanntester Roman, Die Farbe Lila, erschien 1983, wurde mit dem Pulitzer-Preis und dem National Book Award ausgezeichnet und von Steven Spielberg mit Whoopi Goldberg in der Hauptrolle verfilmt.
Sprache: Deutsch
Aus dem amerikanischen Englisch von: Cornelia Holfelder-von der Tann
Hardcover mit Lesebändchen: 736 Seiten
Verlag: Ecco Verlag
Erscheinungstermin:
23. Januar 2024
ISBN: 978-3-7530-0098-5

23 März 2024

Rezension: Die Liste der vergessenen Wünsche

Die Liste der vergessenen Wünsche - Robin Gold

Klappentext:

Früher war alles einfacher. Abschiede zum Beispiel. Als die sechsjährige Clara Black ihren Kater »Schweinebraten« beerdigte, ahnte sie nicht, dass das Leben noch einen viel größeren Verlust für sie bereithalten würde: Viele Jahre später stirbt ihr Verlobter kurz vor der Hochzeit. Es bricht Claras Herz. Doch dann findet sie eine alte Liste mit ihren Kindheitswünschen, die vor ihrem 35. Geburtstag in Erfüllung gehen sollten. Ganz unverhofft wird die Liste zu Claras Rettungsanker – und zum Weg zurück ins Glück ...

Inhalt:
Clara hat mit dem Tod ihres Verlobten nicht nur ihren liebsten Menschen, sondern auch ihren Lebenswillen verloren. Auch ihre beste Freundin und ihre Familie hat sie von sich gestossen und in ihrem Job, in dem vor dem tragischen Unfall noch eine baldige Beförderung gewinkt hatte, ist sie kaum noch leistungsfähig. Während eines Besuchs bei ihrer Familie öffnet sie ein Päckchen, das eine Zeitkapsel mit Wünschen und Plänen enthält, die sie als Kind festgehalten und in der Zwischenzeit vergessen hat. Sie hat nichts zu verlieren und pausiert ihr gesamtes Leben, um wieder ein wenig Freude zu finden.

Meine Meinung:
Der Partner stirbt, die Partnerin verliert allen Lebenswillen und wird dann durch eine ganz persönliche Challenge (Briefe, Wunschliste, Bucket-List, Aufgabe...) herausgefordert und zurück zum Leben und vielleicht sogar zur Lebensfreude geführt? Kennen wir, mögen wir, passt und unterhält wunderbar. Robin Gold hat eine sympathische Protagonistin geschaffen, die aber für mich ein wenig oberflächlich blieb, während ich ihren Bruder, der immer für sie da ist, sehr ins Herz geschlossen habe.
Die einzelnen Wünsche oder eher To Do's, denen Clara nachgeht, waren einfallsreich gestaltet. Weniger gut gefallen haben mir die riesigen Zeitsprünge. Manchmal begleiten wir unsere Protagonistin über Tage hinweg intensiv, dann wieder springen wir einen ganzen Monat in die Zukunft und das "Erfüllen" der Aufgabe wird nur ganz kurz abgehandelt und abgehakt. Schade, hier hätte ich mir mehr Details gewünscht, das Bearbeiten und Erfüllen einiger Aufgaben wird nämlich sogar ganz ausgeklammert. Gerade dann hätte das Buch in meinen Augen aber durchaus einige Seiten mehr vertragen können, zumal ich gerne Zeit mit den Figuren verbracht habe. Alles in allem hat mich die Geschichte aber gut unterhalten und auf langen Zugfahrten begleitet.

Meine Empfehlung:
Die Idee ist nicht neu aber mit viel Charme und Humor umgesetzt und somit beinhaltet das Buch zwar definitiv keine Geschichte, die lange nachhallt, aber eine Handlung, die unterhält, berührt und gemütliche, hoffnungsvolle Lesestunden schenkt. Die perfekte Lektüre für unterwegs oder nebenher.

Zusätzliche Infos:
Titel:
Die Liste der vergessenen Wünsche
Originaltitel: One Upon a List
Autorin: Robin Gold (geboren 1974) wollte sich schon als Kind all ihre Herzenswünsche erfüllen. Sie arbeitete zunächst beim Film, bevor sie ihren größten Traum wahr werden ließ: Schriftstellerin zu werden. Heute lebt sie mit ihrem Mann, ihren Kindern und elf Fahrrädern in der Nähe von Chicago.
Sprache: Deutsch
Aus dem Amerikanischen von: Carolin Müller
Taschenbuch: 352 Seiten
Verlag: Blanvalet
Ersterscheinung: 20.07.2015
ISBN: 9783734101014

19 März 2024

Rezension: Wir sitzen im Dickicht und weinen

Dieses Buch aus dem Eichborn-Verlag durfte ich im Rahmen einer Leserunde der Lesejury lesen.

