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15 Februar 2020

Rezension: Untenrum frei

 
Untenrum frei - Margarete Stokowski

Beschreibung des Verlages:
In «Untenrum frei» erzählt die Autorin und Spiegel-Online-Kolumnistin Margarete Stokowski, wie es ist, als Mädchen in Deutschland aufzuwachsen. Sie schreibt von unzulänglichem Aufklärungsunterricht, von Gewalterlebnissen, von Sex und von Liebe und zeigt: Noch immer besteht mit Blick auf die Geschlechtergerechtigkeit eine kollektive Schieflage. Für Veränderung im Großen, so Stokowskis These, bedarf es den Blick auf die Details. Ein persönliches, provokantes und befreiendes Buch.
«Untenrum frei» ist weder Autobiografie noch feministisches Manifest. Sieben Kapitel, in sich geschlossene Essays, die zusammen eine Geschichte ergeben: Kindheitsmuster, Schönheit, Arbeit am Körper, Sex (guter und nicht so guter), sexualisierte Gewalt, Feminismus und Anarchismus, Sprache, Sex und Liebe. «Margarete Stokowskis Texte sind bitterböse und lustig, persönlich und polemisch» (Süddeutsche Zeitung)

Inhalt:
In sieben Kapiteln, die mit sehr persönlichen Erfahrungen gespickt sind, erzählt Margarete Stokowski von ihren eigenen Erlebnissen als Tochter, Schwester, Partnerin, Freundin, Angestellte, Mitarbeiterin und Selbstständige. Sie schreibt über Liebe, Sex, darüber, was im Aufklärungsunterricht in der Schule schief läuft und über den Gender Pay Gap. Sie fordert einen Feminismus, der allen Menschen unabhängig ihres biologischen Geschlechts, ihrer Hautfarbe und Religion die gleichen Möglichkeiten zugesteht und räumt ausserdem mit Halbwahrheiten auf, indem sie die Bedeutung einiger Begriffe verständlich erklärt, diverse Philosoph*innen und Wissenschaftler*innen zitiert und nicht nur einen äusserst aufschlussreichen und detaillierten Quellennachweis mitliefert, sondern auch gleich noch eine Auflistung weiterführender Literatur.

Meine Meinung:
Ich bin nicht die einzige (und schon gar nicht die erste) Person, die dieses Buch am liebsten bereits im Teenageralter gelesen hätte. "Untenrum frei" plädiert für Selbstliebe und das genaue Benennen von Vorgängen im und am Körper, von Körperteilen, eigenen Wünschen und Vorlieben. Ich kann mir vorstellen, dass vor allem die Kapitel, in denen über die (sexuelle) Selbstbestimmung, über auf Augenhöhe geführte Beziehungen und faire Entlöhnung geschrieben wird, junge Menschen ansprechen. Zudem wird mit einigen Vorurteilen und Verallgemeinerungen aufgeräumt, es werden Anfeindungen erwähnt, die wir wohl alle aus unserem Alltag kennen und gleich noch angeführt, wie man damit umgehen kann, damit man erstens nicht selber daran zugrunde geht und zweitens auch noch aufklären, kontern und es selber in Zukunft besser machen kann.
Margarete Stokowski steht ein für junge Menschen, die sich in ihrem Körper und mit ihre Sexualität unsicher fühlen, die von ihren Familien nicht verstanden oder akzeptiert werden und die eine durch pinke und hellblaue Spielsachen geprägte Kindheit hatten und nun nicht wissen, wie sie sich von diesen vorgefertigten Bildern lösen und ihren Kindern später mehr Möglichkeiten aufzeigen können. Ausserdem erhebt sie ihre Stimme für Frauen, die eigentlich selbstbestimmt wären und dann durch die Geburt ihres ersten Kindes in mittelalterliche Rollenverhältnisse zurückgeworfen werden, die trotz gleicher Ausbildung und gleicher Arbeit nicht die gleichen Löhne bekommen, wie ihre männlichen Mitarbeiter und für Menschen, die sexuelle Gewalt, Diskriminierung und diverse Verunsicherungen erlebt haben und sich nicht selber wehren können.

Schreibstil:
Sprachlich ist dieses Buch ebenfalls sehr gelungen, da es offensichtlich von einer äusserst emanzipierten und intellektuellen Philosophin und Sozialwissenschaftlerin geschrieben worden ist, aber stets einfach gehalten ist, in kurzen, thematisch geordneten Kapiteln auf verschiedenste - meiner Meinung nach sehr wichtigen Themen - eingeht und dabei immer sehr verständlich bleibt. Neue oder eventuell mit Vorurteilen behaftete Begriffe werden ausserdem einfach und nachvollziehbar erklärt und mit ausreichend vielen Belegen, Nachweisen und weiterführender Literatur ergänzt.

