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20 Februar 2011
Das Leben ist ein Windspiel
Gerade eben bin ich nach Hause gekommen und trinke erst einmal Tee. Ich lasse die Gedanken ein wenig schweifen und erinnere mich zurück an heute Morgen. Ich sass mehr als drei Stunden im Zug und habe dabei die regennassen Strassen und die verbitterten Mienen der Menschen betrachtet. Ich liebe Regen. Die tröstliche Trauer gibt mir das Gefühl, nicht immer nur fröhlich sein zu müssen, auch unglücklich sein zu dürfen. Trotzdem gehe ich immer mit mir im Reinen durch den Regen. Das fühlt sich so an, als hätte ich erst gerade geweint. Diese Erschöpfung und Erleichterung (aber ohne Weinen). Und meist gehe ich auch mit einem Lächeln im Gesicht durch den Regen. Nur leider wird dies fast nie erwidert. Aber heute, im ganzen Grau des Alltags, sind mir einige Farbtupfer begegnet. Ein kleines Mädchen, welches die Welt mit einem Lachen und einem freudigen Schrei verzauberte. Ein junger Mann, welcher mir aufmunternd zulächelte. Ein altes Ehepaar, welches voller Liebe durch die Gassen der Stadt Luzern spazierte und lachte. Ein Zugbegleiter, welcher sich Zeit nahm für die Sorgen einer Reisenden. Ein Busfahrer, welcher eine Sonderdurchsage machte, um einigen Touristen den Weg zum Schwimmbad zu zeigen. Und unter alle diese Farbtupfer mischte sich das sanfte Prasseln von Regen und die Melodie des Stabat mater von Giovanni Battista Pergolesi, welches ich heute Morgen an der Musikhochschule in Luzern durch einen Türspalt hindurch klingen hörte. Eine wunderbar traurige Melodie. Eine Melodie voller Schmerz. Auch wenn man nicht sehr viel von der Bibel hält oder versteht kann man den Schmerz der Maria hören, welche hilflos am Kreuz ihres Sohnes steht und wartet, bis er stirbt. Sogar wenn man die biblische Geschichte nicht berücksichtigt, spürt man den Schmerz. Es gibt wohl für eine Mutter nichts schlimmeres, als ihr Kind zu verlieren. Die Musik zeiht mich jetzt noch in bodenlose Tiefen hinunter. Aber zum Glück weiss ich, wie das Stabat mater aufhört. So wie fast alle kirchliche Musik. Mit "Amen". Dies ist ein sehr schneller und auch wieder hoffnungsvoller Schlussteil, in dem die Mutter sich mit ihrem Schicksal abfindet, es akzeptiert, es annehmen kann. Dieser Satz lässt hoffen. Die Trauer wird bleiben, aber sie wird sich vielleicht verändern. Das Schicksal ist besiegelt, aber es lässt sich damit umgehen. So nah also die regennasse Trauer und umso krasser dann auch der Gegensatz, das lachende Kind im Zug. Ich denke, dass unsere Gefühle manchmal so flatterhaft sind, wie ein Windspiel im Wind. Manchmal werden wir von warmen Winden umschmeichelt, manchmal erfrieren wir fast in der Kälte. Ab und zu wird uns Regen oder Hagel oder Schnee ins Gesicht gepeitscht und dann wieder warmer Sand. Und wir sind den Gezeiten des Lebens ausgesetzt, wie eben ein Windspiel im Wind. Schaukeln und schwanken und werden seekrank dabei.
Ich denke aber, dass Glück und Schmerz ganz nah beieinander liegen. So nah wie das Stabat mater und fünfzehn Minuten später das lachende Kind mit seinen glücklichen Eltern.
Ich wüsche euch allen viele warme Windstösse und ein paar Farbtupfer im Regen
Liebe Grüsse und bis bald
Eponine
Es tut gut dieses zu lesen gerade heute in meiner Gefühlswelt.
AntwortenLöschenDanke dir und puste die warmen Windstösse was an um all den Mneschen die es brauchen hin zu bringen.
Liebe Grüss Elke
Ein schönes Bild: Gefühle, die manchmal so flatterhaft sind wie ein Windspiel im Wind. Apropas Wind: Warme Windstöße könnte ich gut gebrauchen. Bei uns in Norddeutschland hatten wir heute eiskalte Windstöße, dafür aber glitzerte die Sonne im Schnee.
AntwortenLöschenLiebe Grüße
Inka
Ich glaube auch, dass das nah beieinander liegt, wenn nicht schon in gewisser Weise verbunden. sehr schön geschrieben.
AntwortenLöschen<3
@Elke
AntwortenLöschenGern geschehen. Trag nur die warmen Windstösse weiter in die Welt hinaus, damit sich andere Menschen an ihnen erfreuen können.
@Inka
Gestern hatten wir den ganzen Tag Regen und abends und in der Nacht Schnee. Der hat sich aber bereits bis heute Mittag wieder verzogen.
@Marion
Vielen Dank für dein Kompliment.
Und liebe Grüsse an alle
Eponine