Seiten

15 Februar 2019

Rezension: Der Mann, der ins KZ einbrach

Der Mann, der ins KZ einbrach - Denis Avey/Rob Broomby

Beschreibung des Verlages:
Als Millionen alles getan hätten, um herauszukommen, schlich sich ein englischer Soldat ins KZ Auschwitz. Denis Avey wollte mit eigenen Augen sehen, was in dem Lager geschah. Jahrzehntelang konnte er nicht darüber sprechen. Jetzt erzählt er mit BBC-Reporter Rob Broomby seine Geschichte. Eine unglaubliche Überlebensgeschichte voller jugendlicher Waghalsigkeit und echtem Mut.

Meine Meinung:
Ein Mann bricht in ein KZ, genauer gesagt in Auschwitz III, ein und dies zu einer Zeit, in der alle anderen das Gegenteil versuchten und flüchten wollten. Dies zumindest verspricht das Buch. Nach 150 Seiten, in denen Denis Avey ununterbrochen von seinen heldenhaften Einsätzen in Afrika erzählt und die ganze Geschichte, wie er letztendlich im Kriegsgefangenenlager direkt neben einem der tiefsten menschlichen Abgründe der Weltgeschichte gelandet ist, sind wir endlich an dem Tag angekommen, von dem das Buch erzählen will.
Versteht mich nicht falsch, es ist wichtig, diese Umstände zu erwähnen und spannend noch dazu. Dass sich der Erzähler allerdings mit seinen Taten im Krieg brüstet, wenn auch er sich selber zugleich hinterfragt und kritisch beleuchtet, hat mich wirklich ein wenig gestört. Dies aber vor allem deshalb, weil der Bericht so viel Platz im Buch einnimmt und nicht in erster Linie, weil Denis Avey sich über einen ihm zu Unrecht nicht verliehenen Orden entrüstet und zwar einfach deshalb, weil ich ganz etwas anderes erwartet habe.
Was dann aber folgt ist ein von Leichtsinn, Langeweile, Mut und Aussichtslosigkeit geprägter Tausch der Sträflingsuniform mit Hans, einem jüdischen Gefangenen, und eine wichtige, kaum aushaltbare und gnadenlos ehrliche Schilderung von Leid, Gewalt, Entwürdigung und Ohnmacht. In keinem Film und keinem bisherigen Buch oder Bericht aus dieser Zeit habe ich je so schreckliche Berichte gesehen/gelesen, wie in diesem Buch und dies, sowie die tragische Erkenntnis, dass Leben und Sterben letztendlich von Glück und Zufällen abhingen, was mir natürlich bewusst ist, hier aber noch einmal deutlichst aufgezeigt wird, hat mich tief erschüttert und macht dieses Buch zu so einem wichtigen Buch.
Ein wenig Hoffnung und Versöhnung wird aber trotzdem angeboten, weil es Rob Broomby und der BBC tatsächlich gelungen ist, einen damaligen Mithäftling von Avey zu finden und dessen Geschichte des Überlebens zu dokumentieren, was bei mir für ein wenig Frieden gesorgt hat.  

Meine Empfehlung:
Dieses Buch ist wichtig, dieses Buch ist spannend, dieses Buch zeigt auf, was fast nicht erzählt werden kann und trotzdem langsam aber sicher in Vergessenheit zu geraten droht. Bitte lest dieses Buch.

Zusätzliche Infos: 
Titel: Der Mann, der ins KZ einbrach
Originaltitel: The Man Who Broke Into Auschwitz
Autoren: Denis Avey (Augenzeuge)/Rob Broomby (Reporter)
Sprache: Deutsch
Originalsprache: Englisch
Übersetzt von: Rainer Schumacher
Taschenbuch: 350 Seiten
Verlag: Bastei Lübbe
Erstererscheinung: 15.02.2013 (genau heute vor sechs Jahre, fast unheimlich...)
ISBN: 978-3-404-60701-3

4 Kommentare:

  1. Hallo Livia,
    was für eine unglaubliche Idee, eine unglaubliche Geschichte!
    Deine Kritik mit den Heldentaten im Krieg kann ich nachvollziehen. Trotzdem denke ich, dass es eine ganz andere Zeit war, diese Kriegsbegeisterung können wir heute gottseidank nicht mehr nachvollziehen. Dennoch ist es ja eine Entscheidung, ihr viel Raum im Buch zu geben oder nicht.
    Danke für die Vorstellung des Buchs. Ich freue mich, dass es auch Avey geschafft hat, zu überleben und für seine Idee nicht mit dem Leben bezahlen musste.
    LG
    Daniela

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Hallo liebe Daniela

      Entschuldige bitte, die Kommentare zu diesem Post sind total untergegangen.

      Du hast komplett recht. Es ist jeweils die Entscheidung von Verlag/Herausgeber, wie viel Raum man den einzelnen Themen geben möchte und klar, die Zeiten haben sich auch verändert, weshalb ich diesen Punkt einfach unbedingt erwähnen möchte, diese Entscheidung des Verlages/Herausgebers aber selbstverständlich nicht in meine Bewertung einfliessen lassen habe.

      Genau, zum Glück gab es immer wieder Menschen, die eigentlich unter menschenunmöglichen Umständen überlebt haben und im Nachhinein davon berichten konnten.

      Alles Liebe dir
      Livia

      Löschen
  2. Hey Livia,

    vielen Dank für deine wundervolle Rezension!
    Das Buch kannte ich bislang noch nicht, es hört sich aber super bewegend, erschreckend und gleichzeitig total interessant an.
    Normalerweise passt es nicht so in mein Beuteschema, aber ich werde mir mal die Leseprobe anschauen.

    Liebe Grüße
    Charleen

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Liebe Charleen

      Das ist es wirklich auch und hat total viel in mir bewegt. Ich bin gespannt, ob dich die Leseprobe überzeugen konnte und hoffe, dass das Buch dich für sich einnehmen konnte.

      Alles Liebe an dich
      Livia

      Löschen

Ich freue mich über jeden lieben Kommentar, über Anregungen und konstruktive Kritik. Ausserdem möchte ich darauf hinweisen, dass ihr mit Absenden eines Kommentars zur Kenntnis nehmt und zustimmt, dass dabei personenbezogene Daten gespeichert werden.