Ismaels Orangen

Dieses traumhaft schöne und sehr aktuelle Buch wurde mir vom Blanvalet Verlag zur Verfügung gestellt, wofür ich mich ganz herzlich bedanke.

Ismaels Orangen - Claire Hajaj

Beschreibung des Verlages:
Kann Liebe wachsen, wo Hass gesät wird?
Jaffa, April 1948. Der siebenjährige Salim Al-Ismaeli, Sohn eines palästinensischen Orangenzüchters, freut sich darauf, die ersten Früchte des Orangenbaums zu ernten, der zu seiner Geburt gepflanzt wurde. Doch der Krieg bricht aus und treibt die ganze Familie in die Flucht. Von nun an hat Salim nur noch einen Traum: Eines Tages zu seinem Baum zurückzukehren und im Land seiner Väter zu leben.
Zur selben Zeit wächst Judith als Tochter von Holocaust-Überlebenden in England auf – und sehnt sich danach, irgendwann ein normales und glückliches Leben führen zu dürfen. Als Salim und Judith sich im London der Sechzigerjahre begegnen und ineinander verlieben, nimmt das Schicksal seinen Lauf und stellt ihre Liebe auf eine harte Probe...

Meine Meinung:
Dieses Buch wollte ich eigentlich sofort nach seinem Eintreffen bei mir lesen. Nur ist irgendwie immer etwas von meinem SuB dazwischen gekommen :-)
Ich war total gespannt auf das Buch und hoffte, durch diese Lektüre ein wenig mehr über den Nahostkonflikt zu erfahren, den ich zwar fast täglich in den Medien mitkriege, dessen Hintergründe ich aber viel zu wenig kenne. Da ich aber der Meinung bin, dass auch diese Konflikte, die nicht direkt vor unserer Haustür stattfinden, uns alle angehen und da ich mich als Kunstschaffende beauftragt fühle, mir alle möglichen Informationen zu aktuellen Themen zu beschaffen, war klar, dass ich dieses Buch unbedingt lesen musste.
Und es hat mich nicht enttäuscht, sondern einfach nur begeistert. Die Autorin, selber ein Kind einer jüdischen Mutter und einem muslimischen Vater aus Palästina, weiss, wovon sie spricht und sie schafft es nicht nur, ein differenziertes Bild beider Kulturen und des vorherrschenden Konfliktes zu zeichnen, sie vergisst dabei auch nicht, die Schönheit und Vielfalt der beschriebenen Länder in schillernden Farben zu zeichnen. Dies geht ja leider im ganzen Kriegsgeschehen und in den Berichterstattungen darum immer wieder unter.
Im Zentrum des Buches stehen die Liebesgeschichte um Judith und Salim und die Lebensgeschichten ihrer Familien. Diese reagieren gar nicht begeistert, als sie von der jungen Liebe zwischen Judith und Salim erfahren und halten mit ihrer Kritik nicht zurück. Bald zeigt sich, dass der Grat zwischen Freund und Feind sehr schmal sein kann und dass es nicht immer einfach ist, Hilfe zu finden, ohne gleich zu Gegenleistungen angehalten zu werden. So sind die beiden immer mehr gezwungen, sich von ihrem gewohnten Umfeld zu distanzieren und sich eine eigene Wirklichkeit und ein eigenes Leben aufzubauen. Nur ist da immer noch dieser andauernde Krieg und immer mal wieder überschatten die Geister der Vergangenheit ihr zerbrechliches Glück.

Schreibstil und Handlung:
Claire Hajajs Schreistil hat mich sofort in seinen Bann gezogen und nicht mehr losgelassen. Er ist vielfältig, bunt, detailliert und sehr feinsinnig und die Autorin schafft es immer wieder, die Gefühlswelt einer Person oder eine Situationsbeschreibung mit wenigen Worten ganz genau auf den Punkt zu bringen. Sie schreckt auch vor tragischen Ereignissen und dramatischen Wendungen nicht zurück und zeigt ihre eigene Trauer über die vorherrschende Situation nicht mit grossem Pathos, sondern mit einer leisen Eindringlichkeit, die mich erschütterte. In der Beziehung zwischen Judith und Salim sehen wir unendlich viel Zerrissenheit, Nähe, Verletzlichkeit, Liebe und auch ganz viele Missverständnisse und was sie als Paar erleben, erleben auch ihr Heimatland und ihre Kulturen in noch viel grösserem Ausmass und was immer wieder unter der Flagge des - leider falschen - Stolzes und der Ehre, des Besitzanspruches und der Vergangenheit ausgetragen wird, wiederholt sich doch immer und immer wieder und erzeugt einen Strudel von Gewalt, Hass und Zerstörung. Was wir in diesem Buch nicht erfahren, ist eine eindeutige Schuldzuweisung, die so wohl auch gar nicht möglich und für die Handlung sicher nicht notwendig ist. Wir befinden uns als Leserinnen und Leser aber immer wieder ganz nahe an der selben Ohnmacht, die alle Beteiligten zuweilen erfasst, lähmt und zu absurden Reaktionen zwingt. Die wunderbar geschichtlich orientierte Handlung, die klar gezeichneten Charaktere und die traumhaft schönen aber blutbefleckten Schauplätze vereinen sich in diesem zwingend lesenswerten Buch zu einem überwältigenden Ganzen und machen aufmerksam auf einen der grössten und am längsten andauernden Konflikt in unserer heutigen Zeit und seine Auswirkungen, die sich nicht nur in Israel und Palästina selber, sondern auf der ganzen Welt abzeichnen.

Meine Empfehlung:
Bitte lest dieses Buch, verschliesst euch nicht vor dem, was hier beschrieben wird, erkundigt euch, recherchiert, bildet euch eine eigene Meinung und vor allem: prüft euer eigenes Leben und Empfinden auf unverrückbare Vorurteile, auf ungelöste Probleme und auf Situationen, in denen ihr es versäumt habt, um Verzeihung zu bitten und tragt die Saat der Liebe und des Friedens, die ihr bei Judith und Salim findet, immer wieder weit in die Welt hinaus und lasst sie ihre Wurzeln in eurem Herzen schlagen.

Zusätzliche Infos:
Titel: Ismaels Orangen
Originaltitel: Ishmael's Oranges
Autorin: Claire Hajaj
Gebundene Ausgabe mit Schutzumschlag und Lesebändchen: 448 Seiten
Sprache: Deutsch
Originalsprache: Englisch
Übersetzt von: Karin Dufner
Verlag: Blanvalet
Erscheinungstermin: 16. März 2015
ISBN: 978-3-7645-0516-5

2 Kommentare:

  1. Eine wirklich tolle Rezension!!! Man weiß viel zu wenig hier über den Konflikt der Araber und Juden und ich habe darin einige neue Dinge für mich gefunden. Die Autorin hat hier sehr viel Aufklärungsarbeit geleistet.
    Liebe Grüße
    Martina

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    1. Vielen Dank für dein Kompliment. Das ist ebenfalls meine Meinung. Ausserdem hat sie - sofern ich das beurteilen kann - sehr sauber recherchiert und auch objektiv berichtet, was sicher auch nicht einfach war.

      Dir auch ganz liebe Grüsse
      Livia

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