Rezension: Der Himmel meines Grossvaters

Ich bedanke mich bei Hanser Verlag für dieses berührende Rezensionsexemplar.

Der Himmel meines Grossvaters - Stefan Hertmans

 Beschreibung des Hanser Verlages:
"Man kann alles, wenn man will!", sagt der alte Mann zu seinem Enkel und schwingt sich in den Kopfstand. Die wahre Willenskraft seines Grossvaters begreift Stefan Hertmans jedoch erst, als er dessen Notizbücher liest, und beschliesst, den Roman dieses Lebens zu schreiben. Eindringlich beschwört er eine bitterarme Kindheit in Belgien, zeigt den 13-Jährigen, wie er bei der Arbeit in der Eisengiesserei davon träumt, Maler zu werden, und stattdessen im Ersten Weltkrieg an die Front nach Westflandern gerät. Dass der Mann, der dieses Grauen überlebt, fast am Tod seiner grossen Liebe zugrunde geht, ist eines der Geheimnisse, denen der Enkel auf die Spur kommt. Mit seiner Hommage an den Grossvater ist Hertmans ein grandioser Roman gelungen.

Meine Meinung:
Das Buch wurde mir von meinem Vater empfohlen, weil er im Autoradio davon gehört hatte und sich gedacht hatte, dass dieses Buch eine geeignete Lektüre für mich wäre. Damit hatte er vollkommen recht, denn dieses Buch hat mich fasziniert, beeindruckt und berührt. In einer schönen und liebevollen Sprache erzählt der Autor von seinen Erinnerungen an den Grossvater und seinen Recherchen, die er zu den Notizbüchern des Grossvaters anstellt und die ihn ganz weit in die Vergangenheit führen. Dieses Buch erzählt Geschichten aus einer anderen Zeit, in der vieles noch ganz einfach und anderes unendlich schwierig war, von Menschen, die nichts hatten und trotzdem glücklich waren und von Orten, die kurz darauf während eines grausamen Krieges zerstört wurden. Von Kriegsehre, Stolz, Mut und einem innigen Glauben an Gott und das Menschliche und von einem Familienzusammenhalt, der neidisch macht.

Sprache und Aufbau:
Hertmans kann sich noch an viele Ereignisse aus seiner Kindheit mit dem Grossvater erinnern. Diese schildert er vor allem im ersten und letzten Teil des dreiteiligen Werkes. Während seinen Recherchen und der Arbeit mit den Notizbüchern des Grossvaters erfuhr er viele Details, die er vorher gar nicht gekannt hatte und es wurden ihm einige Zusammenhänge klarer, über die er sich noch gar keine Gedanken gemacht hatte. Sehr liebevoll, selbstkritisch und ehrlich schildert er also seine Erinnerungen und beginnt dann mit den Anfängen der Notizbücher, in denen es vor allem um die Kindheit des Grossvaters geht. So wird immer wieder der krasse Unterschied zwischen den zwei Leben, ja, zwischen zwei Welten sicht- und spürbar und trotzdem verbindet den Autor und seinen Grossvater eine innige Beziehung und eine gemeinsame Familiengeschichte, sowie die Suche nach dem persönlichen Glück, der eigenen Bestimmung und den Wurzeln in der Vergangenheit.
Im zweiten Teil des Buches werden ohne persönlichen Kommentar des Autors die Kriegstagebücher in der ich-Form wiedergegeben und die Geschichte des talentierten Malers, der während des ersten Weltkrieges plötzlich an die Front berufen wurde und seinen grossen Traum zumindest teilweise aufgeben musste schockiert und fasziniert zurgleich in ihrer erzählerischen Klarheit und den grausamen und zum Nachdenken anregenden Details. Faszinierend ist dieser zweite Teil vor allem darum, weil der Grossvater sich nach so vielen harten, tragischen, traurigen aber auch glücklichen und gesunden Jahren noch so genau an jede Kleinigkeit erinnern konnte, was uns Lesern zeigt, wie einschneidend und traumatisch diese Zeit doch war.
Im dritten Teil erzählt der Autor wieder von sich und dem Grossvater, zieht Vergleiche und zeigt Parallelen auf. Vor allem tauchen wir noch einmal ein in die Zeit nach dem Krieg, in welcher der Grossvater seine grosse Liebe gefunden und wieder verloren hat. Wir erkennen zusammen mit dem Autor die weitreichende Bedeutung einiger Bilder des Grossvaters und erfahren zudem etwas über die Handlungsorte, die Hertmans fast alle besucht oder zumindest gesucht hat.

Meine Empfehlung:
Dieses Buch ist nichts für zarte Gemüter und doch sollte es von allen gelesen werden. In einer Zeit, in der bereits die letzten Zeitzeugen des zweiten Weltkrieges aussterben, ist es nämlich um so wichtiger, sich zu erinnern und dieser Zeitzeugenbericht des ersten Weltkrieges zeigt noch einmal eine ganz andere Form der Kreigsführung und Grausamkeit auf. Er berichtet aber nicht nur von der Langeweile und Todesangst in den Schützengräber, den Gräueltaten auf dem Feld, von der Angst um die Familie und das eigene Leben und Geschichten aus einer harte Kindheit, sondern er ist auch grandios geschrieben und mit Liebe recherchiert und erzählt.

Zusätzliche Infos:
Stefan Hertmans
© Michiel Hendryckx
Titel: Der Himmel meines Grossvaters
Originaltitel: Oorlog en terpentijn
Autor: Stefan Hertmans, geboren 1951, gilt als einer der wichtigsten niederländischsprachigen Autoren der Gegenwart. Sein Werk wurde vielfach ausgezeichnet, zuletzt mit dem Preis der flämischen Gemeinschaft für Prosa. Der Himmel meines Großvaters war der grosse Überraschungserfolg des Buchherbstes 2013.
Sprache: Deutsch
Originalsprache: Niederländisch
Übersetzt von: Ira Wilhelm
Fester Einband mit Schutzumschlag: 320 Seiten
Verlag: Hanser
Erscheinungsdatum: 25.08.2014
ISBN: 978-3-446-24643-0

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