Wir sitzen im Dickicht und weinen - Felicitas Prokopetz

Beschreibung des Verlages:

Valerie hat nicht die einfachste Beziehung zu ihrer Mutter. Am besten klappt es, wenn die beiden einander nur selten sehen. Doch eine Krebsdiagnose schafft neue Tatsachen – vom einen Tag auf den anderen muss Valerie für ihre Mutter da sein, ganz gleich, wie schwer ihr das fällt. Und sie bekommt es mit der Angst zu tun: Was, wenn dies tatsächlich das Ende ist? Als zeitgleich Valeries Sohn beschließt, ein Schuljahr im Ausland zu verbringen, droht ihre Welt vollends aus den Fugen zu geraten.

Inhalt:
Ihre eigene Kindheit hat Valerie nicht sehr glücklich in Erinnerung, weshalb sie es bei ihrem Sohn anders, besser machen will und ihm ein Zuhause schafft, in dem er nach Strich und Faden verwöhnt wird. Doch der sechzehnjährige Tobias will seinen eigenen Weg gehen, ein wenig räumliche Distanz zwischen sich und seine Mutter bringen. Als Valeries eigene Mutter Christina an Krebs erkrankt und mit ihrem plötzlichen Bedürfnis nach ungeteilter Aufmerksamkeit alte Wunden aufreisst, kommt Valerie an ihre Grenzen und muss sich intensiv mit dem Loslassen und der Befreiung von eigenen Vorurteilen und eingeredeter Schuld auseinandersetzen.

Meine Meinung:
Ich bin froh, dieses Buch in einer Leserunde gelesen zu haben, es bietet viel Diskussionsstoff und noch mehr Handlung auf wenigen Seiten. Prokopetz arbeitet mit Leerstellen und webt doch einen sehr dichten Text, den ich gerne als Buch gelesen hätte, weil ich beim Lesen von eBooks immer das Gefühl habe, oberflächlicher zu lesen. Leider gab es Probleme mit den Leseexemplaren und damit wir das Buch trotzdem rechtzeitig lesen konnten, haben wir alle ein eBook erhalten, was natürlich eine gute Lösung war und wofür ich auch dankbar bin.
Leider war es tatsächlich so, dass ich während des Lesens permanent das Gefühl hatte, nie wirklich Tiefgang zu erfahren, den Figuren nie richtig nahe zu kommen. Klar lässt Prokopetz einige sehr wichtige, grosse Themen wie verschiedene Facetten von Mutterschaft oder den Kampf um Frauenrechte in ihre Geschichte einfliessen und ja, es wird immer wieder einmal emotional, es geht hitzig zu. Und doch kann ich mir keine Figur (vor allem nicht Valeries Vorfahren) bildlich vorstellen, ihr Handeln kann ich begrenzt nachvollziehen, ihre Dramen berühren mich kaum. Und ja, das liegt sicher am Medium, aber ich denke auch, dass ein paar Seiten und Details mehr der Geschichte alles andere als geschadet hätten. Die Idee hat mich sehr überzeugt, auch wenn das Ende vorhersehbar war, hätte die Umsetzung für mich noch runder sein können. Vielleicht liegt es daran, dass feministische Texte zu meinem Alltag gehören und ich schon viele Bücher gelesen habe, welche ähnliche Themen, wie das Durchbrechen toxischer, patriarchisch geprägter Familienstrukturen, beinhalten. "Blutbuch" von Kim de l'Horizon erzählt beispielsweise eine ähnliche Familiengeschichte, es beleuchtet ebenfalls mehrere Generationen von Frauen. Dennoch denke ich, dass "Wir sitzen im Dickicht und weinen" aufwühlender und unangenehmer hätte sein, den Finger noch mehr in die Wunde hätte legen dürfen.

