Mein Wohnzimmer |
Dieses Zitat von Heinrich Heine aus seiner 1823 erschienenen Tragödie "Almansor", die ich leider noch nicht gelesen habe, kennt wohl jeder, der sich ein wenig mit Geschichte und Literatur befasst hat. Dass es aber immer noch Menschen gibt, die nichts aus der Geschichte gelernt haben, beweist dieses Erlebnis:
Es war in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch, als ich mich kurz nach Mitternacht von einer guten Freundin verabschiedete und den Weg nach Hause in meine Wohnung unter die Füsse nahm. Weil am Mittwochmorgen Altpapiersammlung in Bern war, stapelten sich bereits in dieser Nacht Berge von Papier und Karton in den Hauseingängen. Es begann gerade zu regnen und ich rief meine Freundin an, um ihr mitzuteilen, dass ich nun doch nass werden würde. Als ich nämlich bei ihr das Haus verlassen hatte, machten wir noch Witze darüber, dass es sicher zu regnen beginnen würde, sobald ich unterwegs zu mir sei. Und genau so war es. Ich wollte ihr gerade zum letzten Mal eine gute Nacht wünschen, als ich an diesem unendlich grossen Stapel Papier vorbeiging. Mir stockte der Atem, als ich sah, dass er hauptsächlich aus Büchern und dem Kunstmagazin "art" bestand. Mehrheitlich Bücher von Dostojewski, Mann, Hemingway, Tolstoi, Böll, Keller, Hohler, Süskind, Goethe...also fast alles Weltliteratur, die man auf keinen Fall einfach so verbrennen durfte. Die acht riesigen Stapel konnte ich unmöglich nach Hause schleppen, also galt es sich zu entscheiden. Ich traf die Entscheidung schweren Herzens mit Hilfe meiner Freundin, beendete dann das Telefonat und machte mich bepackt mit den Bücherstapeln wieder auf den Weg. Zu Hause in meiner Wohnung angekommen bemerkte ich, dass es noch stärker zu regnen begonnen hatte und dass ich noch meinen Müll und mein eigenes Altpapier raus bringen musste. Also schnappte ich mir eine riesige Einkaufstasche, brachte meinen Abfall nach unten und ging wie unter Strom wieder zurück zum riesigen Altpapierstapel. Ich konnte die Bücher einfach nicht im Regen liegen lassen. Also bepackte ich mich und die Tasche mit dem Rest der Bücher und mit einem ganzen Stapel des Kunstmagazins und schleppte auch diese Last nach Hause.
Dann breitete ich alles auf dem Wohnzimmerboden aus. Es war mittlerweile schon fast ein Uhr und meine Arme schmerzten, meine Finger waren klamm von der Kälte und den Schnüren, welche die Bücher zusammen gehalten und tief in die Haut eingeschnitten hatten und es regnete noch stärker.
Am nächsten Morgen erwachte ich mit einem fiesen Muskelkater in den Armen und mit einem Wohnzimmer, das mit Büchern gefüllt war.
Aber ich hatte die Bücher gerettet und wenn ich euch alle diese Geschichte erzähle, dann erzähle ich sie, damit ihr euch Gedanken dazu macht, wie ihr mit dem umgeht, was ihr nicht mehr wollt und benötigt. Es geht nicht nur um Bücher, aber es geht mir natürlich vor allem um Bücher. Es gibt so viele Orte, an denen man verschiedenste Gegenstände gratis deponieren und abholen lassen kann. Auch ist es in den meisten Wohnhäusern möglich, Dinge im Treppenhaus hinzustellen und mit einem "zum Mitnehmen"-Schild zu versehen oder sonst kann man gerade Bücher und andere kleinere Gegenstände einfach in Kartonschachteln an die Strasse stellen.
Wir alle können mitbestimmen, was im Abfall landet und definitiv verbrannt wird und meiner Meinung nach ist es unsere menschliche Pflicht, die Menge der weggeworfenen Gebrauchsgegenstände so klein wie möglich zu halten.
Die Bücher habe ich übrigens immer noch nicht alle sortiert und in Augenschein genommen. Sie werden dann auch erst in der Septemberstatistik erscheinen, weil ich mir zuerst Gedanken dazu machen will, welche ich behalten und verschenken und welche ich ins Treppenhaus oder vielleicht auch Internet stellen kann und will.
Ich wünsche euch allen einen schönen Abend und morgen einen guten Start in den September und in die neue Woche
Livia