Rezension: Lea

Pascal Mercier - Lea

Beschreibung des Verlages:
Die achtjährige Lea hat sich nach dem Tod der Mutter in eine eigene Welt zurückgezogen, zu der auch der Vater keinen Zutritt hat. Erst der Klang einer Geige holt sie ins Leben zurück. Sie erweist sich als außerordentliche musikalische Begabung und mit achtzehn liegen ihr Publikum und Musikwelt zu Füßen. Doch Martin van Vliet, ihren anfangs überglücklichen Vater, treibt es immer tiefer in die Einsamkeit. Bei dem verzweifelten Versuch, die Liebe und Nähe seiner Tochter zurückzugewinnen, verstrickt er sich in ein Verbrechen ... 

Meine Meinung:
Nach "Nachtzug nach Lissabon" ist nun "Lea" mein zweites Buch von Pascal Mercier. Dieser in Bern geborene Autor schafft es, die von mir ebenfalls geliebte Bundeshauptstadt der Schweiz so schön und authentisch darzustellen, die Plätze so klar und realistisch, dass man sich gleich dorthin versetzt fühlt. Und auch in "Lea" war ich beim Lesen oft in unserer wunderschönen Stadt unterwegs. Gedanklich, aber auch in Echtzeit und Realität. Ich denke, dass man eine so stimmungsvolle, tragische Geschichte, so lebhaft beschriebene Figuren und diese poetische und fesselnde Sprache am besten nachvollziehen kann, wenn man die Orte kennt, an denen "Lea" spielt.
Da die junge Lea eine Musikerin ist, die gerade erst in den Bann der Musik gerät und immer fanatischer zu üben beginnt, bis sich ihr Vater Sorgen machen muss, konnte ich mich sehr gut in die Rolle dieser jungen Geigerin versetzen.
Der Sog des Übens, der körperliche Einsatz und die Entbehrungen werden meiner Meinung nach realistisch beschrieben und können gut nachvollzogen werden. Ebenfalls sehr gut hat mir gefallen, wie van Vliet fühlt, dass seine Tochter in Gefahr ist und dass er mit jedem Schritt, den er auf sie zu machen will und mit jeder Handlung, die ihr helfen soll, den Abgrund zwischen ihnen sogar noch vergrössert. Wie ihm Lea mehr und mehr entgleitet. Das war unendlich traurig und berührend dargestellt und ich konnte fast nicht glauben, was ich da las.
 
Schreibstil und Handlung:
Erzählt wird die Geschichte aber eigentlich vom Erzähler, der Martijn van Vliet in Frankreich trifft, mit ihm ins Gespräch kommt und von ihm die ganze Geschichte von Lea erzählt bekommt. Mich berührten diese Innensichten in Martijn van Vliet sehr, weil sie die Sorgen eines Vaters aufzeigen, der seine Tochter an die Musik verliert. Mit ihr mitfiebert, um sie bangt, sogar Angst um sie und vor ihr bekommt. Ich will gar nicht wissen, wie oft meine Eltern vor Panik erstarrten, als sie merkten, dass ich auf der Bühne kurz die Konzentration verlor, über den Saum des Kleides stolperte, als die Technik nicht wollte, wie sie sollte, die Korrepetitorin sich verspielte oder das Instrument am Tag der Zwischenprüfung notfallmässig repariert werden musste.
Vor allem auch dieses Gefühl, dass man sein Kind nun alleine auf der Bühne stehen lassen und es sich dem grausamen Publikum aussetzen lassen muss und nichts mehr tun kann als mitfühlen, war sehr realistisch beschrieben.
Von Anfang an ist klar, dass sowohl der Erzähler, als vor allem auch van Vliet zerbrochene Existenzen mit zerstörten Familien sind. Und diese Gemeinsamkeit verbindet die beiden Männer in einer sonderbaren Freundschaft, die von Mitgefühl, Fürsorge, Achtung, Entsetzen und Grauen geprägt ist. Und nach und nach erzählt van Vliet, was mit Lea geschah, was er damit zu tun hatte und wie er das Leben und diese eine Geige und diesen einen Lehrer dafür verantwortlich macht, wie er Gründe sucht, Wege, die er hätte gehen können und die nicht ins Verderben geführt hätten.
Dies geschieht so mitreissend und spannend, wie in einem guten Krimi, ich erinnere mich da vor allem an die Szene der zwielichtigen Geigenaktion. Aber es geschieht auch wunderbar poetisch und tiefgründig, fesselnd, berührend und verstörend, dass man "Lea" auch nach dem Beenden der letzten Seiten noch in sich nachhallen hört und spürt.

Meine Empfehlung:
"Lea" ist ein wahrer Schatz und die Lektüre dieser Novelle lohnt sich aufgrund der poetischen und berührenden Sprache, der tragischen und fesselnden Geschichte und der lebensecht dargestellten Figuren. "Lea" hallt nach und hat mich lange beschäftigt und ich empfehle euch diese sehr besondere Geschichte von Herzen.

Zusätzliche Infos:
Titel: Lea
Autor: Pascal Mercier, 1944 in Bern geboren, lebt in Berlin. Nach Perlmanns Schweigen (1995) und Der Klavierstimmer (1998) wurde sein Roman Nachtzug nach Lissabon (Carl Hanser Verlag 2004) einer der großen Bestseller der vergangenen Jahre und in zahlreiche Sprachen übersetzt. 2007 folgte die Novelle Lea. Unter seinem bürgerlichen Namen Peter Bieri veröffentlichte er, ebenfalls bei Hanser, Das Handwerk der Freiheit. Über die Entdeckung des eigenen Willens (2001).  Pascal Mercier wurde 2006 mit dem Marie-Luise-Kaschnitz-Preis ausgezeichnet und 2007 in Italien mit dem Premio Grinzane Cavour für den besten ausländischen Roman geehrt. 2007 erhielt er die Lichtenberg-Medaille der Universität Göttingen. 
Sprache: Deutsch
Fester Einband mit Schutzumschlag: 256 Seiten
Verlag: Hanser Verlag
Erscheinungsdatum: 01.09.2012 
ISBN: 978-3-446-24117-6

2 Kommentare:

  1. Liebe Livia,
    das scheint auch ein buch nach meinem Geschmack zu sein, auch wenn es sich eher nach einer tragischen Geschichte anhört. Es kommt auf jeden Fall gleich mal auf meine Wunschliste bzw. werde ich mal in der Bücherei schauen...
    Liebe Grüße
    Martina

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    1. Liebe Martina

      In der Bücherei solltest du das Buch schon finden und sonst lohnt sich meiner Meinung nach auch ein Kauf :-)

      Und ja, ich kann mir auch sehr gut vorstellen, dass "Lea" dir gefallen könnte. Trotz oder vielleicht gerade aufgrund der Tragik und des sehr fesselnden Erzählstroms.

      Ganz liebe Grüsse
      Livia

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