Schreibstil und Aufbau:

In den eher kurzen Kapiteln wird in zwei Handlungssträngen die Geschichte von Valeries Familie erzählt. Die Gegenwart zeigt Valeries gerade eher ausweglos scheinende Situation aus, in der Vergangenheit begegnen wir Valeries Urgrosseltern und nähern uns nach und nach der Gegenwart an. Es tauchen sehr viele Personen auf, die Zeitsprünge sind oft eher gross und weil sich im Buch kein Stammbaum findet, ist es empfehlenswert, sich selber einen zu skizzieren.
Es ist spannend und fordernd zugleich, sich mit den familiären Strukturen in diesem Buch auseinanderzusetzen. Es waren natürlich andere Zeiten, die Verantwortung für die Erziehung und den Haushalt lag fast immer fast vollständig bei den Müttern, die Gewalt, die ihnen von ihren Männern und ihren eigenen Müttern angetan worden war, belastete sie und alle ihre Beziehungen. Valerie versucht, dieses transgenerationale Trauma hinter sich zu lassen, toxische Strukturen aufzubrechen, Grenzen zu ziehen, es anders zu machen. Beim Lesen wird schmerzlich bewusst, welche Opfer Valerie auch dafür bringen muss, für sich und ihre eigenen Entscheide einzustehen und dass wir leider noch weit von einer Gesellschaft entfernt sind, in der Frauen und Männer die gleichen Möglichkeiten haben.

Meine Empfehlung:
Ich bin beeindruckt von der Wucht und Fülle dieser Geschichte, die auf so wenigen Seiten Platz hat, von dieser grossen Idee, dieser klugen, aufwändigen Umsetzung. Ein wenig detaillierter hätte ich mir alles gewünscht, ein wenig näher hätte ich den Figuren sein wollen, aber insgesamt überzeugt dieses Debüt und macht Lust auf mehr.

Zusätzliche Infos:
Titel:
Wir sitzen im Dickicht und weinen
Autorin: Felicitas Prokopetz studierte Philosophie an der Universität Wien und Sprachkunst an der Universität für Angewandte Kunst sowie Literarisches Schreiben am Deutschen Literaturinstitut Leipzig. Sie lebt und arbeitet als Autorin und Texterin in Wien.
Sprache: Deutsch
Hardcover mit Schutzumschlag: 208 Seiten
Verlag: Eichborn
Ersterscheinung: 26.01.2024
ISBN: 978-3-8479-0161-7

15 März 2024

Rezension: Das Brombeerzimmer

Das Brombeerzimmer - Anne Töpfer

Beschreibung des Verlages:

Nora liebt das Zubereiten von Marmelade – am liebsten für ihren Ehemann Julian. Die beiden sind frisch verheiratet und noch so verliebt wie am ersten Tag. Doch dann erleidet Julian einen Herzinfarkt und stirbt. Noras Welt zerbricht. Eines Tages findet sie einen Brief: Er ist von Julians Großtante Klara. Kurz vor seinem Tod hatte Julian Kontakt zu ihr aufgenommen, um sie nach einem alten Familienrezept für Brombeerkonfitüre zu fragen. Er wollte seine Frau damit überraschen. Nora macht sich auf die Suche nach der Dame, die zurückgezogen in der Vorpommerschen Boddenlandschaft lebt. Sie findet einen verborgenen Marmeladenkeller voller Geheimnisse aus der Kriegszeit, und sie erfährt, wer Klara wirklich ist …

Inhalt:
Nora ist seit einem Jahr verwitwet, noch vor ihrem dreissigsten Geburtstag hat sie ihren Mann ganz plötzlich verloren und muss Schritt für Schritt ein neues Leben beginnen. Wie besessen geht die Lebensmitteltechnologin ihrem Hobby, dem Zubereiten von Marmelade, nach und stapelt Glas um Glas im Arbeitszimmer ihres verstorbenen Mannes Julian. Dort findet sie auch einen Brief, der nicht nur ein Rezept, sondern auch ein Geheimnis birgt, das Julians Familie akribisch hütet. Nora hat nichts zu verlieren und macht sich auf, um eine noch lebende und bisher verschollene Verwandte zu finden und tritt dabei in Erfahrung zu bringen, was es mit einem alten Nussbaum, einem verborgenen Keller und einem Versteck in Marmeladengläsern auf sich hat.

