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08 März 2014

Gedanken zum Tag der Frau

Der Tag der Frau zelebriert man seit über dreissig Jahren jeweils am 8. März. Ähnlich wie der Valentinstag wird er in gewissen Kulturen schon fast kommerzialisiert, Männer schenken ihren Frauen Blumen, Frauen lassen sich - wie auch am Muttertag schon - verwöhnen, sie weisen auf die Rechte hin, die sie nicht haben und die sie sich wünschen und auf die Rechte, die andere Frauen ihrer Meinung nach auch haben sollten. Schön und gut, wer mag, der soll. Aber betrachten wir doch einmal die Situation der heutigen Frau aus dem deutschprachigen Europa. Weiter gehe ich nicht, weil bereits in Ländern wie Italien und Frankreich ein ganz anderes Frauenbild exisitert, als in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Auch in diesen drei Ländern gibt es regionale Unterschiede, aber trotzdem kann man meiner Meinung nach sagen, dass man hier schon eher ein wenig verallgemeinern darf. Nun gut. Sprechen wir von Lohnungleichheiten. Ja, haben wir immer noch. Nicht mehr so schlimm, wie vor einigen Jahren, aber immer noch. Es gibt Berufe, in denen Frauen benachteiligt werden und - was man nie vergessen darf - es gibt Berufe, in denen Männer benachteiligt werden. Tatsache ist, dass es immer noch vor allem die Frauen sind, die meistens einen minim kleineren Lohn im gleichen Beruf, bei gleicher Position erhalten, wie Männer. Auch bei Sexualdelikten und in Fällen von häuslicher Gewalt, in denen die grosse, grosse Mehrzahl der Opfer Frauen sind, wird den Opfern immer noch ein Teil der Schuld in die Schuhe geschoben, während die Täter in fast allen Fällen mit einem blauen Auge davon kommen. Ein Sprayer bekommt längere Strafen.

In allen anderen Belangen, sind Frauen und Männer in diesen drei Ländern mehr oder weniger gleich gestellt. Warum braucht es also einen Tag der Frau? Für mich klingt "Tag der Frau" immer so, wie "Tag der aussterbenden Tiere, die man unbedingt schützen müsste".
In der Frauenbewegung hat sich in den letzten Jahren so viel getan, dass sich mittlerweile Männer diskriminiert fühlen. Man darf schon fast nicht mehr von einer Fussballmannschaft sprechen, wenn es um Frauenfussball geht und immer wieder melden sich Männer zu Wort, denen das andauernde Gelabere von der Emanzipation sprichwörtlich auf den Sack geht. Vor vierzig, fünfzig Jahren brauchten wir emanzipierte Frauen, die provozierten, radikal auf Missstände aufmerksam machten und in den Medien vertreten waren. Frauen, wie zum Beispiel Alice Schwarzer. Mit ihrem unkonventionellen und extravaganten Auftreten machten solche Frauen Männer und vor allem auch Frauen auf Missstände aufmerksam. Sie ermutigten Frauen, sich gegen häusliche Gewalt zur Wehr zu setzen, Anzeige zu erstatten, sich nicht mehr wie Sexsymbole und -puppen fühlen zu müssen, sondern eine eigene, selbst bestimmte Sexualität zu leben und für Alimente und misshandelte Kinder vor Gericht zu gehen. Übertreibung war ein Mittel zum Zweck, ein berechtigtes ad absurdum-Führen gewisser Situationen und Zustände. Heute hat sich fast alles verbessert und es können sich wohl nicht mehr viele Frauen im deutschsprachigen Europa darüber beklagen, gegenüber Männern im Nachteil zu sein. Es gibt also nun zwei Möglichkeiten, einen "Kampf" weiter zu führen und sich zu engagieren. In jeder der beiden Möglichkeiten ist es aber sinnvoll, sich weiterhin für gleiche Löhne und höhere Strafen für Sexualstraftäter stark zu machen.

