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05 Februar 2018

Es war einmal eine junge, aufmüpfige Stundentin...

Guten Morgen ihr Lieben

https://samtpfotenmitkrallen.blogspot.ch/2012/03/gerade-gelesen_15.html
Am Wochenende wurde hier Ordnung geschaffen und dabei ist mir ein Text "in die Hände" gefallen, den ich im ersten Jahr meines Studiums geschrieben und über den ich mich gestern köstlich amüsiert habe. In diesem ersten Studienjahr (das war 2011/12) besuchte ich ein Semester lang jeweils am Freitag von 9.00 - 12.00 Uhr einen Kurs, der so chaotisch und unprofessionell organisiert war, dass ich die Dozenten nicht ernst nehmen konnte. Der einzige Vorteil: vom ersten Tag an lag auf dem Tisch im Unterrichtszimmer ein grosser Stapel Bücher. Alles waren Klassiker der Weltliteratur. Eine unserer Aufgaben war es, nach jedem Kurstag ein Buch mitzunehmen und eine Woche später wieder in den Kurs zu bringen, nachdem wir es sieben Tage lang mit uns herum getragen hatten. Ob wir das Buch lesen wollten, war uns überlassen. Ich habe die Bücher natürlich immer gelesen.

Einmal zu oft fehlte ich in diesem Kurs aber und schrieb über "Candide" von Voltaire deshalb folgenden Text als "Strafarbeit":


Candide und Reisen in einem Text

Zwei in eins ist Kunst und nicht Arbeit!
Nicht unbedingt ein Klassiker der Reiseliteratur, aber ein Klassiker von Voltaire hat mich dazu bewogen, diesen Text auf diese Art und Weise zu schreiben. Wenn man jegliche philosophischen Anschauungen weglässt, reist Candide ein Buch lang hin und her und schlussendlich gleicht seine Geschichte einer Odyssee in die Hässlichkeit, der er nie entkommen kann. Und schon wieder ist es philosophisch geworden. Dies liegt mitunter auch daran, dass dieser Text ohne Philosophie gar nicht auskommt (also nicht meiner, sondern der von Voltaire). Wenn nicht diese unglaublich komischen und zuweilen richtiggehend absurden Geschicke und Missgeschicke sowie alle weisen Menschen und ungebildeten Barbaren nicht wären, würde Candide nicht reisen. Weder durch die Welt, noch in irgendwelche Abgründe der Menschheit. Somit wird aus diesem Buch klar (man beachte den leicht sarkastischen – oder vielleicht auch zynischen – Unterton, er dient der Überleitung), dass es sowohl gebildete, wie auch dumme Menschen gibt, um Reisen zu machen, oder die man auf Reisen antrifft.
So zum Beispiel diese Menschen, welche wir täglich unterwegs im Zug antreffen und welche immer ganz laut über irgendwelche spannenden Dinge (wo man ist, wann man ankommt, ob der Nachbar stinkt oder nicht, usw.) sprechen müssen und dies natürlich am Telefon tun (das wären dann wohl die Dummen) und die, welche sich darüber aufregen aber ganz nach dem Motto „der Klügere gibt nach“ einfach schweigen und nur Grimassen schneiden (das müssten jetzt eigentlich die Gebildeten sein, macht aber keinen Sinn).
Solche Menschen hat wohl auch schon Voltaire gekannt (abgesehen von der Tatsache, dass es zu seiner Zeit weder Züge noch Handys gegeben hat). Und genau diese Menschen, also zum Beispiel die eigentlich nicht sehr gebildete aber mit Äusserlichkeiten überzeugende Blondine, oder der alte aber vom Leben gezeichnete Mann, sind Klischees, aber Teil von solch unterhaltsamen Gebilden wie „Candide“, welche ja genau mit diesen Klischees spielen.
Das Problem daran ist nur, dass es tatsächlich solche Menschen gibt und dass Voltaire ihnen wohl eine Chance geben wollte, sich in Selbsterkenntnis zu üben. Nur leider hat es nicht gefruchtet. Die Menschen sind immer noch so wie damals und sie diskutieren immer noch darüber, was Voltaire eigentlich gemeint hat (dies natürlich, um gebildet zu klingen, auf dem Weg nach Hause aber telefonieren sie ganz laut und sprechen dabei über sehr viele überaus unnötige Dinge). Und die Menschen reisen immer noch gerne. Obwohl Candides Reise eher einer Flucht als einer Vergnügungsfahrt gleicht (die allerdings ab und zu doch einige Vergnügen beinhaltet), ist es in meinen Augen eine Reise. Und zwar nicht nur eine philosophische Reise (zu sich selber/ans Ende der Welt/ in seine Mitte) sondern tatsächlich eine Bewegung von A nach B. Das also, was Tausende von Menschen (aus welchen Gründen auch immer) täglich, stündlich und einfach immer tun. Logisch will ich niemandem, der gerade so richtig verfolgt wird unterstellen, dass er seine „Reise“ geniesst. Aber trotzdem will ich behaupten, dass auch diese Menschen (vielleicht nicht während der Flucht aber Jahre danach, oder vielleicht auch nicht sie selber sondern ihre Nachkommen) einen Zweck in dieser Reise sehen können oder vielleicht auch einige positive Aspekte einer solchen Verschiebung von A nach B erfahren.
Und obwohl ich jetzt natürlich noch ganz lange und ausführlich über dieses Thema philosophiert hätte, bin ich langsam aber sicher am unteren Rand dieser Seite angelangt und werde diesen Text nun endlich versenden können. Mein Text geht also auf Reisen. Nimmt mich ja wunder, wohin ihn diese Reise führt.

2 Kommentare:

  1. Hallo liebe Livia :)

    bist Du gut und gesund in die neue Woche gestartet?

    Na das hört sich ja nach einer sehr chaotischen Vorlesung an ^^

    Aber es klingt sehr interessant was Du über diesen Klassiker geschrieben hast.
    Satiren im Allgemeinen mag ich sehr gerne. Gelesen habe ich leider noch nichts, was aus Voltaires Feder stammt.

    Liebe Grüße und einen stressfreien Montag für Dich, Tanja


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    1. Liebe Tanja

      Leider war der heutige Wochenstart ein wenig träge, grundsätzlich hat aber alles gut geklappt. Wie war es bei dir?

      Ja, das war ein totales Chaos. Eigentlich war der Start immer um 9.00 Uhr, aber die Dozenten waren meistens erst um ca. 9.20 Uhr da.... ;-)

      Ganz liebe Grüsse dir und weiterhin eine gute Woche
      Livia

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