Meine Meinung:
Das Buch habe ich von Irene vom Blog Igelabooks bekommen. Ich habe es mir aus ihren aussortierten Büchern ausgesucht, weil das Cover und der Titel mich für sich eingenommen haben. Ich wurde nicht enttäuscht und habe sehr unterhaltsame Lesestunden mit Nora, einer liebenswerten Protagonistin mit riesigem Herz, einer einfühlsamen besten Freundin und einer charmanten Fellnase verbringen dürfen. Auch die ältere Dame Klara und Mandy, welche etwa in Noras Alter ist und mit Rat und Tat zur Seite steht, haben dazu beigetragen, dass ich diesen Ostseeroman, der zusätzlich mit wundervollen Beschreibungen der Landschaft auftrumpft, kaum noch aus den Händen legen konnte.
Sehr gerne wäre ich sofort nach Kinnbackenhagen gereist, um mich dem bunt zusammengewürfelten Abenteuertrupp anzuschliessen und die kulinarischen Köstlichkeiten in Klaras Küche zu geniessen. Zum Glück lässt uns die Autorin Anne Töpfer an ihren Leckerein teilhaben und im Buch finden sich sieben verschiedene Rezepte, die ich mir definitiv noch einmal näher ansehen werde.

Meine Empfehlung:
Diese Geschichte entwickelt sich nach einem sehr traurigen Start zu einem abenteuerlichen und sehr lustigen Roman, der voller Lebensweisheiten steckt, ein Geheimnis aus Kriegszeiten, einige rüstige alte Damen, viele tolle Freundschaften, ein wenig Romantik und einige schmackhafte Rezepte beinhaltet. Ein echtes Lesevergnügen und eine herzliche Empfehlung.

Zusätzliche Infos:
Titel:
Das Brombeerzimmer
Autorin: Anne Töpfer ist das Pseudonym der Autorin Andrea Russo. Sie schreibt auch als Anne Barns. Vor einigen Jahren hat sie ihren Beruf als Lehrerin aufgegeben, um sich ganz auf ihre Bücher konzentrieren zu können. Wenn Andrea Russo mal nicht schreibt, findet man sie in der Küche, wo sie an neuen Backrezepten für ihre Bücher arbeitet.
Sprache: Deutsch
Taschenbuch: 416 Seiten
Verlag: List Taschenbuch
Erscheinungstag: 10.03.2017
ISBN: 9783548613178

10 März 2024

Rezension: Hummeln im Herzen

Hummeln im Herzen - Petra Hülsmann

Reiheninfos "Hamburg-Reihe":

1. Hummeln im Herzen
2. Wenn Schmetterlinge Loopings fliegen
3. Glück ist, wenn man trotzdem liebt
4. Das Leben fällt, wohin es will
5. Wenn's einfach wär, würd's jeder machen
6. Meistens kommt es anders, wenn man denkt

Beschreibung des Verlages:
»Von der Liebe darfste dich nich feddichmachen lassen«, diesen weisen Rat hört Lena gleich mehrmals von Taxifahrer Knut. Aber leichter gesagt als getan, wenn der Verlobte eine Niete und der Job wegen eines äußerst peinlichen Fehlers plötzlich ein Ex-Job ist. Für Selbstmitleid bleibt Lena aber sowieso kaum Zeit. Ihr Leben muss dringend generalüberholt werden, und außerdem zieht ausgerechnet sie als Ordnungsfanatikerin in die chaotische WG ihrer besten Freundin. Vor allem Mitbewohner Ben nervt! Der ist nämlich nicht nur unglaublich arrogant, sondern auch ein elender Womanizer. Umso irritierter ist Lena, als ihr Herz beim Gedanken an ihn immer öfter auffällige Aussetzer hat …

Inhalt:
Gestern noch hat Lena sich mit der intensiven Hochzeitsplanung beschäftigt, heute steht sie als Single da und als wäre das nicht schon genug schlimm, verliert sie auch noch ihre Arbeit. Ohne Wohnung, Job und Partner beschliesst sie, ein neuer Mensch zu werden und beginnt mit Hilfe ihrer besten Freundin und deren Mitbewohner an sich zu feilen. Um wenigstens ein paar Euros zu verdienen, tritt sie ausserdem einen Gelegenheitsjob an, der ihr Leben schon bald auf den Kopf stellen wird.

