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26 März 2011

Eine Nacht, nur eine

Als erstes möchte ich Joey vom Blog "Look Into The Wide Sparkling World" ganz herzlich begrüssen. Es freut mich, dass du dich hier niedergelassen hast.
Und dann möchte ich euch einen Text zeigen, welchen ich zum Thema "Eine Nacht, nur eine" nach einigen Vorgaben des Lehrers für die Schule geschrieben habe.
Viel Spass

Es war noch warm. Zum Glück, er hatte nur seine Sommerjacke angezogen. Mit seinen vor Nervosität zitternden Fingern krallte Marco sich in seine Jackentasche hinein. Schwitzend, fröstelnd. Wie lange war es her? Vor fünfzehn Jahren hatten sie sich zum ersten Mal in dieser Stadt getroffen und vor dreizehn Jahren hatten sie sich in dieser Stadt das Herz gebrochen. Wie schnell die Zeit verging. Er zitterte weiter.
Die Turmuhr schlug fünfmal und Sandro beschleunigte seinen schlaksigen Schritt. Schon von Weitem sah er Marco mitten auf dem Marktplatz stehen. Gut sichtbar, aber verloren.

Nach einer unbeholfenen Umarmung hatten sie sich wie auf ein stummes Kommando hin in Bewegung gesetzt. Sandro wusste, dass er das Gespräch beginnen musste, Marco war viel zu schüchtern, um ihn anzusprechen. Dabei hätten sie sich so viel zu erzählen gehabt. Von früheren Zeiten, von seiner überstürzten Abreise und von jetzt.
„Wie geht es dir?“, fragte Sandro schliesslich. „Ich habe dich vermisst, aber dann habe ich dich vergessen und nun bist du hier“, antwortete Marco leise, er hatte sich nicht verändert. Treffer, dachte Sandro. So schnell hatte er nicht darauf zu sprechen kommen wollen. Er straffte seine breiten Schultern und schwieg
Als sie am Einkaufszentrum vorbeigingen, lächelte Marco still in sich hinein. „Hier haben wir uns zum ersten Mal getroffen, weißt du noch?“ Sandro nickte nur. Marco bemerkte, dass seine Hände aufgehört hatten, zu zittern. Er hatte nun so viele Jahre auf eine Entschuldigung gewartet. Sandro war damals Hals über Kopf mit einem Italiener nach Sizilien gereist. Er selber war zurückgeblieben. In dieser Wohnung, welche Sandro vor seiner Abreise noch verwüstet hatte in seinem Zorn, weil Marco ihn hatte aufhalten wollen. Inständig bittend, flehend, drohend, erfolglos.
„Hier haben wir unsere ersten Ferien gebucht“, unterbrach Sandro seine Gedanken. „Es ging nach Paris, der Stadt der Liebe“, ergänzte er verheissungsvoll. Marco betrachtete das Schaufenster des Reisebüros und dann Sandros lächelndes Gesicht. Wie früher blieb sein Blick am Grübchen in Sandros Kinn hängen, dessen Anblick ihn schon damals in haltloses Entzücken versetzt hatte. Es war aber nur sichtbar, wenn Sandro wirklich glücklich war. Und Marco freute sich darüber, Sandros Freude zu sehen. Dieselbe Freude, die auch er in sich verspürte.
Sandro wollte alles von der Stadt sehen und so viele Eindrücke wie möglich in sich aufnehmen, bevor er wieder abreiste. Als die beiden Männer über dreissig aber plötzlich vor ihrem damaligen Lieblingsrestaurant standen, marschierten sie zielstrebig hinein. Sie setzten sich in ihre Ecke und bestellten den teuersten Rotwein.
„Was ist aus dir geworden?“, fragte Sandro, als er die Speisekarte aufschlug. „Ich befehle“, antwortete Marco lächelnd. „Du bist tatsächlich zum Militär gegangen?“, entfuhr es Sandro. „Ich bin Lehrer“, erklärte Marco schliesslich und sie lachten beide.
„Und du?“ wollte Marco wissen.
„Geschäftsmann. Immer auf Reisen, immer unterwegs. Nur schön der Nase und dem Geld nach.“
Sandro wusste, dass er erfolgreich war. Er hatte sich jedoch schon immer für seinen Reichtum geschämt und wollte sich nun viel weniger gut verkaufen, als er es sonst seinen Geschäftspartnern gegenüber tat. „Wann reist du ab?“, fragte Marco besorgt. „Ich weiss es nicht“, log Sandro beruhigend und Erleichterung durchfuhr ihn, als der Ober sich nach ihren Wünschen erkundigte.
„Den Salat Caprese aber bitte gross und mit schwarzen Oliven“, nannte Marco wie aus der Pistole geschossen Sandros Lieblingsspeise. Dieser verstand den Wink und orderte Penne mit Pestosauce und viel Parmesan. Sie lächelten sich über den Tisch hinweg an und Sandro verfluchte sich dafür, dass er in diese Stadt gekommen war. Nun ging das schon wieder los, alte Gefühle begannen sich zu regen. Marco sah aber auch immer noch viel zu gut aus. Trotz seinen dreiunddreissig Jahren war sein Körper sehr muskulös und seine Haare waren noch immer rabenschwarz und elegant geschnitten. Seine schwarzen Augen, welche stets fröhlich funkelten, und seine lange Wimpern standen in keinem Gegensatz zu der kleinen Gestalt und seinem sehr männlichen und selbstbewussten Auftreten, um welches ihn Sandro schon immer bewundert hatte.
Stumm warteten sie auf ihr Essen. Als die Speisen endlich vor ihnen dampften und ihre Gesichter in den Augen des anderen wie durch einen Nebelschleier hindurch verschwimmen liessen, lächelten sie und sie tauschten ihre Teller aus, wie früher.
Das Dessert bestand aus einer Schale mit frischem Obst und je einem Grappa von erstaunlicher Fülle. Sandro wusste, dass er sich erklären musste und bevor er um die Rechnung bat räusperte er sich und sprach mit weicher Stimme: „Marco, ich habe Italien geliebt und die Italiener geliebt. Jetzt aber liebe ich nur noch die italienische Küche und den Wein.“

