Was spielst du denn alles für Instrumente?

Solche und ähnliche Fragen werden mir immer wieder gestellt, wenn ich erzähle, dass ich Musik studieren. Manchmal bin ich tatsächlich erstaunt und teilweise sogar schockiert, wie wenig meine Mitmenschen von mir und meinem Studium wissen und manchmal amüsiere ich mich auch über gewisse Ideen, denen ich im Gespräch oder auch hier im Netz immer wieder begegne.
Also habe ich mich dazu entschlossen, ein paar Antworten auf gewisse Fragen zu geben und mit den gängigen Klischees aufzuräumen. Wenn ihr weitere Fragen habt, dürft ihr mir die natürlich gerne stellen. Es freut mich, wenn ich Vorurteile abbauen und so eine gute Gesprächsgrundlage schaffen kann. Ich wünsche euch viel Spass mit meinen nicht immer ganz ernst gemeinten Antworten auf die folgenden Fragen.

Was studierst du?
Musik.

Wo denn?
An der Hochschule der Künste in Bern.

Aber Zürich wäre doch viel näher gewesen.
Für ein Musikstudium richtet man sich meistens nicht nach der Hochschule, die gerade in der Nähe ist, sondern nach dem Hauptfachdozenten. Das wäre also in meinem Fall der Flötendozent. Man besucht verschiedene Dozenten an verschiedenen Hochschulen, macht sich ein Bild davon, wie diese unterrichten und spielt ihnen vielleicht auch einmal vor. Wenn man einen Dozenten gefunden hat, mit dem man gut arbeiten kann, meldet man sich für die Aufnahmeprüfung an derjenigen Hochschule an, an welcher der "passende" Dozent unterrichtet. Weil es aber keine hundertprozentige Chance darauf gibt, die Aufnahmeprüfung zu bestehen, spielt man meistens bei verschiedenen Hochschulen vor und hofft so auf einen Studienplatz.

Man kann sich also nicht einfach einschreiben?
Nein, man muss eine Prüfung bestehen, eine Art Numerus Clausus, einfach im Fachbereich Musik.

Und was muss man für diese Prüfung können?
Man spielt auf dem Hauptinstrument einige Stücke vor, muss meistens auch ein Stück auf dem Klavier spielen und hat je nach Hochschule noch eine schriftliche und/oder mündliche Theorieprüfung.

Was spielst du denn alles für Instrumente?
Weil es fast nicht möglich ist, mehr als ein oder vielleicht zwei Instrumente auf wirklich professionellem Niveau zu spielen, studiert man Musik immer mit einem Hauptfach. Das ist bei mir Querflöte. Es gibt einige Ausnahmen, aber meistens konzentriert man sich - zumindest am Anfang - nur auf eine Studienrichtung und bildet sich dann zum Beispiel noch in Musiktheorie, Musikwissenschaften, Komposition, Schulmusik oder manchmal auch auf einem Zweitinstrument weiter.
Wir alle müssen aber Klavier als Zweitinstrument belegen, damit wir im Fach Musiktheorie Tonsätze und gewisse Akkordverbindungen auch gleich am Klavier spielen und so einfacher lernen und verstehen können.

Aber du kannst doch schon gut Flöte spielen, warum musst du das noch studieren?
Vielleicht spiele ich gut, wenn man mit einem Schüler an einer Musikschule oder mit einem gleichalten Flötisten vergleicht, der hobbymässig Flöte spielt. Will man aber sein Istrument zum Beruf machen, reicht dies noch lange nicht aus. Man muss sich sowohl auf dem Instrument, als auch im Bereich Theorie sehr viel weiter entwickeln, um überhaupt Berufschancen zu haben.

Also spielst du nur Flöte?
Nur?

Ja, was machst du denn sonst den ganzen Tag?
Wie in jeder anderen Kunstrichtung (Film, Theater, Architektur) gibt es auch im Bereich Musik Theoriefächer, die belegt werden müssen und können. Dazu gehören Musikgeschichte, Musiktheorie, Gehörbildung, Improvisation, Akustik und einige Wahlpflichfächer, die verschiedene Themen abdecken. Im Bereich Pädagogik kommen Psychologie, Fachdidaktik und Pädagogik dazu, im Bereich Performance sind es zum Beispiel Bühnenpräsenztraining und Orchesterstellentraining.

Also hast du auch Vorlesungen?
Vorlesungen, Seminare, Übungen und natürlich Einzelunterricht im Hauptfach.

Komponierst du auch?
Ich studiere Querflöte klassisch und nicht Komposition, das wäre ein eigener Studiengang. Es gibt aber natürlich auch in der Klassikabteilung Musiker, die komponieren. Das ist dann aber eine Freizeitbeschäftigung und wird für uns Klassiker nicht an der Hochschule unterrichtet.