Meine Meinung:
"Hummeln im Herzen" habe ich im Herbst bei der Aktion Lesefreude Schweiz von Ex Libris entdeckt, weil ich schon lange einmal ein Buch von Petra Hülsmann lesen wollte. Sofort war ich mitten in der Geschichte und der leichte, äusserst unterhaltsame Schreibstil, die maximal tollpatschige Protagonistin (und ich kann leider nicht sagen, dass ich mich nicht komplett in ihr wiedererkannt habe, was das fröhliche Betreten sämtlicher Fettnäpfchen betrifft) sowie ein schrulliger Buchhändler, eine Freundschaft zum Pferdestehlen, ein paar schräge Dates und ein Taxifahrer, der mit Liebes- und Lebensweisheiten um sich wirft, machen den ganzen Charme dieser Geschichte aus. Ja, wahrscheinlich ist alles ein wenig überzogen dargestellt, aber die Figuren und ihre Ecken und Kanten habe ich sofort ins Herz geschlossen und das Ende des Buches hat mich zu Tränen gerührt, weil es Hülsmann gelungen ist, auch tiefgründigere Themen mit viel Fingerspitzengefühl in die sonst so leichte Geschichte zu integrieren und das Leben einfach spielen zu lassen. Ausserdem ist die (sehr nachvollziehbare) Liebe zu Hamburg in vielen Szenen spürbar, die wunderschöne, geschichtsträchtige Stadt wird nämlich immer wieder passend in Szene gesetzt, was mir sehr gut gefallen hat.

Meine Empfehlung:
"Hummeln im Herzen" hat mich wunderbar unterhalten, mit schöne, lustige, berührende Lesestunden geschenkt und mich neugierig auf die weiteren Bücher der Hamburg-Reihe gemacht, die man wohl auch unabhängig voneinander lesen kann.

Zusätzliche Infos:
Titel:
Hummeln im Herzen
Autorin: Petra Hülsmann, Jahrgang 1976, wuchs in einer niedersächsischen Kleinstadt auf. Nach einem erfolgreich abgebrochenen Studium der Germanistik und Kulturwissenschaft arbeitete sie in Anwaltskanzleien und reiste sechs Monate mit dem Rucksack durch Südostasien, bevor sie mit ihren Romanen die Beststellerliste eroberte. Petra Hülsmann lebt mit ihrem Mann in Hamburg.
Taschenbuch: 397 Seiten
Sprache: Deutsch
Verlag: Bastei Lübbe
Ersterscheinung: 24.02.2023
ISBN: 978-3-404-19193-2


04 März 2024

Leseliste März 2024

Hallo ihr Lieben

Der kurze Februar hat mich wieder fleissig an meiner Leseliste arbeiten lassen (nur "Blüten sammeln unter Feuer", die Tagebücher von Alice Walker, nehme ich mit in den März) und deshalb habe ich entschieden, mir für März eine ein wenig ambitioniertere Leseliste zu packen. Da ich sehr, sehr, sehr viel unterwegs sein werde (und viel Zugzeit bedeutet oft viel Lesezeit), bin ich ziemlich optimistisch. Zumal ein Buch der Leseliste bereits gelesen ist. Folgende Bücher möchte ich also im März lesen:

Wir sitzen im Dickicht und weinen - Felicitas Prokopetz
Das Buch soll in den nächsten Tagen bei mir eintreffen, deshalb ist es noch nicht auf dem Bild zu sehen. Ich darf es im Rahmen einer Lesejury-Leserunde lesen und ich bin schon sehr neugierig auf die Geschichte, die wohl ziemlich intensiv ist und die mich zuerst mit ihrem Cover für sich eingenommen hat.

Bild ohne Mädchen - Sarah Elena Müller
Die einzige nominierte Autorin für den Schweizer Buchpreis 2023...und ein Buch mit heftigem Inhalt und ja, das hat mein Interesse geweckt. Die ersten paar Seiten haben mich leider noch nicht für sich eingenommen und deshalb werde ich in den kommenden Tagen noch ein paar Seiten lesen und dann entscheiden, ob ich abbreche oder das Buch beenden will.

Blütensammeln unter Feuer, die Tagebücher - Alice Walker, übersetzt von Cornelia Holfelder von der Tann (Rezensionsexemplar aus dem Ecco Verlag)
Auf der Instagramseite des Ecco Verlags bin ich auf die Autorin und diese Neuerscheinung, die Veröffentlichung ihrer Tagebücher, aufmerksam geworden. Dabei war mir nicht bewusst, dass das Buch mehr als 800 Seiten umfasst... Das Buch habe ich aus dem Februar mitgenommen und hoffe, es bald zu beenden. Die ersten 200 Seiten habe ich mir erarbeitet, aber dann wurde es immer packender und berührender. Und ich weiss jetzt schon, dass ich bald einige Romane der Autorin lesen möchte.