Meine Empfehlung:
"Untenrum frei" ist provokativ und kritisch, aber vor allem auch sehr informativ und fundiert und ein Buch, das wirklich alle gelesen haben sollten. Es räumt mit Vorurteilen auf, liefert Erklärungen, Belege, Beispiele und Diskussionsgrundlagen und ist doch nie belehrend oder gar schwer verständlich, sondern aufgrund der vielen Beispiele (leider) komplett aus dem Leben gegriffen.

Zusätzliche Infos:
Titel: Untenrum frei
Autorin: Margarete Stokowski, geboren 1986 in Polen, lebt seit 1988 in Berlin. Sie studierte Philosophie und Sozialwissenschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin und arbeitet als freie Autorin. Ihre wöchentliche Kolumne «Oben und unten» erscheint seit 2015 bei Spiegel Online. 2019 wurde sie für ihre Texte mit dem Kurt-Tucholsky-Preis ausgezeichnet. «Untenrum frei», ihr Debüt, avancierte zu einem Standardwerk des modernen Feminismus.
Taschenbuch: 256 Seiten 
Sprache: Deutsch
Verlag: Rowohlt
Erschienen am: 24.04.2018
ISBN: 978-3-499-63186-3

8 Kommentare:

  1. Liebe Livia,
    Das Buch steht schon so lange auf meiner Wunschliste. Wenn ich deine begeisterte Rezension so lese, wird es wirklich dringend Zeit, dass ich das Buch kaufe. Eine wirklich gute Buchbesprechung.
    Liebe Grüße.
    Julia

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    1. Liebe Julia

      Ich finde, dass dieses Buch wirklich etwas bewegen kann und vielen Frauen und Männern helfen kann, starre Strukturen zu erkennen und zu durchbrechen.

      Ich bin schon ganz gespannt auf deine Meinung
      Livia

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  2. Liebe Livia,

    vielen Dank für diese unglaublich tolle Rezension! :D

    Ich war gestern mit einer Freundin essen und sie hatte mir auch schon so von diesem Buch und vor allem Margaretes Sicht- und Schreibweise vorgeschwärmt und gleich ein paar Auszüge vorgelesen. Am liebsten hätte ich gleich weitergelesen, weil mir die Direktheit und Klarheit Dinge auszusprechen wie sie sind, richtig gut gefallen hat. Es ist kein feministisches Manifest, das lediglich die Missstände anprangert, vielmehr klingt es nach einem fundierten, intelligenten Aufzeigen der Probleme unserer Gesellschaft mitsamt einiger Lösungsvorschläge. Du siehst, ich bin schon jetzt begeistert, obwohl ich es noch nicht gelesen habe. *lach* Bei meinem nächsten Besuch in der Buchhandlung werde ich es mir aber definitiv kaufen. :D

    Allerliebste Grüße,
    Kathi

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    1. Liebe Kathi

      Ich bin so froh, dass du auf dieses Buch und die Autorin aufmerksam geworden bist. Die Lektüre lohnt sich meiner Meinung nach sehr und es gibt so viele Dinge, die endlich enttabuisiert werden sollten, dann würden nämlich auch viel weniger Menschen weiterhin in starren Strukturen gefangen sein.

      Ich freue mich auf deine Rezension zu "Die letzten Tage des Patriarchats"
      Livia

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  3. Moin Livia,

    danke für die tolle Rezension. :)
    Ich glaube, das Buch werde ich auch mal lesen, allein schon, weil es viel zu viele frauenbezogene Themen gibt, die totgeschwiegen werden.

    Liebe Grüße
    Alica

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    1. Liebe Alica

      Genau so ist es und ich habe das Buch in den letzten Tagen sehr, sehr viele Male empfohlen, es lohnt sich wirklich sehr.

      Ganz liebe Grüsse
      Livia

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  4. Hey Livia,
    bei einer solchen Rezension muss das Buch natürlich auf meine Wunschliste wandern :D
    Vielen Dank dafür!
    Mal sehen, wann ich dazu komme.
    Liebe Grüße Melli

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    1. Liebe Melli

      Dass das Buch auf deiner Wunschliste ruhig auch gleich noch ein wenig nach oben wandern, du wirst es nicht bereuen ;-)

      Ganz liebe Grüsse
      Livia

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