Kleinstadtnovelle, Kurzrezension

Kleinstadtnovelle - Ronald M. Schernikau

Beschreibung des Verlages:
Das streng den Novellenregeln folgende Buch eines "Kleinstadtgymnasiasten über einen Kleinstadtgymnasiasten" (Schernikau) ist die Geschichte von b., der seinen Mitschüler leif liebt, mit dem es zum Austausch sexueller Zärtlichkeiten kommt. leif gerät in Panik, denunziert b., es kommt zum Schulskandal: in b. wird der Verführer gesehen und seine Relegation gefordert, worauf er mit Hilfe seiner Mutter die Flucht nach vorne antritt und die Schulöffentlichkeit mobilisiert. b wird schliesslich von der Schule verwiesen und verlässt die Kleinstadt Richtung Berlin.
"die türen zu tausend subkulturen stehen offen: vom ujz in den alternativen bäckerladen, von der wg aufs land, von der kleinstadt nach berlin."

Meine Meinung:
Vor einiger Zeit, wahrscheinlich vor ca. zwei bis drei Jahren, habe ich eine Dokumentation über Ronald M. Schernikau gesehen und war sofort fasziniert von dieser spannenden Person. Dann habe ich mir die "Königin im Dreck" und die Kleinstadtnovelle bestellt. Die Königin habe ich auch gleich gelesen, weil ich für eine Lesechallenge ein schwarzes Buch benötigte. Nun kam ich endlich dazu, mich mit Schernikaus Novelle zu befassen und ich war auch von diesem Buch total fasziniert.
Schernikau beobachtet genau und beschreibt seine Umgebung aus seiner Sicht und mit vielen persönlichen Anmerkungen. Seine Beschreibungen sind genau und pointiert und stellen gesellschaftliche Missstände an den Pranger, berichtigen oder überspitzen Vorurteile und lassen in die Gedanken eines jungen Mannes blicken, der sich in verschiedene Rollen gedrängt fühlt, seinen Platz in der Gesellschaft aber gar nicht definieren will.
Durch die Unterstützung seiner Mutter erfährt der Protagonist b. was es heisst, akzeptiert zu werden und durchaus ein Recht auf Liebe und Sexualität ausserhalb engstirnig definierter Normen zu haben. Die starke und fortschrittliche Frau setzt sich für genau diese Rechte ihres Sohnes ein und enttabuisiert und entkriminalisiert die Homosexualität von b. indem sie seine Mitmenschen dazu zwingt, darüber zu sprechen oder sogar Position zu beziehen. Eine kunstvolle Sprache, intelligente Bilder und Vergleiche und das immer noch sehr aktuelle Thema machen diese Novelle aus und auch noch Jahre nach dem viel zu frühen Tod des Autors sollte dieses kleine Büchlein Pflichtlektüre in allen Schulen sein.

Meine Empfehlung:
Die "Kleinstadtnovelle" empfehle ich Schülerinnen und Schülern und ihren Eltern und Lehrpersonen zur Lektüre. Sie hat nichts von ihrer Aktualität eingebüsst und bietet eine gute Diskussionsgrundlage für Themen, die junge Menschen beschäftigen und vielleicht auch einschüchtern. Sie sollte heute noch ein Muss in jedem Schulzimmer sein und zwar nicht nur, weil sie das Erwachsenwerden und die Selbstfindung von jungen Menschen thematisiert, sondern auch, weil sie spannende und wunderschöne Sprachcollagen und Wortschöpfungen beinhaltet, die durch ihre intelligente Gestaltung überzeugen.

Zusätzliche Infos:
Titel: Kleinstadtnovelle
Autor: Ronald M. Schernikau
Broschiert: 96 Seiten
Sprache: Deutsch
Verlag: Konkret Literatur Verlag
Preis: SFr 21.20
ISBN: 978-3-89458-216-6

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Ich freue mich über jeden lieben Kommentar, über Anregungen und konstruktive Kritik. Ausserdem möchte ich darauf hinweisen, dass ihr mit Absenden eines Kommentars zur Kenntnis nehmt und zustimmt, dass dabei personenbezogene Daten gespeichert werden.