Der Traum des Leuchtturmwärters - Sergio Bambaren
Das Buch habe ich gemeinsam mit "Der träumende Delphin" in einem Bücherschrank gefunden und mitgenommen, weil mir "Die Zeit der Sternschnuppen" 2016 sehr gut gefallen hat. "Der träumende Delphin" habe ich gerade am 29.2. noch beendet und es hat mich nicht so begeistert und wird zurück in den Bücherschrank kommen. Auf "Der Traum des Leuchtturmwärters" bin ich jetzt auf jeden Fall schon gespannt.

Hummeln im Herzen - Petra Hülsmann
Mein erstes Buch von Petra Hülsmann und ja, ich habe es gestern bereits beendet. Die Rezension folgt in den nächsten Tagen. Ich habe mir das Buch aus einem der Bücherschränke geholt, die Ex Libris im Oktober 2023 in verschiedenen grösseren Städten der Schweiz verteilt hat und mir hat es sehr unterhaltsame Lesestunden beschert.

Die Liste der vergessenen Wünsche - Robin Gold
Das Buch ist aus einem offenen Bücherschrank (mir ist übrigens gerade eingefallen, dass im Jahr 2024 schon sehr, sehr viele Bücher bei mir eingezogen sind, dass ich aber bisher noch gar kein Geld für Bücher ausgegeben habe, weil ich Bücherschrank um Bücherschrank plündere) und es passt sicher perfekt in den Frühling, in dem ich oft zu bunten, pastellfarbenen Romanen mit leichtem Inhalt greife ;-)

Cleopatra und Frankenstein - Coco Mellors
Das Buch haben irgendwie schon alle gelesen, ja? Aber ich halt noch nicht. Und da Katy es durch die Schweiz auf Wanderschaft geschickt hat, war ich sofort dabei und freue mich, es nun lesen und dann weitersenden zu dürfen.

Schöne Welt, wo bist du - Sally Rooney
Das Buch war (zusammen mit "Der Zirkel der Literaturliebhaber" von Amir Hassan Cheheltan) mein erster Neuzugang im 2024 und zwar habe ich es von einer Cousine bekommen, die aussortiert hat. Ihr seht, ich kann mich gar nicht wehren, Bücher finden einfach zu mir. Und ich weiss gar nicht, wovon die Geschichte handelt, Cover und Titel sehen toll aus, also passt das dann sicher ;-)

Soooo.....welche Bücher kennt ihr bereits? Wie haben sie euch gefallen? Und was denkt ihr, werde ich diesen Stapel im März schaffen?

Ganz liebe Grüsse und ich werde euch auf dem Laufenden halten ;-)
Livia

02 März 2024

Lese-Statistik Februar 2024

Hallo ihr Lieben

Der kürzeste Monat des Jahres ist vorbei und er hat mir einige schöne Lesestunden und vor allem viele Neuzugänge geschenkt. Am Anfang des Monats war ich ein paar Tage krank, dann konnte ich aber wieder voll einsteigen und habe am 29.2. dann auch noch den Auftakt zu einem Projekt und einen tollen Konzertabend (inklusive ausverkauftem Saal, anschliessendem Dinner und wunderschönen Blumen) erleben dürfen. Die weiteren zwei Konzerte des Projekts sind heute und morgen und ich hoffe auf viel Publikum und freue mich auf einige Lesestunden im Zug.

Meine Leseliste habe ich fast ganz geschafft, lediglich die Tagebücher von Alice Walker "Blüten sammeln unter Feuer" nehme ich mit den den März, was ich auch ein wenig erwartet habe. 700 Seiten Tagebücher und mehr als 100 Seiten Anmerkungen lesen sich einfach nicht so schnell und vor allem nicht so nebenher, wie ein Roman.
Ausserdem habe ich "Das Flüstern der Feigenbäume" gemeinsam mit Ina und Sandra gelesen und der Austausch war sehr bereichernd und spannend.