Als sie nach draussen traten, war es bereits dunkel. Aber die Wärme des Tages verzauberte immer noch die Strassen und umfing sie voller Liebe.
Sie spazierten ziellos umher und genossen die abendliche Stimmung. Die Lichter spiegelten sich im Fluss, den Fensterscheiben und der Iris des Anderen und sie begannen, zu plaudern. Autos rasten an ihnen vorbei und Passanten taten es ihnen gleich, aber die beiden hatten nur Augen füreinander. Vom Wein und der Atmosphäre benebelt, gingen sie neben- und miteinander umher und plötzlich spürte Marco, wie sich Sandros Hand in seine schmiegte. Anfänglich sträubten sich seine Gefühle dagegen, aber dann beschloss er, Sandros Nähe zuzulassen und ein wohliges Prickeln durchfloss ihn von den Fingerspitzen her durch seinen ganzen Körper und stellte ihm die Nackenhaare auf. Was wäre wohl gewesen, wenn er Sandro damals hätte zurückhalten können? Wie wäre es weitergegangen? Sandro war seine erste grosse Liebe gewesen und nach ihm hatte er nie wieder jemanden getroffen, mit dem er sich so stark verbunden gefühlt hatte, wie mit Sandro. Natürlich hatte er andere Männer gehabt. Aber bei den meisten von ihnen konnte er sich nicht einmal mehr an ihren Namen erinnern. Aber an diesem Abend war alles anders. Sandro war bei ihm, hielt ihn fest an der Hand und näherte sich mit ihm der Brücke, ihrer Brücke.
Auf der Brücke angekommen, verlor Sandro seine Beherrschung. Er näherte sich Marco immer mehr, umschlang ihn leidenschaftlich und küsste ihn sanft, aber voller Verlangen. Marco erwiderte den Kuss und sie standen da und küssten sich bis Sandro nicht mehr wusste, was er tat. „Wo wohnst du?“, flüsterte er atemlos. „Immer noch dort“, antwortete Marco erhitzt und meinte damit die Wohnung, in der sie sich früher geliebt hatten. „Und du?“, wollte er wissen. „In einem Hotelzimmer ganz in Nähe. Es ist gross und zu teuer. „Gehen wir zu mir“, lächelte Marco und fasste ihn bei der Hand.