Möglichkeit 1: Frauen stürzen sich gegen jede noch so kleine Ungleichheit in den Kampf, Frauen wehren sich gegen die "Vermännlichung" der Welt, Wörter wie "Mannschaft" und "man" verschwinden aus dem Sprachgebrauch, hinter jede Bezeichnung, die auf "-er" endet (Manager, Pater, Salzstreuer), kann grammatikalisch und inhaltlich korrekt ein "-in" gefügt werden, Männer werden die meiste Zeit ihres Lebens verbal und chemisch kastriert und dürfen ihre Männlichkeit nur zu Zeugungszwecken und um Frauen zu dienen zum Leben erwecken, die Kinderbetreuung fällt in die Hände von Kitas, während Frauen und Männer ganztags arbeiten und in die Ferien fahren, Frauen verdienen bald mehr als Männer, jammern darüber, dass ihr Mann im Bett kein Hengst mehr ist und sich unsicher fühlt und dass er es mit der Kinderbetreuung nicht so gut drauf hat, wie die Angestellte der Kita (=moderne Sklavin und Kinderfrau) und dass er auch nicht so viel verdient, wie er eigentlich sollte, Männer schliessen sich in Selbsthilfegruppen zusammen, starten Kampagnen, wollen die Macht der Frauen stürzen und werden dabei von den Frauen vernichtet, die sich dann wundern, dass sie plötzlich ganz alleine auf der Welt sind oder
Möglichkeit 2: Frauen verwenden ihre Kraft darauf, über den Tellerrand, sprich Landesgrenzen zu schauen und sich für tatsächlich existierende unterdrückte und unter Missständen leidende Frauen einzusetzen.

Da hoffentlich nur Möglichkeit 2 in Frage kommen sollte, muss man sich hier schon bald Gedanken darüber machen, wo man wirklich helfen und sich einsetzen kann. Auch wenn eine lückenlose Überprüfung nicht realistisch ist, so empfiehlt es sich doch, sein eigenes Einkaufsverhalten zu überdenken. Niemand verlangt, dass man eine Stiftung gründet, die beschnittenen Mädchen eine Rekonstruktionsoperation ihrer auf brutalste Art und Weise entfernten Klitoris und Schamlippen bezahlt oder dass man in Krisengebiete reist und dort Spitäler baut, Aufklärungsseminare organisiert und den Mädchen Lesen und Schreiben beibringt. Dass man aber Läden und Marken wie Primark, Beldona, Benetton, Bernies, Blackout, Chicorée, Modissa, New Yorker, Pimkie, Tally Weijl und Zebra meidet und bei H&M nur Fairtrade-Kleidung kauft, lässt sich umsetzen. Und ihr lieben Studentinnen und Studenten die jetzt wegen den Finanzen jammert: habt ihr schon mal etwas von Kleiderkreisel, Flohmärkten und Secondhand-Shops gehört? Dort müsst ihr nicht einmal darauf achten, ob die Kleidung fair produziert wurde, weil ihr gebrauchte Kleidung kauft und so nicht neue Rohstoffe verschwendet und Kinder und Frauen nicht aufs Neue indirekt dazu zwingt, unter unmenschlichen Bedingungen zu arbeiten. Wer finanzielle Hilfe leisten will, findet im Internet genügend Seiten von Frauen- und Kinderhilfsorganisationen, die gezielte Projekte unterstützen und sich über kleinste Spenden freuen. Auch bei tropischen Früchten empfiehlt es sich, auf Labels zu achten. Ein weiterer und sehr wichtiger Punkt sind für mich ausserdem die Ferien. Wer natürlich Ferien in Thailand, der Türkei, Ägypten oder Afghanistan bucht und sich dann wie ein ignoranter Tourist aufführt, es lustig findet, dass die Einheimischen entweder halb nackt oder total verschleiert durch die Gegend spazieren, sich nicht über die Kultur informiert und sich nicht den Sitten und Gebräuchen des jeweiligen Landes entsprechend benimmt und sich nur für den Strand und nicht für dort zur Prostitution gezwungene und ausgebeutete Frauen und Kinder interessiert, unterstützt den meist korrupten und Frauenhandel nicht unterbindenden Staat und somit indirekt die Ausbeutung von Frauen und Kindern.

Nun kann man sich fragen, warum sich Frauen im deutschsprachigen Europa trotz allen Vorteilen hier und allen viel schlimmeren Situationen in anderen Ländern trotzdem unterdrückt fühlen. Das liegt meiner Meinung nach auch an den Frauen selbst. Dafür sprechen folgende Vorwürfe, die Frauen sich gegenseitig machen:

  • Wenn eine Frau zu Hause bleiben, viele Kinder haben und den Haushalt führen will, wird sie von anderen Frauen als nicht emanzipiertes, konservatives Hausmütterchen bezeichnet
  • Wenn eine Frau arbeiten und ihre Kinder zeitweise oder während der ganzen Woche in die Kita geben will, wird sie als egoistisch bezeichnet
  • Wenn eine Frau keine Kinder will, wird sie als egoistisch bezeichnet (obwohl keine Kinder haben die einzige Garantie dafür ist, dass sicher keine Kinder dabei zu Schaden kommen)
  • Will eine Frau viele Kinder haben, so wird ihr von anderen Frauen vorgeworfen, dass sie das Einmaleins der Verhütung nicht kennt/nicht richtig anwendet
  • Will eine Frau unbedingt heiraten und dabei eine Traumhochzeit und bitte einen romantischen Antrag, ist sie altbacken und unemanzipiert
  • Will eine Frau nicht heiraten, wird ihr mangelndes Verantwortungsbewusstsein gegenüber ihren zukünftigen Kindern vorgeworfen
  • Taucht eine Frau alleine oder sogar (schrecklich) als Single an einer Party auf, sehen andere Frauen ihr immer an, dass sie sehr unglücklich, einsam und sicher frustriert ist, dass sie Haare auf den Zähnen und die falsche Figur hat
  • Ist eine Frau sehr, sehr dünn, wird sie als Magersüchtige und Hungerhaken bezeichnet, obwohl alle anderen Frauen im Raum liebend gerne genau so dünn wären
  • Ist eine Frau mollig, bestätigen ihr alle ihre Freundinnen, dass sie sicher nicht zu fett sei und freuen sich insgeheim darüber, dass sie selber dünner sind
  • Still eine Frau ihr Kind ein Jahr lang, gilt sie als pervers
  • Still sie ihr Kind nicht, dann enthält sie ihrem Kind diese wertvollen Säfte der Natur vor und trägt die alleinige Schuld daran, dass ihr Kind krank/schwach wird, ausserdem ist sie nur unfähig dazu, eine richtige Frau stillt nämlich...
  • Wünscht eine Frau eine PDA bei der Geburt, muss sie sich anhören, wie feige sie sei
  • Wünschte eine Frau eine absolut natürliche Geburt, wird ihr vorgeworfen, dass sie altmodisch ist und sie muss sich anhören, dass vor dreihundert Jahren auch ohne Narkose operiert wurde, dass dies aber heute sicher niemand mehr tun würde
  • Entscheidet sich eine Frau schweren Herzens für eine Abtreibung, ist sie eine Möderin, die auch hier wieder bei der Verhütung so richtig total versagt hat
  • Entscheidet sich eine Frau schweren Herzens dazu, ein Kind ohne Mann und ohne Geld zu bekommen, ist sie eine Sozialschmarotzerin und muss sich anhören, dass sie nun mal besser abgetrieben hätte
  • Vor allem Frauen nehmen Worte wie "Kampfemanze" und "Mannsweib" in den Mund
Diese Liste liesse sich beliebig ergänzen und darin stehen nur Vorwürfe, die Frauen anderen Frauen machen und so dafür sorgen, dass sich andere dabei immer minderwertig und schlecht fühlen. Das können Frauen so oder so sehr gut. Die psychologische Kriegsführung wurde sicher von Frauen erfunden und ich möchte nie wieder in einem Unternehmen arbeiten, das (wie damals die Bäckerei, in der ich es zwei Jahre lang ausgehalten habe) nur von Frauen geführt wird oder in dem nur Frauen arbeiten.

Emanzipation heisst, sich frei für oder gegen etwas zu entscheiden. Ob diese Entscheidung nun traditionell oder modern ausfällt, welche Rollen dabei Frauen und Männern zugeschrieben werden und wie lange dieses Arrangement andauert, ist dabei total egal, wenn sich alle Beteiligten mit der jeweiligen Situation einverstanden erklären. Nur durch die Zusammenarbeit von Männern und Frauen und das Hinarbeiten beider Geschlechter mit ihren Eigenheiten, Fähigkeiten und Ideen auf ein Gemeinsames Ziel hin ist der Menscheheit dienlich.

Somit soll der Tag der Frau ins Bewusstsein rufen, dass wir alle es sehr weit gebracht haben, dass wir glücklich sein dürfen, im deutschsprachigen Europa aufgewachsen und zur Schule gegangen zu sein/eine Ausbildung genossen zu haben und dass wir stolz auf unsere Privilegien sein dürfen, uns weiterhin für Rechte von uns und anderen stark machen müssen und dass wir unsere Ressourcen, unsere Ideen und unsere finanziellen Mittel dafür nutzen sollen, über den Tellerrand zu sehen und andere in ihrem Kampf für Freiheiten und Bildung zu unterstützen.

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