Hast du viele Unterrichtsstunden pro Woche?
Nein. Meistens sind es zwischen vier und vielleicht zehn bis fünfzehn Stunden pro Woche. Es kann gut sein, dass ich erst am Abend Unterricht habe und vorher nicht an der Hochschule sein muss. Wahrscheinlich kommt auch daher das Klischee der "faulen" Musiker. Die ganze restliche Zeit des Tages nutze ich aber, um mich auf meinen Unterricht vorzubereiten und um zu üben, oder ich habe Proben, gehe ins Konzert und lese Fachliteratur.

Wie viele Stunden pro Tag übst du denn?
Wenn es irgendwie geht vier bis sechs Stunden. Es kann aber an manchen Tagen sein, dass ich nicht so viel schaffe, weil jeder Tag ganz anders aufgebaut ist und ich immer wieder andere Verpflichtungen habe.

Das ist aber viel.
Das ist meine Haupttätigkeit.

Arbeitest du neben dem Studium?
Ich unterrichte an einer Musikschule, gebe Nachhilfe und gehe Babysitten.

Haben alle Musiklehrer an einer Musikschule ein Musikstudium absolviert?
Nicht alle, aber die meisten. Wenn man sich aber heute an einer Musikschule bewirbt, wird meistens ein Master auf Musikpädagogik verlangt.

Also ist Musiklehrer ein richtiger Beruf?
Ja, ist es. Obwohl viele Menschen immer noch denken, dass Musiklehrer Menschen sind, die ein Instrument mehr oder weniger gut spielen können und dies dann einfach unterrichten, ist Musiklehrer ein richtiger Beruf. Wie ein Lehrer an einer öffentlichen Schule hat auch ein Musiklehrer Verpflichtungen wie Lehrerkonferenzen und gewisse Leistungen, die er erbringen muss. Übrigens haben Musiklehrer meistens länger studiert, als ein Primarlehrer...:-)

Kann man dann auch in der Grundschule unterrichten?
Nein, das ist wieder ein ganz anderer Studiengang. Der Pädagogikmaster an einer Hochschule für Musik zielt darauf, Instrumentallehrer auszubilden. Um Musik an einer Primarschule oder im Gymnasium zu unterrichten, braucht man meistens einen anderen Abschluss.
Ich werde nach meinem Bachelor zuerst einen Pädagogikmaster machen und dann wahrscheinlich noch einen Performancemaster anhängen.

Vielleicht haben einige von euch mitbekommen, dass ich mir nicht sicher war, wie es für mich weiter geht. Nun habe ich mich definitiv dafür entschieden, in Bern zu bleiben. Wenn ihr wollt, kann ich das noch genauer ausführen, ich weiss halt nicht, ob das überhaupt jemanden interessiert. Aber fragt einfach, wenn ihr noch mehr wissen wollt.

Und jetzt seid ihr an der Reihe. Habt ihr noch Fragen? Habe ich etwas vergessen? Wollt ihr schon lange einmal etwas fragen?
Ich wünsche euch noch einen wunderschönen Abend.

Ganz liebe Grüsse
Livia

3 Kommentare:

  1. Liebe Livia,
    vielen Dank dass du dir Mühe gemacht hast, diesen Post zu verfassen - das war jetzt sehr aufschlussreich :-) Zumindest meine Fragen sind jetzt geklärt ;-)

    Liebe Grüße
    Jinx

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  2. Livia ♥

    Vielen Dank für den schönen Post :) Musik... hach :D Eine Überlegung war es mir auch wert, da ich seit mehr als 15 Jahren Klavier spiele. Aber irgendwie hat das nicht zu mir gepasst. Ich bin bei der Germanistik geblieben. (Ich finde Literatur und Musik sind einander doch auch recht ähnlich!) Ich werde auch sehr oft gefragt, was man als Germanist überhaupt macht. Die wenigstens wissen, was sich hinter diesem Studium wirklich verbirgt :D

    Ich möchte dazu auch noch sagen, dass mich dein Post an meinen ehemaligen Klavierlehrer erinnert, dem ich sehr viel zu verdanken habe. Dieser Man spielte so leidenschaftlich Klavier & Posaune, dass es einfach ansteckend war. Ihm wurden damals viele Steine in den Weg gelegt. Aufgrund seines familiären Hintergrundes und der Umstände durfte er in der DDR nicht das studieren, was er wollte. Er sollte in eine gewisse Bahn gezwungen werden, die er so jedoch nicht aufzunehmen bereit war. Er wurde zwangsexmatrikuliert und musste einen technischen Beruf erlernen. Erst später, ich glaube nach der Wende?, hat er dann doch seinen Traum erfüllen können.

    Liebe Grüße,
    die Bücherdiebin

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    1. Vielen Dank für diese schöne Geschichte mit einem späten, aber dafür um so berührenderen Happy End.
      Ich finde auch, dass Musik und Literatur die grösste Verwantschaft innerhalb aller Künste haben. Nur schon, wenn man an all die Gedichte denkt, die jeweils vertont wurden. Aber auch viele grosse Werke der Bühnenliteratur und eine riesige Anzahl Klassiker (Sommernachtstraum, Undine, Les Miserables und tausend andere) finden irgendwo ihre musikalische Entsprechung.

      Alles Liebe
      Livia

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