Sandro hatte auf dem Sofa Platz genommen, während Marco in der Küche eine angebrauchte Flasche Wein holte. Was wohl noch alles passieren würde? Vorsichtig beugte er sich vor und betrachtete Sandro, der seine hagere Gestalt in die Sofaecke zu zwängen versucht hatte und nun seine schlaksigen Beine von sich streckte. Er gab sich einen Ruck und trat entschlossen zu Sandro ins Wohnzimmer. „Nur Wasser“, wünschte dieser und beide wussten, dass er sich nur nicht betrinken wollte, um in den folgenden Stunden das Richtige zu tun. Marco brachte den Wein in die Küche zurück und betrat dann das Wohnzimmer mit zwei Gläsern voll mit Wasser. Er stellte die Gläser auf den Beistelltisch und setzte sich Sandro gegenüber auf die vorderste Kante eines Stuhls. So verharrten sie eine ganze Weile und musterten sich aufmerksam.
„Ach, komm her“, forderte Sandro ihn schliesslich lächelnd auf und Marco setzte sich zu ihm und kuschelte sich in seine Armbeuge hinein. Sie küssten sich erneut lange und heftig, bis Marco plötzlich von Sandro wegrückte. „Ich kann das einfach nicht“, stiess er heftig hervor. „Du kommst hierher und verwirrst mich mit deinem verdammt guten Aussehen und deinen Küssen. Aber vor dreizehn Jahren hast du mir die Wohnung zu Kleinholz geschlagen und mit das Herz in Stücke gerissen.“ Sandro legte ihm beruhigend die Hand auf den Arm, aber Marco entwand sich ihm, zog sich bis auf seine Unterwäsche aus und legte sich schlafen. Sandro seufzte, tat es ihm gleich und machte es sich auf dem harten Sofa so bequem wie nur möglich.
Aber Marco schlief nicht, er lauschte. Und wie er lauschte, hörte er Sandros Schluchzen, haltlos und herzzerreissend. „Sandro?“, flüsterte er und er sah, wie Sandro sich erhob und sich seinem Bett näherte. Ohne zu ¨überlegen, hob Marco die Decke an und Sandro legte sich zu ihm.
Er spürte Marcos Lippen auf seiner nassen Haut, wie sie ihm sanft die Tränen vom Gesicht küssten und dann in Regionen wanderten, wo schon lange keine Lippen mehr gewesen waren. Es ging nicht lange und sie waren nackt und liebten sich kalt und heftig und ihr Atem ging stossweise, während ihre schweissnassen Körper sich aneinander rieben und ineinander versenkten.
Nach einer kleinen Ewigkeit lösten sie sich voneinander und Sandro spürte, wie schlecht er sich fühlte. Sie hatten den Zauber des Abends in diesen Minuten voller Härte aus den Händen gegeben. Doch er wusste auch, dass seine Liebe für Marco nicht erloschen war. Noch einmal näherte er sich ihm und liess sich Zeit. Die nächste halbe Stunde war voller Liebe und Wärme, Sanftheit und Vergebung. Jeder Kuss ein Versprechen, jede Geste für immer in der Haut des Gegenübers eingebrannt.
Als sie schliesslich einschliefen war Mitternacht lange vorbei und ihre Herzen pochten im selben Takt. Sie hatten es aufgegeben, über die Vergangenheit nachzudenken und sich Vorwürfe zu machen.
Es war halb sieben Uhr, als Sandro erwachte. Er betrachtete den schlafenden Marco voller Liebe. Mitten in seiner Verträumtheit durchfuhr ihn plötzlich die Gewissheit, dass er sich beeilen musste. Er rannte ins Badezimmer, wusch sich hastig und stürzte sich dann in seine herumliegenden Kleider. Schon am Abend davor hatte er die Rosen im Garten des Hauses gesehen. So leise er konnte, verliess er die Wohnung, um ein paar Blumen zu pflücken und sie in der ganzen Wohnung zu verteilen. Er schlich zu Marco, hauchte ihm einen Kuss auf die Stirn und verliess dann die Wohnung endgültig. Unten angekommen rief er sich ein Taxi, fuhr zu seinem Hotel, holte sein Gepäck vom Zimmer und dirigierte es zum Flughafen.

Während Sandro gerade den Flieger nach London bestieg, erwachte Marco aus seinen Träumen. Schlaftrunken rollte er sich auf die Seite, um Sandro anzusehen. Aber als er die Augen öffnete, sah er niemanden. Er befühlte die Seite des Bettes, auf der Sandro geschlafen hatte. Sie war kalt. Benommen richtete er sich auf und bemerkte, dass es bereits acht Uhr morgens war. Er wusste nicht, dass Sandros Flieger genau um diese Zeit abhob, aber er fühlte, dass sein Herz in tausend Stücke zersprang. Dann erst sah er den Zettel. „Es tut mir leid, ich melde mich“, stand darauf, hastig hingeschmiert und auf den Tisch geworfen.
Er bückte sich und hob eine Rose vom Boden auf. Und während er Rose für Rose einsammelte und sein Herz Stück um Stück wieder zusammensetzte, verschwammen seine Augen und Tränen der Verzweiflung stürzten seine Wangen herab.

3 Kommentare:

  1. hey vielen dank;)ich glaube eher, wir hatten dieselbe idee^^ hmmm...Nebelschwaden, Straßenlicht, Rauch, Nagellack, Zeichenblock und namen: Elias, Yvory liebe grüße<3

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  2. Danke fürs Erwähnen ,
    ich fühle mich geehrt.(:

    Deine Geschichte ist echt traurig ,
    aber sehr professionell geschrieben.

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  3. @Nadine
    Du hörst (liest) von mir :D Vielen Dank und liebe Grüsse

    @LookIntoTheWideSparklingWorld
    Gerne geschehen und vielen Dank für dein wundervolles Kompliment.

    Gute Nacht an alle
    Eponine

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