Im März freue ich mich auf viele Proben, Vorbereitungsstunden, die Feinplanung mehrerer Projekte, einen Wettbewerb (eine Schülerin von mir spielt, ich bibbere nur mit) und viele Musikschulveranstaltungen. Der März ist hier oft der Monat, in dem alle Musikschulen ihre Türen öffnen und sich der Öffentlichkeit präsentieren, damit sich viele Kinder für das nächste Schuljahr anmelden. Freie Tage gibt es dann wieder im April und darauf freue ich mich sehr. Ausserdem darf ich bei der Leserjury-Leserunde zu "Wir sitzen im Dickicht und weinen" teilnehmen und das Schweizer-Bloggerinnen-Wanderbuch "Cleopatra und Frankenstein" lesen.

Und jetzt bin ich schon gespannt auf eure Anmerkungen und Monatsrückblicke und freue mich auf den Austausch in den Kommentaren, habt nur ein wenig Geduld mit mir ;-)


Gelesen im Februar

Wundervolle Fortsetzung der Weihnachtsreihe, berührendes, unterhaltsames Jugendbuch



Unterhaltsamer und romantischer dritter Band der Maierhofen-Reihe, fast schon ein wenig Sommer


Spannende, berührende Geschichte über den Krieg in Zypern, eine verbotene Liebe und eine Familie


Der fünfte und mein evtl. sogar liebster Band der Reihe (neben dem Auftaktband), absolutes Highlight


Verdient auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises 2023, berührend, klug und poetisch erzählt


Alle Rezensionen und Seitenzahlen:

The Girl Who Saved Christmas - Matt Haig   (336 Seiten)
Die Blütensammlerin - Petra Durst-Benning   (512 Seiten)
Das Flüstern der Feigenbäume - Elif Shafak   (512 Seiten)
Ein Clown unter Verdacht - Oliver Schlick   (320 Seiten)
Maman - Sylvie Schenk   (176 Seiten)
Der träumende Delphin - Sergio Bambaren (96 Seiten, keine Rezension)

Neuzugänge:

Zimtschnecken und Schneegestöber - Hanna Blixt (Bücherschrank)
Bild ohne Mädchen - Sarah Elena Müller (Bibliothek)
Maman - Sylvie Schenk
Die Liste der vergessenen Wünsche - Robin Gold (Bücherschrank)
Der Traum des Leuchtturmwärters - Sergio Bambaren (Bücherschrank)
Der träumende Delphin - Sergio Bambaren (Bücherschrank)
Cleopatra und Frankensten - Coco Mellors (Wanderbuch)


Aussortiert:

  1. Jeremias Gotthelf - Die schwarze Spinne/Elsi, die seltsame Magd/Kurt von Koppingen
  2. Thomas Mann - Der Tod in Venedig

Alle Zahlen in der Übersicht:

Gelesene Bücher: 6
Abgebrochene Bücher: -
Aussortierte Bücher: 2
Gelesene Seiten: 1'952 Seiten
Durchschnittliche Seitenzahl pro Tag: 67.31 Seiten
Bücher von Autorinnen: 3
Bücher von Autoren: 3
Autor*innenduos (oder Gruppen): -
Geschenkt bekommene Bücher: -
Ausgeliehen: 1 (Wanderbuch)
Buchgewinn:
Buchprämien: -
Rezensionsexemplare: -
Gekaufte Bücher: -
Eingesammelte Bücher: 4
Bibliotheksbücher: 2
Gesamte Neuzugänge: 7
SuB am Monatsbeginn:
59 Bücher
Aktueller SuB: 58 (+ 1 Bibliotheksbuch)
Differenz: 0 (-1)

28 Februar 2024

Rezension: Maman

Maman - Sylvie Schenk

Beschreibung des Verlages:

Eine Annäherung an die eigene Mutter und eine schmerzhafte Abrechnung: 1916 wird Sylvie Schenks Mutter geboren, die Großmutter stirbt bei der Geburt. Angeblich war diese eine Seidenarbeiterin, wie schon die Urgroßmutter. Aber stimmt das? Und welche Geschichte wird den Nachkommenden mit auf den Weg gegeben? Als Kind leidet Sylvie Schenk unter dieser Unklarheit, als Schriftstellerin ist sie deshalb noch immer von großer Unruhe geprägt. Mit poetischer Präzision spürt sie den Fragen nach, die die eigene Familiengeschichte offenlässt. „Maman“ ist waghalsiges Unterfangen und explosive Literatur zugleich. Nach „Schnell, dein Leben“ hat die Autorin erneut einen Text voll Schönheit und Temperament geschrieben.

