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10 September 2020

Rezension: Das Palais muss brennen


Dieses Buch ist ein Rezensionsexemplar aus dem Verlag Kiepenheuer&Witsch, das heute in die Buchhandlungen kommt.

Beschreibung des Verlages:
Mit Anschluss ist nicht zu rechnen.
Abgründig, rasant und mit bitterbösem Sprachwitz erzählt Mercedes Spannagel in ihrem Debütroman von der korrupten rechten Elite, die von ihrer rebellischen Brut zu Fall gebracht wird. Luise ist die Tochter der rechtskonservativen Bundespräsidentin Österreichs. Als diese sich ihren neunten Windhund zulegt, holt Luise einen Mops ins Palais, den sie Marx nennt. Die Waffen der präsidialen Jagdgesellschaft schmeißt sie in den Pool, das Teezimmer tapeziert sie mit Artikeln über die Verbrechen der chinesischen Regierung und als ihre Mutter sie mit einem Burschenschafter verkuppeln will, der ihr stolz den Schmiss über seiner Augenbraue zeigt, skandiert sie: »Mensur ist Menstruationsneid!«. Mit ihren Freunden streift Luise durch die Straßen Wiens und schmiedet Pläne, die Regierung zu stürzen. Eine Kunstaktion auf dem Opernball soll das Land verändern – doch es läuft nicht ganz so, wie sie es sich gedacht haben. »Das Palais muss brennen« ist eine scharfsichtige und irre komische Erzählung über den Widerstand in einer tief gespaltenen Gesellschaft. Ein furioses Debüt, mit dem ein neuer, unverwechselbarer Sound Einzug in die deutschsprachige Gegenwartsliteratur hält.

Meine Meinung:
Wie sehr habe ich es geliebt, in dieses vor schwarzem Humor triefende, kritische und rasant erzählte Buch und in Luises Welt voller Widersprüche und Reichtum einzutauchen. Als Tochter der rechtskonservativen Bundespräsidentin Österreichs - von Luisa fast nie "Mutter", sondern stets "Bundespräsidentin" genannt - lebt sie im Palais, das nicht nur ihren Reichtum demonstriert, sondern auch eine Metapher für die ziemlich blasphemisch anmutende Ausgangslage dieses kritischen Romans ist.
Was Luise ihren ganzen Protestaktionen, ihrer radikalen Haltung und ihrem exzessiven Lebensstil zum Trotz nämlich nicht realisiert ist, dass sie als reiche Tochter genau so vom System profitiert und sich ihre Ausschweifungen lediglich aufgrund ihrer Privilegien erlauben kann, die sie ohne ihre prominente Mutter und deren Bankkonto gar nicht hätte. Sie lehnt sich also gegen etwas auf, von dem sie genau so Teil ist wie diese Menschen, von denen sie sich distanzieren will, was die Geschichte um so witziger und skurriler macht. Der Palais wird zum goldenen Käfig, die Systemkritik zum Ast, auf dem Luise sitzt, den sie sich aber gleichzeitig selber absägt.
Wer es dann schliesslich ist, der den Palais - auch wieder metaphorisch - zum Brennen bringt, ist letztendlich egal. Die Konsequenzen treten plötzlich und für die unfassbar naiv gebliebenen Protagonisten überraschend auf und an die Stelle des goldenen Käfigs tritt eine Ohnmacht und Ratlosigkeit, welche Luise und ihre Schwester zwingt, sich ihrem Leben bewusst zu stellen und einen eigenen Weg zu finden.

Sprache:
Mercedes Spannagel schafft es, mit wenigen Worten plakative Szenen heraufzubeschören. Ihre expliziten Formulierungen entblössen die Figuren und lassen tief in ein Leben blicken, das mit all seinen Abgründen, Exzessen und Vorteilen einer privilegierten Oberschicht vorenthalten ist. Gleichzeitig wird auch die Geschichte einer Tochter erzählt, die sich radikal von ihrer Mutter lösen will und dies auf die einzige Weise tut, welche sie kennengelernt hat: laut, schrill und kompromisslos. "Das Palais muss brennen" ist urkomisch, fesselnd und lässt dennoch ein paar leise Töne zu, welche feinfühlig eine verletzte Kinderseele und eine zerstörte Familie beleuchten und so für den spannenden Spagat zwischen intensiven Gefühlen und demonstrativ überzogenem polit-Theater sorgen. Die Sprache erinnert ausserdem ein wenig an das ebenfalls sehr empfehlenswerte Buch "Lied über die geeignete Stelle für eine Notunterkunft" von Simone Hirth.

Meine Empfehlung:
Dieses kritische, packende und atemlos erzählte Buch mit der in ihrem eigenen Palais gefangenen aber ihre Privilegien wenigstens sinnvoll nutzenden Protagonistin möchte ich euch sehr gerne ans Herz legen.

Zusätzliche Infos:
Titel: Das Palais muss brennen
Autorin: Mercedes Spannagel, geboren 1995, studiert Maschinenbau in Wien. Sie erhielt für ihre Texte diverse Preise, u. a. 2014 Exil-Jugendliteraturpreis Wien, Rauriser Förderungspreis 2017, 1. Platz FM4 Wortlaut 2018. Teilnahme an diversen Schreibwerkstätten, zudem zahlreiche Veröffentlichungen in Anthologien und Literaturzeitschriften, u. a. Mosaik, LICHTUNGEN, Volltext, BELLA triste.
Sprache: Deutsch
Hardcover mit Schutzumschlag: 192 Seiten
Erscheinungstermin: 10.09.2020
ISBN: 978-3-462-05509-2

4 Kommentare:

  1. Hey :)

    Ich dachte mir schon beim Lesen des Klappentexts, das klingt nach bitterbösem, schwarzem Humor :D. Es klingt auf jeden Fall nach einem Buch, dass ich den Leuten aus meiner (realen) Leserunde mal vorschlagen könnte, da es die Maxime gibt, Bücher von österreichischen Autoren zu lesen - und mir wirklich nie irgendwas einfällt, wenn wieder Ideen für das nächste Buch gesammelt werden ...

    Liebe Grüße und danke!
    Ascari

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    1. Liebe Ascari

      Ja, das Buch unterhält bestens und ist auch kritisch, da kann sicher auch einiges diskutiert werden. Schlag das unbedingt vor, ich bin gespannt, ob ihr es gemeinsam lesen werdet.

      Alles Liebe
      Livia

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  2. Hallo liebe Livia,
    eigentlich fällt das Buch vom Genre her ja so gar nicht in mein Lesebeuteschema. Ich muss aber sagen, dass du mein Interesse bereits mit der Inhaltsangabe hattest. Das klingt nach einer sehr scharfsichtigen Erzählung. Besonders gefällt mir auch die Erwähnung des schwarzen Humors. Luise scheint, vielleicht gerade wegen ihrer mangelnden Selbstreflexion, ein sehr interessanter Charakter zu sein. Ich danke dir für diese schöne und horizonterweiterende Buchvorstellung.
    Liebe Grüße
    Tanja

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    1. Liebe Tanja

      Vielen herzlichen Dank für deine Worte, die haben mich jetzt gerade total gefreut. Das Buch ist wirklich bitterböse und es ist genau so, wie du sagst: Luise ist eine spannende Figur und es ist schon interessant, ihr bei ihrem "Werdegang" zuzusehen und gleichzeitig konnte ich auch wirklich nur darüber staunen, dass sie diesen Aspekt ihrer Situation gar nicht zu realisieren scheint :-D


      Alles Liebe und ich würde mich freuen, bald deine Rezension zu lesen
      Livia

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