Meine Meinung:

Denke ich an "Maman", sehe ich sofort die berühmte Spinnenskulptur von Louise Bourgeois vor mir. Bourgeois hat sich dazu entschieden, ihre Mutter als Spinne abzubilden, weil sie der Spinne sehr positive Attribute, wie Klugheit und Stärke zuordnet und weil Spinnen nützliche Tiere sind, die ihre Brut beschützen, ihre Netze reparieren und potentiell todbringende Moskitos fressen (ein toller deutscher Artikel zur Skulptur findet sich HIER).
Was hat das aber nun mit Sylvie Schenks "Maman" zu tun? Vielleicht hat sich nur mir dieser Vergleich aufgedrängt und er spielt im Buch auch gar keine Rolle, ich möchte euch aber an meinen Gedanken dazu teilhaben lassen, denn obwohl sich die Mütter von Schenk und Bourgeois wohl stark unterschieden haben - während Bourgeois ihre Mutter als ihre beste Freundin und als warm, freundlich und aufmerksam bezeichnet, ist Schenks Mutter eine von ihren Lebensumständen tief traumatisierte, freudlose Person, die keine Nähe zulässt - habe ich beim Lesen mehr und mehr Gemeinsamkeiten entdecken können. Denn letztendlich ist sowohl Schenks als auch Bourgois' "Maman" vor allem eines: eine nicht zu übersehende Hommage an die eigene Mutter.
Je mehr wir beim Lesen über Schenks Mutter und Grossmutter und deren Leben erfahren, desto mehr können wir Vergleiche zur Skulptur "Maman" ziehen. Auch Schenks Mutter ist eine Überfigur, die still leidet, unmenschliches Leid totschweigt und ihre Kinder damit vielleicht sogar schützt, obwohl sie ihnen Zärtlichkeiten oder auch nur Zuwendung ein Leben lang verwehrt, weil es einfach nicht anders geht.

Mit um so zarteren und zugleich kraftvollen Worten tastet sich Schenk an die Geschichte ihrer Mutter heran und beleuchtet ein tristes Leben voller Scham, Schuld und Armut. Schenks Grossmutter, die zu keinem ihrer Kinder einen Vater vorzuweisen hat, stirbt nach der Geburt von "Maman", Maman kommt zu Pflegeeltern und wird adoptiert, erlebt die Nachwehen des ersten Weltkriegs und überlebt den zweiten Weltkrieg in Lyon, eine glücklose Ehe an der Seite eines Zahnarztes und die Geburt ihrer Töchter, denen sie vor allem Selbstzweifel und die Angst vor Männern und ungewollten Schwangerschaften mitgibt.

Ungewollte Kinder gebären ungewollte Kinder und so schliesst sich ein Kreis, aber mit dem Schreiben, Erzählen, mit dem Zusammentragen von Lebensdaten und dem kunstvoll literarischen Vermischen von Realität und Fiktion schafft Schenk ein einzigartiges Werk, das von einer ganz speziellen Liebe, einer düsteren Zeit, einem schwierigen Leben erzählt und vielleicht am Ende auch ein wenig Versöhnung und Frieden anbietet.

Meine Empfehlung:
"Maman" überrascht und hallt nach. Es erzählt eine schmerzhafte Geschichte voller Missbrauch und Vernachlässigung, ist aber auch eine Annäherung an die eigene Mutter, die so viele Dinge ungesagt gelassen hat, weil ihr oft die Worte gefehlt haben, die ihr nun aber von ihrer Tochter nachträglich geschenkt werden. Lasst euch darauf ein.

Zusätzliche Infos:
Titel:
Maman
Autorin: Sylvie Schenk wurde 1944 in Chambéry, Frankreich, geboren, studierte in Lyon und lebt seit 1966 in Deutschland. Sylvie Schenk veröffentlichte Lyrik auf Französisch und schreibt seit 1992 auf Deutsch. Sie lebt bei Aachen und in La Roche-de-Rame, Hautes-Alpes. Bei Hanser erschienen ihre Romane Schnell, dein Leben (2016), Eine gewöhnliche Familie (2018), Roman d'amour (2021) und Maman (2023).
Sprache: Deutsch
Hardcover: 176 Seiten
Verlag: Hanser
Erscheinungsdatum: 20.02.2023
ISBN: 978-3-446-27623-9